Hat Amazon 2015 die Hälfte des deutschen E-Commerce abgewickelt?

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Hinweis; nachfolgende Berechnungen sind Näherungswerte

Seit einigen Wochen liegen die offiziellen Amazon Umsatzzahlen vor die auch bei der US Börsenbehörde hinterlegt sind. Amazon gibt wie immer nicht allzu viel preis. Insbesondere werden bei den Umsatzzahlen neben den USA nur die grössten Märkte wie u.a. Deutschland gesondert ausgewiesen. Dennoch lässt sich einiges aus den Zahlen lesen und auch interpretieren.

Amazon SEC Filing 2015
Amazon SEC Filing 2015

Aufteilung der Umsätze

Wer den deutschen Amazon Umsatz nun auf „nur “ USD 11.8 Milliarden beziffert, greift zu kurz. In den von Amazon publizierten Umsatzzahlen stellen neben den effektiven Produktverkäufen aus dem eigenen Handelsgeschäft insbesondere die Einnahmen aus dem Cloud-Computing (AWS – Amazon Web Services) und Advertising Geschäft wie auch die Erlöse aus den FBA Services (Fulfillment by Amazon) die grössten Positionen dar.

Amazon SEC Filing 2015
Amazon SEC Filing 2015

Global werden die sog. „Product Sales“ auf USD 79.268 Mrd. beziffert und die „Service Sales“ auf USD 27.738 Mrd. In diesen Service Umsätzen enthalten sind Erlöse von USD 7.88 Mrd. aus den AWS wie auch USD 6.52 Mrd. sog. „Shipping Revenue“ aus FBA Services.

Demzufolge müssten sich die Provisionen aus Market-Place Verkäufen global auf USD 13.328 Mrd. belaufen.

Aufgrund der starken Währungsschwankungen 2015 beziffert sich der Anteil des Deutschland-Geschäfts an Amazon Global aktuell auf 11.04% (Vorjahr 14%).

Unter diesen Annahmen könnten sich die Umsätze, welche Amazon für das vergangene Jahr publizierte, wie folgt aufteilen. Vorausgesetzt, dass sich die Umsatzaufteilung 1:1 für Deutschland übernehmen liesse:

Amazon Umsatzzahlen im Splitting - Quelle: US SEC - Grafik: Carpathia AG
Amazon Umsatzzahlen im Splitting – Quelle: US SEC – Grafik: Carpathia AG

 

Durchschnittliche Provision von 10-15% in Deutschland

Die Provisionen der Marketplace-Teilnehmer liegen im Bereich von 7% bis 15%, in einigen Kategorien auch etwas höher wie Marketplace Analytics letztes Jahr publiziert hat. Electronics liegt am unteren Ende der Bandbreite, die Medien generell bei 15%. Und die Medien sind im Gegensatz zu den USA bei bei den internationalen Amazon-Märkten immer noch für rund 40% der Umsätze verantwortlich, Electronics und andere Sortimente für 60%.

Wir gehen daher bei der Berechnung der Provisionen nicht vom Mittelwert 11% aus sondern nehmen an, dass dieser aufgrund der Sortiments-Verteilung leicht tiefer ist und verwenden 10%.

Amazon.de könnte Waren im Wert von ca. EUR 21.5 Mrd verkauft haben

Unter der Annahme, dass obige Herleitung bzgl. Volumen an Market-Place Verkaufsprovisionen, dem Anteil von Deutschland am weltweiten Amazon-Geschäft wie auch die Höhe dieser Provisionen belastbar ist, ergeben sich nachfolgende Verkaufszahlen.

Demzufolge sind in Deutschland neben Waren aus dem eigenen Handelsgeschäft in der Höhe von USD 8.753 Mrd noch Umsätze via Marketplace Teilnehmer im Umfang von USD 14.717 Mrd. erzielt worden.

Dies entspricht einem Total von USD 23.47 Mrd. oder bei einem USD/EUR Wechselkurs per 31.12.2015 von 0.9168 einem Volumen von EUR 21.5 Milliarden.

Bei einem um die MwSt bereinigten Umsatz im deutschen E-Commerce von etwa EUR 43 Milliarden würde dies mehr oder weniger exakt jedem 2. Euro entsprechen , der im deutschen E-Commerce an Amazon geht.

Doch auch diese Euros verbleiben nicht alleine in Deutschland; denn wie neuhandeln gestern berichtete, ist nur knapp jeder zweite Händler auf dem deutschen Amazon-Marktplatz überhaupt aus Deutschland.

Amazon Verkaufszahlen inkl. Marketplace - Quelle: US SEC & eigene Berechnungen - Grafik: Carpathia AG
Amazon Verkaufszahlen inkl. Marketplace – Quelle: US SEC & eigene Berechnungen – Grafik: Carpathia AG

Was halten die Leser von dieser Herleitung und Berechnung? Ist sie plausibel oder sind da Überlegungsfehler enthalten? Freue mich auf Feedbacks in den Kommentaren.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

4 KOMMENTARE

  1. Letztlich können wir alle ja nur Zahlenakrobatik bei dieser Frage betreiben. Ich habe in einem ausführlichen Artikel dargelegt wie ich auf „nur“ 33% Amazon-Anteil in Deutschland für 2014 komme. Dürfte sich nach allem was wir wissen, auch in 2015 nicht groß verändert haben.

    Meine 33% decken sich interessanterweise in etwa mit dem ECC Handel (38%) und auch der aktuellen bevh-Erhebung für 2015. Die haben ja Zigtausend Konsumenten befragt, in welchen Shops sie zuletzt eingekauft haben. 37% nannten u.a. Amazon. Ist jetzt aber natürlich auch keine wirkliche Beweisführung für mein Ergebnis.

    Wen es interessiert, unten ist der Link zu meinem Artikel.

    BTW: Du nennst 7 – 15% übliche Verkaufsprovision. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass diese auf dem Bruttoumsatz zu zahlen sind. Umgerechnet auf den Nettoumsatz werden dann schon bis zu 17,85% draus. Übersehen viele Händler und auch andere. Es gibt übrigens auch Fälle bei denen man bis zu 250% Verkaufsprovision bezahlt. Unglaublich aber wahr. Unten auch ein Link zum Praxisbeispiel.

    Der ECC Handel, Kassenzone und andere gehen übrigens von ca. 15% durchschnittl. Verkaufsprovision aus. Dito zu mir.

    https://www.shopanbieter.de/news/archives/9742-einspruch-amazon-wird-schon-bald-100-marktanteil-in-deutschland-haben.html

    https://www.shopanbieter.de/news/archives/10033-verauf-ueber-amazon-kann-auch-mal-250-und-mehr-kosten.html

    • Danke Peter für Deinen Kommentar und den Hinweise auf Deine Herleitung. Ja, wir können wahrlich nur Zahlenakrobatik betreiben. Mein Berechnungsansatz orientiert sich an demjenigen von Marketplace Analytics und den auch Adrian Hotz verwendet.

      Selbstverständlich kann man über die Höhe der Verkaufsprovisionen diskutieren. Ich habe begründet, warum ich sie tiefer angesetzt habe. Doch letztendlich bleibt es eine Schätzung unter Bezugnahme auf vorhandene Informationen wie dem Geschäftsbericht.

      Alexander Graf von Kassenzone hat in seinem Forecast eine ganz andere Herangehensweise gewählt, kommt aber mit seinem Best Guest auch auf knapp 20 Mrd für 2015. Dann sind wir trotz unterschiedlicher Berechnungsgrundlage mit den Resultaten gar nicht mal soweit voneinander entfernt.

  2. 33 % hin, 50 % her – in den nächsten 2, 3 Jahren wird Amazon definitiv noch größere Marktanteile am deutschen Ecommerce-Umsatz haben vor allem dann, wenn es den Same-Day-Delivery Service gibt und vor allem einen der größten Märkte die aktuell in Angriff genommen werden: der Lebensmittelmarkt.
    Hier gibt es verhältnismäßig online noch sehr wenig Umsatz – bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Rewe & Co. – und genau dieses Potenzial hat auch Amazon schon längst im Visier und vorbereitet mit den Logistikzentren in mittlerweile mehr als 10 Standorten den nächsten Clou vor.

    Auch wir haben diesbezüglich einen interessanten Artikel – auch zu den Umsatzzahlen geschrieben: http://www.shopdoc.de/amazon-umsatz-steigt-und-steigt-und-steigt/

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