Eine neue Dimension im Kampf um den Online-Kunden im E-Commerce?

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Wenn das Abflachen des organischen Internetwachstums ein reales Wachstum für den E-Commerce an Grenzen führt, dann müssen alternative Wachstumstreiber gefunden werden. Die Hintergründe sind rein betriebswirtschaftlicher Natur.

Der Auslöser dieser Problematik ist das oft verfolgte Wachstumsmodell der Skalierung über Traffic. Die letzten 10-15 Jahre E-Commerce haben massiv davon profitiert, dass mehr und mehr Menschen das Internet überhaupt zu nutzen begonnen haben, respektive ihr Nutzungsverhalten veränderten.

Diese Ressource wird langsam knapp, so dass eine Skalierung über Traffic zu einem Auslaufmodell avanciert, da hohe Skaleneffekte nur erreicht werden können, wenn der Markt ein dazu benötigtes Wachstum auch hergibt.

Der Online-Kunde wird teurer

Da (statistisch) schon fast jeder Schweizer mehrmals im Monat online einkauft und die Anzahl der Anbieter dabei noch immer zunimmt, gehen den Online-Händlern langsam die „neuen Kunden“ aus. Damit ist Wachstum beinahe nur noch auf Kosten des Wettbewerbs möglich.

Da die Online-Kunden bei ihrer Anbieterwahl bevorzugt den Preis in die Waagschale werfen, wird es in den meisten Fällen eben dieser sein, über den der Wettbewerb um den Traffic gewonnen werden soll. Zu Lasten der eigenen Handelsmarge. Daneben steigen gemäss Forrester die Werbeausgaben, so dass Neukunden teurer werden, der Deckungsbeitrag 2 massiv abfällt und die Kosten pro Bestellung steigen.

Untenstehende Tabelle zeigt die Zunahme der Cost-Per-Order bei Skalierung über Traffic, basierend auf Traffic-Wachstum von 10% bei Verteuerung der Werbeausgaben gem. Forrester-Research.

Cost-Per-Order

Kann man sich dem entziehen?

Nicht wirklich, denn der Wettbewerb möchte den Traffic / die Kunden der anderen haben, um seine Wachstumsziele zu erreichen. Die Kernfrage ist in diesem Zusammenhang daher eine ganz andere: Wie lange kann man das mitmachen? Antwort: Solange man rentabel genug ist! Und die Rentabilität lässt sich in diesem Szenario beispielsweise erhöhen durch:

  • Massive Steigerung des Traffics
    Ist kaum mehr möglich, da das Internetwachstum einen Deckeneffekt erfährt und mehr Traffic-Wachstum daher zu Lasten des direkten Wettbewerbs geht.
  • Stabile Preise durch konsumpsychologisches Branding
    Vor dem Hintergrund des Preises und dessen Mechanik als Marketingwerkzeug, erfordert die Preisstabilität eine strategisch ausgelegte Kommunikation mit konsumpsychologischer Zielgruppenausrichtung.Ein Produkt oder Unternehmen muss für den Konsumenten mit Bedeutung aufgeladen werden. Und wenn sich der Konsument mit dieser Bedeutung identifizieren kann, dann spielt der Preis nicht länger die übergeordnete Rolle. Die Kunst liegt dabei darin, herauszufinden, womit sich Konsumenten in diesem Kontext identifizieren. Hierbei helfen neurowissenschaftlich definierte Zielgruppen (auch dazu wird es noch einen separaten Blogbeitrag geben).
  • Senkung der Warenbeschaffungskosten
    Lieferanten haben idR. eine ausgeprägte Verhandlungsmacht und stehen (leider) zunehmend auch in direkter B2C-Konkurrenz zu ihren Business-Kunden. Einflussfaktoren auf die Macht der Lieferanten sind neben Losgrössen und Mengenvereinbarungen auch Mehrwerte (Value Proposition), welchen den Lieferanten durch ihre Business-Kunden entstehen. Wenn diese nicht immer sofort klar und ersichtlich sind, empfehle ich die Business Model Canvas zu nutzen, um alle Zusammenhänge und Mehrwerte zu visualisieren (mir hilft das oft).
  • Steigerung der Warenkorbwerte
    Um die durchschnittlichen Warenkorbwerte zu erhöhen bietet sich in erster Linie das Up-Selling und Cross-Selling an. Hier wiederum bietet das Wissen über seine Online-Kunden grosse Vorteile. Welche Artikel, die im Zusammenhang mit den schon im Warenkorb liegenden stehen, interessieren ihn? Wie hoch können / dürfen die Preise dazu sein? Wer ein CRM nutzt, vielleicht noch ein Recommendation-System einbindet und das alles mit konsumpsychologisch unterlegten Personas kombiniert, der hat (sehr) hier gute Chancen.
  • Steigerung der Zielerreichungsrate
    Im Schnitt (Schweiz) werden nur 5% des meist teuer bezahlten Traffics auch zu zahlenden Kunden. Das bedeutet, dass lediglich 5 von 100 Besuchern etwas kaufen (der stationäre Handel könnte davon wohl nicht leben). Conversion Optimierung hat zum Ziel, diese Quote zu verbessern, indem eine Datenbasis geschaffen und analysiert, Hypothesen ermittelt und auf der entsprechenden Seite in verschiedenen Varianten gegeneinander getestet werden.Auch hier gilt: je besser man die Online-Kunden kennt, desto besser fallen die Ergebnisse aus. Daher empfehle ich jedem, der noch keine Personas für sich entdeckt hat, dies möglichst bald nachzuholen (und auf neurowissenschaftliche Beine zu stellen). Das ist zwar mit Investitionen verbunden, aber wenn nur ein Nutzer (von Hundert) mehr zu einem Kunden wird, dann entspricht eine Conversion-Rate von neu 6% einer Steigerung von 20%! Daher ist Conversion Optimierung auch der beste und stärkste Hebel.

Fazit

Die Rahmenbedingungen für den E-Commerce verändern sich zunehmend, so dass wir mittlerweile wieder an einen Scheideweg kommen. Links geht’s zu den „klassischen“ Web-Lösungen. Rechts zu den dynamischen, flexiblen und neuen Lösungswegen. Das erinnert irgendwie an eine bekannte Situation, die noch vor ein paar Jahren an der Tagesordnung war und Stationäre Händler das revolutionäre Internet für sich entdeckten (oder auch verweigerten).

Wir haben heute mit Neuromarketing, Recommendation-Systemen, CRM-Software und anderem Know-How viele Möglichkeiten, die genutzt werden können. Vor dem Hintergrund des neuen Verdrängungsmarktes im Web sollte man davon auch Gebrauch machen, denn „die anderen“ passen bereits ihre Konzepte, Strategien und technischen Lösungen an.



1 KOMMENTAR

  1. Ein wichtiger und zugleich der letztlich einfachste, sowie nachhaltigste Punkt zur Steigerung der Rentabiliät fehlt: Die Kostenseite in den Griff bekommen.

    Solange die Umsätze stiegen, wurden die kaufmannischen Fehler nur zu leicht kaschiert. Aber in Zeiten stagnierender Umsätze fällt es dem Onlinehandel auf die Füße, dass es kaum echtes Controlling gibt.

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