Die Uhr tickt: Verschläft die Uhrenbranche das digitale Zeitalter?

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Widerfährt der Uhrenbranche womöglich das selbe Schicksal wie anderen Wirtschaftsbereichen welche den digitalen Wandel verschlafen haben und die Marktanteile kampflos Technologiefirmen überlassen mussten?

Apple iWatch / iTime Konzept / Quelle: Béhance
Apple iWatch / iTime Konzept / Quelle: Béhance

Die Gerüchte verdichten sich, dass Apple demnächst seine Uhr vorstellen wird. Aber nicht nur der kalifornische Innovationstreiber hat im Bereich der sog. Wearables den Zeitmesser im Fokus, auch andere Technikfirmen wie Motorola haben interessante Konzepte im Köcher (vgl. Video unten).

Doch was hört man von der jahrhundertealten Uhrenbranche deren dominierende Schweizer Vertreter gerade in letzter Zeit wieder Marktanteil gewinnen konnten wie die NZZ im Frühling berichtete? Funkstille

Doch wenn die Swatch-Group (Omega, Blancpain, Brequet u.a.), der Richemont Konzern (IWC, Jaeger-LeCoultre, A. Lange & Söhne, Piaget u.a) oder auch Rolex, Breitling, Patek Philippe etc. nicht möglichst bald Innovationen zeigen, dürften die Marktanteile schon in 2-3 Jahren neu verteilt werden

Entwickllung Marktanteile Uhrenbranche - Quelle: NZZ/Vontobel
Entwickllung Marktanteile Uhrenbranche – Quelle: NZZ/Vontobel

Gesellschaft: Junge haben kaum noch Uhren – neue Konzepte dringend nötig

Uhren sind ein Schmuckstück – für allem für Männer – und viele dieser Zeitmesser ein Wunder handwerklicher Präzisionshandwerkskunst. Doch reicht das im digitalen Zeitalter noch aus? Wer im öffentlichen Raum genau beobachtet sieht bei den Digital Natives kaum noch Uhren und auch bei den Konvertiten – den Digital Immigrants – verschieben sich die Werte.

Wer nun glaubt, dass diese Gesellschaftsschicht mit erhöhender Kaufkraft an die wertvollen Traditionsuhren heranwächst, könnte einem fatalen Irrtum unterliegen. Die Ansprüche an Zeitmesser werden sich fundamental ändern und ich bin der festen Überzeugung, dass es hier dringend neue Konzepte braucht.

Technologie verdrängt Tradition – Marktanteile werden neu verteilt

Doch wer bringt solche Konzepte? Sind die Uhrenfirmen wirklich in der Lage, die Produkte, die Märkte, die Kunden, die Services komplett neu zu denken? Oder sagt man sich; warum auch? Läuft ja alles prima, die Umsätze sprudeln? So ähnlich hat man auch in den Chefetagen von Kodak oder Brockhaus gedacht und dann vergingen wenige Jahre – der Rest ist Wirtschaftsgeschichte.

Viel wahrscheinlicher ist es leider, dass es Technologiefirmen sind, die wohl wieder eine Traditions-Branche auf den Kopf stellen und diese dann mit dem Rücken zur Wand steht. Die es nicht schaffen könnte, ihre Produkte komplett neu zu denken statt immer nur rädchenweise im Uhrwerk Anpassungen vorzunehmen.

Ein Blick auf die Autobranche genügt; traditionelle Hersteller wagen sich nur zaghaft an neue Antriebkonzepte und bauen Elektro-Komponenten in ihre herkömmlichen Karossen etc. Da braucht es Branchenfremde mit Technologiebackground wie einen Tesla, die Produkte, Produktion und Services von Grund auf komplett neu denken und mit unorthodoxen Neuigkeiten für Augenreiben sorgen wie der Freigabe seiner Patente oder die Erweiterung der Garantie auf unlimitierte Fahrleistung.

Gar ein Harley-Davidson wagt sich – ebenfalls ultra-vorsichtig – in neue Gefilde vor und testet mal in der Fangemeinde die Resonanz auf eine Elektro-Harley.

Liebe Verantwortliche in den Chef-Etagen der Uhrenbranche

Ich trage selber gerne eine schöne Uhr aber ich will mehr! Ich will nebst der fantastischen Uhrmacherkunst mit mechanischen Uhrwerken auch digitale Informationen und Features. Bitte wacht auf und entwickelt Ideen, wie sich das kombinieren lässt!

Es scheint mir wirklich 5 vor 12 – denn die Technologie-Firmen haben schon einige vielversprechende Konzepte, wie man schöne Uhren mit digitalen Services verbinden kann – das Konzept von Motorola finde ich persönlich einen gelungenen Anfang:

 

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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

12 KOMMENTARE

  1. Ich denke die Uhrenindustrie ist mittlerweile so auf Kurs, dass eine iWatch kaum Einfluss auf den Absatz haben wird. Swiss Made Uhren spielen in einem Markt bei dem es nicht um die Funktion geht, sondern um die Uhr an und für sich. Hier hat sich einiges getan seit dem Niedergang der Schweizer Uhrenindustrie auf Grund der Quartz-Konkurrenz. Und wie ich bei mir drüben geschrieben habe, wird Apple hoffentlich auch auf ein Gadget setzen, das eine Lücke schliessen wird und nicht ein bestehendes Element verdrängen wird. In 5 Jahren wird dann wohl die Technik soweit sein, dass ein Nebeneinander von mechanischer Uhr und elektronischer Smartwatch möglich wird. Aber wer weiss, vielleicht irre ich mich wieder einmal gewaltig.

    • Ich glaube eben, dass mit der demografischen Entwicklung der klassische Uhrenträger (zu denen ich auch mich zähle) langsam wegstirbt und die neue Generation nicht heranwächst, weil sie ein anderes Verhältnis zu Uhren generell und zu einem „Datenträger“ am Handgelenk im speziellen entwickeln wird.

  2. Na ich weiss nicht. Ich denke genau die Liebhaber von Schweizer Uhren die heute die mechanischen Luxusuhren kaufen, werden dies auch weiterhin tun. Elektronische Gadgets sind eine andere Liga, in der vielleicht noch Swatch innovativ glänzen könnte. Selber trage ich auch eine 20 Jahre alte Longines, die ich auf meinen 30. Geburtstag geschenkt bekommen habe. Es bräuchte viel, bis ich die ersetzen würde.
    Smartwatches sehe ich als reinen Gebrauchsgegenstand und für mich persönlich muss eine Uhr einfach die Zeit anzeigen. Eine Uhr wird ein Smartphone ja kaum ersetzen können und solange das nicht so ist, finde ich das ziemlich überflüssig. Für mich einfach ein Gadget mehr auf dem Markt und die Schweizer Uhrenindustrie wird da kaum viel vergeben, wenn sie nicht auf diesen Hype aufspringen.

    Habe da auch mal was gebloggt unter: http://www.digital-karma.ch/gadget-karma/smart-watches-wie-intelligent-soll-eine-uhr-sein/

    • Ich bin bei Dir Yves – aber gilt das auch für die nächste Generation? Wie war das mit den Kameras – konnte ich mir auch nicht vorstellen, das man eine solche in einem Smartphone braucht. Und heute; ich nutze meine Nikon kaum noch einmal pro Jahr.

  3. Naja, ich mit meinen 15 Jahren gehöre vermutlich noch zu einer der jüngeren Generationen die sie in ihrem Artikel ansprechen. Von mir selbst kann ich erzählen dass ich stolzer Besitzer einer Citizen bin, diese aber vor kurzem durch eine wunderschöne Tissot ersetzen konnte. Ich für meinen Teil liebe meine Uhren, genauso wie einige meiner Freunde (mal nebenbei, wir sind alle ganz normale 0815 Typen und keine Millionärskinder oder so 😉 ). Trotzdem trage ich meine Uhren nicht allzu oft, aber aus einem einfachen Grund: Ich will nicht dass sie kaputt geht! 😀
    Zudem mache ich viel Sport und restauriere einen VW Käfer 1302LS Cabrio, und dabei eine Uhr zu tragen ist nicht sehr sinnvoll!

    Aber um auf den Punkt zurückzukommen, ich selbst halte smartwatches noch für Nonsens denn der kurze Blick auf das Handy den ich mir spare ist mir keine 250 Euro teure Computeruhr wert, für mich wird das wohl nie an die Klasse und den Stil einer schönen mechanischen Uhr heranreichen können.
    Somit Wünsche ich ihnen noch einen schönen Abend,
    Hochachtungsvoll,
    Chris L

  4. Nicht das Gadget sondern der Content entscheidet über den Erfolg.
    Derzeit ist mit den aktuellen IWatch-Projekten kein solcher Mehrwert erkennbar. Es werden einfach Funktionen vom Smartphone aufs Handgelenk übertragen (wow, wie Innovativ!). Auch die nächste Käufer-Generation ist durchaus praktisch orientiert und kann gut zwischen echtem Mehrwert und Marketinggag unterscheiden. Interessant wird es, wenn ein Device ein logischer Bestandteil einer Content-Welt wird (Iphone/ITunes/3rd Applications). Diese Innovationskraft bringt aber traditionellerweise kein reiner Hardware-Hersteller mit. Diese konzentrieren sich auf mehr oder weniger gut gemachte Kopien(siehe Samsung).
    Der Uhrenindustrie fällt hier aus meiner Sicht auch keine Rolle als Treiber sondern eher als KnowHow-Lieferant und (Teil-)Produzent zu. Ganz nach dem Motto: „Tu das, was Du am Besten kannst und verbinde Dich mit Anderen, die ebenso denken und handeln“.

  5. Zumindest Swatch scheint den Weg des Mitläufers eingeschlagen zu haben, die das Wall Street Journal schreibt: http://online.wsj.com/articles/swatch-switches-gears-on-smartwatches-as-apple-looms-1409001025

    Bisher hat kein Smartwatch Hersteller den absoluten Wow-Effekt erreicht. Einzig die Moto360 sieht vielversprechend aus, wobei hier funktional auch keine Neuerungen erkennbar sind. Apple hat mit dem grossen Content-Angebot sicher eine Chance, ich bin aber gespannt wie weit Apple, neben den Fitness- und Gesundheits-Tracking Funktionen noch mehr bringen wird. Es bleibt spannend.

  6. Ja, ich glaube hier wird wohl ein wichtiges Thema angesprochen. Ich gehöre hier eher zur jüngeren Generation mit 29 J. Obwohl ich nicht mit dem ganzen digitalen „Kram“ aufgewachsen bin, und dem auch in meinem Leben wenig Bedeutung zumesse, verwende ich schon seit Jahren keine Uhren in dem Sinne. Man hat ja meist das Handy dabei, da ist eine Zeitanzeige drauf, wenn ich zu Hause bin und arbeite habe ich sie am Laptop. Und wenn ich in Freizeit unterwegs bin möchte ich keine Uhr dabei haben. Für mich bedeutet übrigens ohne Uhr sein auch zum großen Teil, sich aus dem Alltags-und Arbeitsstress auszuklammern, das brauch ich zum entspannen! Aber sicher wird es immer noch genug Leute geben, die dies wirklich als Schmuckstück verwenden, allerdings glaube ich nicht, das dies die Zeiten überdauern wird….

  7. Fairerweise muss man sagen, dass Luxus-Uhrenmarken wie Rolex und Fossil einen anderen Marktfokus haben und eher auf zeitlose Produkte setzen – quasi das Gegenteil eines typischen Apple-Produkts, da diese nach einem Jahr durch ein anderes Produkt ersetzt werden. Bei den Luxusmarken geht es aber darum, den Wert zu erhalten bzw. über die Zeit zu vergrößern.

    • Das ist absolut korrekt. Aber warum nicht eine Luxusuhr mit den Funktionen einer Smartwatch kombinieren? Warum soll nicht auch das Glas einer Rolex durch Wischen zur Interaktionsfläche mutieren können. Ich denke, man darf durchaus auch in solchen Dimensionen denken und das Beste aus beiden Welten kombinieren.

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