Retail Outlook 2016: «Grenzenloses» Online-Wachstum

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Pünktlich zum Jahresbeginn publizierte die Credit Suisse ihren alljährlichen Retail Outlook und damit den aktuellen Gradmesser des Schweizer Detailhandels in Zusammenarbeit mit Fuhrer & Hotz (PDF Direktlink).

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Schweizer Detailhandel gerade im vergangenen Jahr arg gebeutelt wurde. Der starke Schweizer Franken trieb die Konsumenten geradezu ins Ausland, so dass mehr als jeder 10 Franken in der Kasse eines ausländischen Ladengeschäfts oder Onlineshops landete. Auf stolze CHF 11 Milliarden wird dieser Anteil geschätzt.

Doch auch der Onlinehandel hat dem stationären Geschäft weitere Marktanteile in der Schweiz wegbrechen lassen. Am eindrücklichsten zeigt sich dies bei Bekleidung und Schuhe, wo sich der E-Commerce Anteil in den vergangenen 6 Jahren nahezu verdoppelt hat.

 

Onlineanteil am Umsatz mit Bekleidung und Schuhen - Quelle: GfK, VSV, Credit-Suisse
Onlineanteil am Umsatz mit Bekleidung und Schuhen – Quelle: GfK, VSV, Credit-Suisse

Das Segment Bekleidung und Schuhe musste 2015 im Vergleich zu den anderen Bereichen mit Abstand den stärksten realen Umsatzrückgang (–4.3%) verkraften (…) Die Auslandeinkäufe bei Bekleidung entsprechen inzwischen schätzungsweise einem Fünftel bis einem Viertel des Gesamtumsatzes in der Schweiz.

Zudem dürfte Zalando seine Umsätze im vergangenen Jahr in der Schweiz erneut deutlich gesteigert haben und damit dem Handel weitere Marktanteile in den Onlinekanal wegbrechen lassen. Die von uns geschätzten Umsatz- wie auch Paketzahlen für Zalando 2015 in der Schweiz publizieren wir gegen Ende dieser Woche.

Auslandeinkauf zieht auch Online stark an

Der allseits von Retailern beklagte Landesverrat Auslandeinkauf beschränkt sich jedoch nicht nur auf das stationäre Geschäft. Gerade im Onlinehandel scheinen aktuell alle Dämme zu brechen und 2015 scheint ein Rekordjahr gewesen zu sein aus unterschiedlichen Gründen:

Zum einen verzeichneten die Auslandeinkäufe via Internet bereits in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum (2010–2014: +80%).

Auch die Post vermeldete bereits Mitte 2015 ein Plus von 10% gegenüber dem Vorjahr bei der Verarbeitung von Importpaketen.

Doch gekauft wird nicht nur online im benachbarten Ausland oder den USA. Vielmehr wird der virtuelle Einkaufskorb von Schweizer Onlineshoppern je länger je mehr direkt in Asien gefüllt.

So vermelden sowohl die Kreditkartenfirmen wie auch die Logistik-Dienstleister exponentielle Zuwachsraten aus Fernost, allen voran von Alibaba wie der Blick oder die Handelszeitung übereinstimmend kürzlich berichteten.

Und der VSV doppelt in seiner Replik zum Retail Outlook 2016 nach:

Ich wage zu behaupten, dass wir in wenigen Jahren mehr Pakete von Aliexpress und Co. in die Schweiz sehen werden als von Amazon. Auch diesem Phänomen kann man kaum etwas entgegensetzen, die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten, auch nicht mit Zoll und Gesetzen.

Der Retail-Outlook 2016 geht denn auch davon aus, dass die Auslandeinkäufe vor allem Online 2016 weiter stark zunehmen werden.

Ein besonderer Abschnitt im aktuellen Outlook ist der Internationalität von Konsumgütern gewidmet, der durchaus lesenswert ist.

Über Sinn und Unsinn noch in Grenzen zu denken

Symptomatisch – für diese Erhebung wie auch für den Handel allgemein ist – dass weiterhin in alten Mustern gedacht und alten Massstäben gemessen wird. Währenddessen die Konsumenten bereits zwei und mehr Schritte voraus sind.

Bei denen sind nicht nur die Hemmungen (online) komplett gefallen. Auch Fremdwährungs-Abwicklungen und Zoll-Formalitäten stellen keinerlei Hindernisse mehr dar. Und Dienstleister verschiedenster Art helfen tatkräftig mit, die Waren ausländischer Anbieter bequem in das Schweizer Milchkästli zu liefern.

Man darf sich daher fragen, welchen Sinn es überhaupt noch macht, Statistiken – zumindest auf Händlerseite – strikte nach In- und Ausland zu machen. Denn der Konsument denkt schon länger nicht mehr in Landesgrenzen sondern will einfach beim jeweils besten Anbieter einkaufen.

Dies kann derjenige mit der besten Verfügbarkeit, dem besten Service oder dem besten Preis sein. Je nach Situation.

Und gerade bei den beiden Punkten Verfügbarkeit und vor allem Service-Excellence gäbe es noch genügend Nachholbedarf in der Schweiz. Sowohl Online wie auch Offline und damit mutmassliche Potentiale.

Ansonsten das Online-Wachstum wirklich grenzenlos ist, im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinne.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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