Verhaltene Notbremse bei Globus: Aus für Schild und Herren-Globus

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Bereits die zweite Konsoliderung in dieser Woche im schweizer Modehandel. Wie die Migros gestern bekannt gegeben hat, werden die Marken „Schild“ und „Herren Globus“ verschwinden und unter der heute bereits stärksten Marke „Globus“ weitergeführt.

Man will auf eine „One-Brand-Strategie und Digitale Transformation“ setzen. Nun ja, es macht sich immer gut und hört sich verdammt visionär an, wenn man das arg strapazierte Wort „Digitalisierung“ ins Feld führt (Digitalisierung! Eine Sau wird durch’s Dorf getrieben).

Blenden wir mal kurz zurück: Im Herbst 2013 kam es zum Schlusterschluss zwischen Globus und Schild und dem Ziel, fortan zur Nummer eins im mittleren bis gehoberenen Segment in Sachen Bekleidung werden zu wollen.

Globus hatte damals noch keinen Onlineshop, Schild hingegen war der erste Schweizer Modehändler, der einen Onlineshop betrieben hat. Und dieser Umstand wurde verschiedentlich beim Zusammengehen immer wieder betont und auch als Chance gesehen, auch gegen Zalando (vgl. Youtube Video).

Drehen wir die Uhr noch etwas zurück; im Oktober 2004 übernimmt Schild den Modehändler Spengler mit seinem Filialnetz und Versandhandel (Danke Patrick für Korrektur). Die aktuelle Entwicklung reiht sich also ein in eine Reihe von Übernahmen traditioneller Schweizer Modehäuser, deren Veräusserungen früher mangels familiärer Nachfolgeregelungen erfolgten, heute eher mangels (digitaler) Zukunftsperspektiven.

Der Grosse frisst die Kleinen im Schweizer Modehandel
Der Grosse frisst die Kleinen im Schweizer Modehandel

In den vergangenen Jahren wurde sehr viel „Wille“ geäussert, wie viel wirklich gemacht wurde, kann man im Markt nur ungenügend erkennen. Die Umsätze – sowohl online wie auch stationär – blieben hinter den Erwartungen.

Nun scheint die Migros die Notbremse zu ziehen, die den Unterschied zwischen Wollen und Machen offenbart oder um ein „altes Internet-Sprichwort“ in leichter Abwandlung zu bemühen:

[bctt tweet=“Auch im digitalen Wandel im Handel gilt: Machen ist wie Wollen, nur krasser!“ username=“carpathia_ch“]

Wurden Fehler gemacht?

Im Oktober 2013 nach der Übernahme von Schild machten wir uns Gedanken, wie die grundsätzlich starken Handelsmarken in der Schweiz sich strategisch aufstellen müssen (Globus/Schild; die richtige Onlinestrategie wird entscheiden):

Globus/Schild sind starke Mode-Handelsmarken in der Schweiz und sie haben Werte und Assets die es gilt,  in den digitalen Kanal zu transferieren. Ähnlich, wie es in Deutschland ein Breuninger macht.

Aber es braucht auf Management-Ebene auch das nötige Mindset, in diesen Kanal investierenzu wollen – und nicht notgedrungen zu müssen. Ein feiner aber entscheidender Unterschied für den Erfolg.

Hat man hier zu lange gewartet und zu wenig energisch durchgegriffen? Von aussen betrachtet ist dies schwer zu beurteilen. In den letzten 6-12 Monaten hat man auf Seiten Globus klare Signale ausgesendet, dass die Digitalisierung mit voller Kraft vorangetrieben werden muss.

Globus gab jedoch auch offen zu, dass man in Sachen Digitalisierung zu lange geschlafen hat. Das Zögern war sicher ein Fehler, den man nicht hätte begehen dürfen, wie wir 2013 weiter schrieben.

Globus/Schild dürfen sich nun keine Fehler erlauben und müssen eine ausgeprägte strategische E-Commerce DNA mit visionärer Cross-Channel Mechanik entwickeln, damit sie ihre Potentiale auch im Onlinekanal freisetzen können.

Nur damit wird es ihnen gelingen, online Marktanteile wettzumachen und die stationären überhaupt halten zu können.

Beides scheint ihnen nicht gelungen zu sein. Der Verdacht liegt nahe, dass man die Entwicklung zu langsam vorangetrieben hat oder anders gesagt, die Kundenerwartungen haben sich rasant schneller verändert.

Schätzung Umsätze Zalando Schweiz 201-2016 – Quelle: Carpathia AG

Und ebenso rasant hat die Online-Konkurrenz den Schweizer Markt (aus dem Ausland) bearbeitet und die Potentiale erbarmungslos abgeschöpft.

2013 – im Jahr der Übernahme von Schild durch Globus – hat Zalando „erst“ einen Umsatz von CHF 250 Mio in der Schweiz gemacht. Im vergangenen Jahr war es schon mehr als das Doppelte mit geschätzten CHF 534 Mio.

So betrachtet, haben Zalando, AboutYou, Amazon, Asos bis hin zu Wish u.a. bei Schild und Globus noch verhältnismässig wenig Umsatz abgezogen, rein als Onlinekonkurrenz betrachtet und ohne den stationären Auslandeinkauf zu berücksichtigen.

Das lässt nur in Ansätzen erahnen, wie es wohl Mitbewerbern ergangen ist, von denen zwischenzeitlich eine stattliche Anzahl verschwunden oder stark redimensioniert wurde (Bata, Bernies, Blackout, Charles Vögele, Companys, Jamarico, Jeans & Co, Pasito-Fricker etc. in alphabetischer Reihenfolge).

Genügen diese Massnahmen?

Das Konsolidieren der Marken Schild und Herren-Globus unter Globus ist sinnvoll und konsequent. Es vereinfacht vieles und wie Globus-CEO Herbert im Interview (vgl. unten) sagt, gibt es fortan nur noch einen Brand, eine Kundenkarte, eine App, einen Onlineshop etc.

Aus Sicht Markenführung und auch Betrieb und Innovation der digitalen Plattformen ist es konsequent. Weniger konsequent scheint es (noch) aus Sicht der Flächen. Es werden zwar Filialen-Schliessung und Flächenbereinigungen in Aussicht gestellt, aber diese hören sich noch alles andere als konsequent an.

Viele sind offensichtlich wie bspw. im Glattzenturm, wo alle 3 Marken mit eigenen Formaten vertreten sind oder auch an der Zürcher Bahnhofstrasse, wo die beiden Stammhäuser Globus und Schild nebeneinander liegen und Wirtschaftsjournalisten schon Manor als lachenden Dritten sehen.

Prof. Gerrit Heinemann betonte letztes Jahr mehr als einmal, die Digitale Transformation im Handel ist ein Sanierungsprojekt und muss auch mit ebenso solcher Konsequenz und Vehemenz angegangen werden.

In dieser Betrachtung scheint ein konsequenter und radikaler(er) Schnitt ökonomisch betrachtet unausweichlich, wie auch Marcel Speiser in seinem Kommentar deutlich zum Ausdruck bringt und nicht nur einen optischen, sondern einen „wirklich radikalen“ Schritt fordert:

So wird die Marke Schild verschwinden, doch die meisten physischen Schild-Standorte bleiben. Dies obwohl der Trend in Richtung E-Commerce unaufhaltsam ist. Zudem versuchen Zahnd und Herbert, einen Teil der Schild-Kundschaft bei Stange zu halten, indem sie das Globus-Angebot nach unten arrondieren.

In einer fundamental veränderten Detailhandelslandschaft sind solche Konzessionen auf Dauer wohl nicht zu halten.

Alleingang – einer für alles

Im ungewöhnlich offenen Video-Interview auf der Schild-Website nimmt Globus-CEO Thomas Herbert zu Fragen rund um die Veränderungen und Zusammenführung der Marken Stellung, auch wenn er noch nicht auf alle Fragen eine Antwort hat. Mit der Konsolidierung der Marken strebt Globus nun den Alleingang an.

Alleingang ist auch Thema der Panel-Diskussion „Fashion-Brands und Fachhandel: Alleingang oder Kooperation?“ wo wir zusammen mit Globus-CEO Thomas Herbert, Monika Wildi, ehem. Managing-Partner von FashionVestis (Fidelio und FashionVestis gehen an Investor) und Zalando-Mitarbeiter Nr. 3 Christoph Lange über Strategien, Potentiale und Gefahren in der Zusammenarbeit mit digitalen Plattformen diskutieren.

Thomas Herbert äusserte sich bereits im Streitgespräch mit der Handelszeitung (Stationärer Schweizer Modehandel in der Krise) im vergangenen Herbst kritisch zu einem Verkaufen über Plattformen wie Zalando. Christoph Lange verantwortet bei Zalando genau den Bereich Brand Solutions, der u.a. Marken und Retailer vernetzt. Monika Wildi kennt die Strategien und Online-Ambitionen der Marken. Die E-Commerce Connect Konferenz ist nahezu ausverkauft.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

5 KOMMENTARE

  1. Kleine Korrektur: Schild hat die Spengler Versandhandels/Onlineaktivitäten 2004 genau nicht übernommen, weil man nicht ans Format geglaubt hat. Man hätte dort auf einen Schlag fast 1 Mio versandaffine Kunden mit auf den Weg bekommen. Ja, das waren noch Katalogzeiten, aber die Spengler Online Umsätze haben seinerzeit schon gegen 5 Mio CHF betragen, es war damals eines der ersten Unternehmen das sich am Omnichannel versucht hat… Das wäre ja ein Anfang gewesen. Aber wie ich schon mehrmals gesagt habe: Man hat nicht dran geglaubt und man glaubt heute noch nicht richtig dran.

    Wenn ich lese, dass man in 10 Jahren von 20 % Online-Anteil ausgeht, dann ist das einfach nur fahrlässig. Gerade die Textilbranche wird die 20 % in 1 – 2 Jahren locker knacken und der Heimtextil / Accessoire Bereich ist wahrscheinlich auch bald weiter. Beauty, Deko, Wein/Spirituosen etc. wird ebenfalls online überproportional wachsen… alles Bereiche bei denen Globus in der Vergangenheit doch recht stark war! Da müsste man doch grade in der Migros Umgebung die Ziele einfach mal höher stecken.

    Ich hoffe, man geht radikaler als angekündigt dahinter, sonst steht man in 5 Jahren wieder am gleichen Ort.

    • 2004 mit 1 Mio Kunden und 5 Mio Umsatz als Schweizer Mode-Onlineversandhändler! Was für ein Vorsprung auf Zalando (startete erst 7 Jahre später in CH). Unglaublich, was für eine Position man hätte damit aufbauen können! Schild macht heute – 12 Jahre später – wohl nur unwesentlich mehr. Zalando zügelt über 1/2 Milliarde Umsatz ab.

      Dieses Nicht-Wollen oder -Können erinnert auch frappant an Tamedia und Ricardoshops. Marktplatz-Vorsprung vernichtet, fahrlässiger gehts nimmer.

  2. Lieber Thomas,
    zunächst Glückwunsch für diesen tollen Beitrag und Kompliment für die ungeschminkte Wahrheit!
    Ich möchte noch eins draufsetzen – so wie ich das auf der Detailhandelstagung letzten Mittwoch in Bocken auch gesagt hatte: Taten statt Worte = getätigte Investitionen in „Digitalisierung“ (ohne Reinrechnung von nicht digitalen Themen wie Logistik oder allgemeine IT/WWS)! Wenn Amazon letztes Jahr 7,2% vom Umsatz nur in digital Investings gesteckt hat, ist das der Mindestwert p.a. an Investitionen, um aufholen zu können. Schauen wir uns die tatsächlichen Investitionen der meisten Handelunternehmen in dieses Thema an, bewegen wir uns eher im Promillebereich gemessen am Umsatz. Wie will man damit den Krieg gewinnen? Durch Worte statt Taten?
    Wenn Hornbach mit gut 3,5 Mrd. Euro Umsatz innerhab von 4 Jahren 420 Mio. Euro in „nur Digitalisierung“ steckt, dann sollte man sagen: Das ist eine Entscheidung, da fängt „echter Kampfwille“ an.
    In diesem Sinne, beste Grüße
    Gerrit Heinemann

  3. Auch, wenn ich mich wiederhole: Es geht nur um den Mindset. Ausschliesslich um Denkweise und Mentalität. Das macht aus Verlierern Sieger. Und umgekehrt. Immer wieder neu.

  4. Sehr schöner Artikel Thomas!

    Warum Globus mit Mode (Herren Globus) gestartet hatte (welches ein sehr im Internet vergleichbares Sortiment hat mit Marken) und nicht mit dem Warenhaus, habe ich damals wie heute nicht verstanden.
    Verstehe nun auch nicht, warum sie nicht Schild zum Modehaus machen – offline wie online – und Globus als das edel offline & online Warenhaus positionieren.
    Wie du schön schreibst, kommt es ja jetzt nicht zum Schulterschluss oder Filialen werden (sofort) geschlossen – habe das Gefühl sie wollen Schild „ausklingen“ lassen und noch so lange wie möglich was dran verdienen – anstelle mutig konsequent eine neue Strategie umzusetzen.
    Schade, so werden sie zwar noch bisschen Umsatz machen und evt. sogar noch was verdienen – sich damit aber die Chance für ein „Neuanfang“ definitiv nehmen. Mutig aka modern sieht anders aus

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