Multichannel ist tot – es lebe der Handel!

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In Kanälen denken nur Händler und Techniker und immer mehr auch Berater. Man vergisst dabei eines, Kanäle sind den Kunden egal!

Kunden wollen einen Bedarf decken und haben dazu verschiedene Motivationen und Vorgehensweisen. Je nach Situation kaufen diese beim billigsten Anbieter, bei demjenigen mit der besten Verfügbarkeit,  den attraktivsten Serviceleistungen, dem grössten Vertrauen etc. – kurzum, sie kaufen dort, wo es für sie stimmt.

Das Kunden loyal über Kanäle hinweg sind, ist ein Mythos. Kunden kaufen in jedem Kanal beim Besten ein. Erfolgreiche Händler sind in jedem Kanal die Besten!

Multi-/Cross-Channel Evolution

Die aktuelle Entwicklung des Handels in 5 Stufen. Ein Grossteil der Schweizer Multi-/Cross-Channel Händler befindet sich in Stufe 2 oder 3. Das Ziel muss aber Stufe 5 sein – denn das ist, was der Kunde erwartet. Alles dazwischen sind organisatorische und technische Probleme die es zu lösen gilt.

Carpathia Multi-/Cross-Channel Evolution - Kundenzufriedenheit
Carpathia Multi-/Cross-Channel Evolution – Kundenzufriedenheit

In jedem Kanal der Beste sein – oder es sein lassen!

Wir gehen in unseren Beratungsansätzen mittlerweile gar so weit, dass wir nicht nur fordern, in jedem Kanal der Beste zu sein, sondern dass jeder Kanal für sich isoliert auch funktionieren können muss. Er muss also strategisch so ausgerichtet, konzipiert und berechnet sein, dass er überlebensfähig ist ohne die anderen.

Stationäre Händler, die Multichannel Ambitionen hegen und bspw. den Onlinekanal als zusätzlichen Kanal betrachten, raten wir gerne auch mal gänzlich davon ab. Auch immer wieder gehört; „der Onlineshop ist unsere 37. Filiale“. Hallo?!

Da ist das grundsätzliche Verstädnis falsch. Der Kunde erwartet keine Filiale online – er erwartet das beste Einkaufserlebnis. Wer den Onlineshop als Filiale denkt, rechnet, prozessual-einbindet etc, der druckt sich auch E-Mails aus wird auch nie die wahren Möglichkeiten des Onlinehandels ansatzweise erreichen können.

Oder auf den Punkt gebracht; es geht um ein ganzheitliches Einkaufserlebnis zwischen einem Kunden und einem Anbieter (Händler, Hersteller etc.). Kanäle sind nebensächlich, denn der Kunde erwartet, dass er in jedem Medium für ihn präsent ist, ihn kennt, von seinem Präferenzen und Transaktionen weiss uva. Ein Kunde denkt nicht in Kanälen.

Daher meine Aufforderung – lasst uns wieder vom Handel reden! Denn dies ist in der ganzen Evolution auch das Ziel. Multi-Channel, Cross-Channel und Buzzwords wie „No-Line“, „Omni-Channel“, „Ecommerce 3.0“ und mehr sind höchstens Zwischenschritte zu dem, wo es wieder hin muss. Zum Handel zwischen Kunde und Anbieter.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

10 KOMMENTARE

  1. Guter Beitrag und bin vollkommen einverstanden, dass der Kunde nicht in Kanälen denkt und dass man dem Kunden das begeisternde Einkaufserlebnis bieten muss. Ich wette jedoch, dass gerade mit der Maxime „in jedem Kanal der Beste sein“ unzählige Marketers oder Verantwortliche dazu verleitet, einzelne Kanäle zu optimieren und das Gesamtbild aus den Augen verlieren.

    • Diese Gefahr besteht in der Tat. Kann jedoch dahingehend kontrolliert werden, in dem konsequent die Sicht des Kunden eingenommen wird und damit das Big-Picture gewahrt wird.

  2. Kurze, aber interessante Gedanken. Dann werde ich nun also die Preise meines identischen Sortiments in meinem stationären Ladenlokal in bester, teuerster, schönster Innenstadtlage senken und an meine Online-Preise meiner Online-Filiale angleichen, deren Warenlager ich günstigst in Hinterdumpfelfing führe. Ich werde mich dem Preiskampf auf Amazonien ab sofort verweigern und dort die Ware im Umkehrschluss zum besten Ladenverkaufspreis anbieten, denn meine Filialstammkunden werden ja unter keinen Umständen plötzlich zum günstigeren Anbieter wechseln. Kundenkarten und Kundenkonten werde ich global miteinander verschmelzen und jeder Betreter meines Ladenlokals wird am Abend überrascht sein, einen Newsletter und eine SMS und eine Whatsapp und eine google+ und eine facebook-Einladung erhalten zu haben, mich zu lieben und zu liken und mir auf ewig die Treue zu schwören. Und ab sofort werde ich meine Online-Kunden aus Südvietnam und Kanada sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Newsletter zum verkaufsoffenen Samstag meines Ladenlokals zusenden, denn ich will ja das allumfassende Erlebnis, dass meine Kunden nicht dem Kanalgedanken unterliegen. Und Warenrücknahme und Rücksendungen, ach-i-wo, das geht ab sofort auch im Ladenlokal, wir verrümpeln unsere Verkaufsflächen mit zerrissenen Kartons und freuen uns, wenn der tägliche Bargeldbestand rapide schwindet, weil Kunden aus dem Online-Handel natürlich auch erwarten dürfen, die ‚Retouren‘ in bar und cash und zwar fix erstattet zu bekommen. Dass sich da langsam auch Schlangen vor dem Ladenlokal bilden und meine Mitarbeiter gar nicht mehr die Zeit zum Beraten haben, ist ja eh egal, denn wir leben ‚Commerce‘ und drücken einfach allen ein iPad in die Hand, damit sie direkt wieder online shoppen können, während sie noch gleichzeitig darauf warten, live und in echt die Ware uns auf die Theke zu stellen. Fremde Seiten und Preissuchmaschinen sperren wir natürlich auf dem iPad – das ist klar. Denn es gibt nur ‚the one and only uns‘. Versteht sich. Im übrigen beginnen wir ab kommender Woche, den Kunden im Ladenlokal auch aufgefaltete Kartons mitzugeben, falls sie die Ware doch nicht zurückgeben sondern zurück senden wollen. Gratis gibt’s jeweils auch 1m(3) an geschredderten Kartons als Füllmaterial, damit die Kunden die Rücksendung auch gut verpacken können. Und mit dem Kassenbeleg gibt’s auch noch den Retourenschein und die DHL-Retourenetikette mit dazu. Das ist Service, wie er sein soll und sein muss. Ganz Recht, weg mit dem Kanaldenken, Kunde ist Kunde und entsprechend werden wir ihn ab sofort auch so behandeln, ganz ungeachtet des Kanals.

    Bitte nicht ganz ernst nehmen, aber vielleicht … auch implizit und indirekt eine kleine Anregung, dass ein differenziertes Denken manchesmal gar nicht so schaden kann.

    😉

  3. Sehr schöner Artikel!
    Ist absolut so, nur etwas geht bei der Definition der Begriffe meiner Meinung unter:
    Das „Multi-Channel“ stammt aus der Sicht des Anbieters, und nicht des Kunden. On- & Offline-Anbieter nutzen, historisch bediengt, oft unterschiedliche IT-Systeme und verfügen, historisch bediengt, über verschiedene Know-How-Abteilungen im Unternehmen. Die Organisation, welche alles aus einem Guss kann (Know-How) und eine IT-Landschaft besitzt, die perfekt auf beides ausgelegt ist, gibt es heute nur selten. Insbesondere weil ein Unternehmen nicht auf der grünen Wiese beginnen kann. Aus Sicht des IT-Mgmt (Informatik) geht es deshalb oft darum, die verschiedene Systeme für die einzelnen Kanäle aufeinander abzustimmen und für das gemeinsame Ziel, das Business, zu optimieren (> BPM). Multi-Channel hat als Begriff darum für mich immer noch Gültigkeit (und wird es wohl auch noch ein Weilchen haben).
    Im Marketing, das immernoch oft zweigleissig aufgestellt ist, ist die ganzheitlichere Sicht einfacher zu realisieren und der Begriff Multi-Channel fehl am Platz. Zu oft schon gesehen und erlebt, dass Konsumentenansprachen im Offline nicht mit Online abgestimmt sind oder gar an beides gedacht wird (auch unbekehrt).
    Ich finde den Artikel (& die Visualisierung!) sehr gut – nur kommt mir die Komplexität des Ganzen bei der Umsetzung im Artikel ein bisschen zu kurz (vorallem bzgl. IT-Mgmt.). Ist ja nicht so einfach schnell schnell umzusetzen. Man braucht dafür u.a. das richtige Personal im Unternehmen.

  4. Sehr schön auf den Punkt gebracht, Thomas! Es geht für den Handel um konsequente Kundenorientierung über alle Kanäle hinweg (der Handel denkt ja nun einmal in Kanälen). Das ist leicht gesagt, stellt den Händler in der Praxis aber vor eine Fülle von Herausforderungen von Sortiments- und Preispolitik bin hin zum entsprechenden Personal – oline und am POS.

    • Danke für die Feedbacks. Ja, es stellt den Handel vor sehr grosse Herausforderungen. Vermutlich die grössten, denen er sich je konfrontiert sah. Es ist aber überlebenswichtig und in dieser Situation gilt es, ganz klar definierte Ziele zu haben. Und vor allem zu wissen, was der Kunde will.

      Noch immer werden zu viele sog. „Multichannel Projekte“ von der IT her gedacht. Da gebe ich auch @Damian recht in seinem Kommentar. Die Systeme sind historisch bedingt unterschiedlich. Das darf und wird den Kunden jedoch leider nicht interessieren. Er kennt nur den Anbieter. Und die Systeme dürfen NIE ein Hindernis sein. Der Kunde weiss dieses Hindernis zu umgehen. Er geht zum Mitbewerber.

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