Wenn der Detailhandel im Selbstmitleid zu versinken droht

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So in etwa muss man interpretieren, wenn man sich zumindest auf Twitter die Aussagen und Voten vom Internettag der HSG diese Wochen zu Gemüte führt. Malte Polzin hat hierzu eine schöne Zusammenfassung gemacht via Storify.

Irgendwie stellvertretend hierzu der Tweet vom VSV, notabene dem Verband der Schweizer Versandhändler:

[blackbirdpie url=“https://twitter.com/vsvch/statuses/313965632636997632″]

Aber was ist nur los mit dem jammernden Detailhandel? Es kann ja nicht die Lösung sein, gegen Pure-Player zu schimpfen, die den Markt versauen. Wenn es schon einer versaut, dann sind es die Kunden, die neue Einkaufserlebnisse und Vertriebswege suchen.

Klar, ein Zalando macht (ausserhalb von DACH) noch Verlust und auch Amazon ist erst seit wenigen Jahren profitabel. Aber ich hoffe, die Detailhändler haben sich auch schon einmal überlegt, dass

  1. ein Zalando und ein Amazon hoch-profitabel wären, würden sie nicht so strategisch und stark in ihre Expansion investieren, neue Märkte erschliessen und den langfristigen Erfolg suchen
  2. auch ein neues Ladenlokal im Detailhandel idR nicht schon nach 18 Monaten profitabel ist. Zalando Schweiz aber schon; trotz oder gar wegen der Retourenquoten, denn die werden in Kauf genommen, denn der Kunde steht im Zentrum (und über 50% waren schon immer normal bei Textil). Dazu nochmals jemand, der es wissen muss:
    [blackbirdpie url=“https://twitter.com/vsvch/statuses/313965937055367168″]

Wenn schon verglichen wird, dann bitte mit demselben Massstab. Dieses Gejammere mag man nicht mehr hören.

Kaum auszudenken, wenn in der Telefonie die Festnetz-Anbieter so lautstark geklönt hätten, als die Mobilfunk-Anbieter kamen. Und heute, kaum ein Jahrzehnt später, kaum noch Festnetz-Anschlüsse im öffentlichen Raum.

Google Kampagne gegen das LSR mit einem Zitat des Journalisten Mario Sixtus. Gesehen in einem Taxi in Berlin. Foto: Malte Polzin
Google Kampagne gegen das LSR mit einem Zitat des Journalisten Mario Sixtus. Gesehen in einem Taxi in Berlin. Foto: Malte Polzin

Oder wäre ein Unternehmen wie Welti-Furrer heute noch am Markt, wenn sie an den Fuhrwerken festgehalten hätten und mit den Hufschmieden gejammert hätten?

Ich werde den Verdacht nicht los, als würde der Handel in den Kanon der Verleger miteinstimmen; ob uns wohl bald noch ein Leistungsschutzrecht für den Einzelhandel droht?

Hierzu nebenstehend ein erfrischender Vergleich, kürzlich in einem Berliner-Taxi gesehen, bei der Rückkehr von einer E-Commerce Konferenz:

Lieber Detailhandel, bitte wacht auf und macht, was ihr doch am Besten könnt, HANDELN, und zwar auch bzgl. dem veränderten Kundenverhalten.

Apropos versinken – die Leser dieses Blogs wissen ja, woher der Name „Carpathia“ kommt …und wer gesunken ist.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

6 KOMMENTARE

  1. Mit diesem Beitrag haben Sie Ihrem Frust über das Gejammer so richtig freien Lauf gelassen. Ich kann das gut nachvollziehen. Allerdings muss auch etwas berücksichtigt werden, dass hier aus meiner Sicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Es gibt sehr viele Detaillisten, die nicht annähernd über ein solch finanzielles Rückgrat verfügen wie Zalando und co. Ich vermute, dass es nur noch schwieriger wird für die Detailisten und dass auch sehr viele verschwinden werden. Kreatives Denken alleine reicht heute oft nicht mehr aus.

    • Danke für den Kommentar. Bei jeder Revolution werden Äpfel mit Birnen verglichen, weil die Äpfel ja evtl. die neuen Birnen sind. Nun können die Birnen natürlich jammern oder aber schauen, was können sie genau so gut oder gar besser als die Äpfel und sich darauf vorbereiten, wenn die sich ja schon ankündigen.

  2. Also zumindest jenseits der Alpen scheint inzwischen „jeder“ noch so kleinste Laden einen Online-Shop zu betreiben.

    Wenn ich „meine eigenen“ Online-Käufe analysieren darf: Ich habe noch kein Produkt gefunden, welches ich nicht woanders (als bei Amizone) günstiger gefunden hätte… – und bevor ich bei Zalando Schuhe kaufe, laufe ich lieber barfuß ; )

    Liebe KUNDEN wacht auf und überlegt euch mal wo ihr da einkauft ; )

    freundliche Grüße aus dem hohen Norden
    BUNTEBANK Hamburg

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