Synchronschwimmen statt Rugby – Digitalisierung in der Krankenversicherung

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Das «Forum der Krankenversicherer» ist fester Bestandteil der Jahresagenda des Branchenverbandes santésuisse. Jeweils im Frühjahr treffen sich die Führungskräfte der Verbandsmitglieder für einen Expertenaustausch zu einem aktuellen Thema. Dieses Jahr im Fokus (nicht gänzlich überraschend): Digitalisierung für die Krankenversicherer – Chance oder Risiko?

Für eilige Leser, hier die Beantwortung der Frage in einem Wort: Beides!

Für alle anderen zitieren wir in diesem Blog Auszüge aus dem Bericht des Magazins infosantésuisse zum Impulsreferat von Gastreferent Patrick Comboeuf, Partner und Senior Consultant von Carpathia:

«Digital ist alles!» – die Feststellung von Comboeuf ist so einleuchtend wie folgenschwer: Bis zum Jahr 2020 wird sich die «DNA» der Konsumenten, also auch der Versicherten, fundamental verändern. Gemeint ist die Tatsache, dass in spätestens drei Jahren die Gruppe der traditionellen Konsumenten zusammen mit den sogenannt «digital Konvertierten» erstmals in der Minderheit sein werden. Sie werden ab 2020 – zumindest demographisch – in den Schatten gestellt von den «digital natives», derjenigen Generation, die eine Welt ohne Internet nicht kennen.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf der Kundenseite schlägt 2019 voll ein.

Was aber bedeutet diese Entwicklung für die Produkte, Dienstleistungen und Prozesse der Krankenversicherer? Welche Konsequenz hat das neue Credo «digital ist alles» für die Branche?

Vom Rugby zum Synchronschwimmen

Für Patrick Comboeuf ist klar, dass die Digitalisierung den Gesundheitsmarkt – er gehört erwiesenermassen zu den lukrativsten überhaupt – und damit einhergehend auch die Bedürfnisse der Versicherten in den kommenden Jahren radikal beeinflussen wird. Längst mischen Konzerne mit digitaler Kompetenz wie Apple oder Google im Geschäft mit der Gesundheit mit. Und längst investieren «branchenfremde» Unternehmen wie Nestlé, Migros oder Swisscom hohe Summen, um sich ein Stück vom profitablen Kuchen abzuschneiden. Sie alle haben eine gemeinsame Strategie: den konsequenten Fokus auf die Bedürfnisse ihrer Kunden unter Einbezug der digitalen Möglichkeiten. Und genau hier ortet Carpathia denn auch den grössten Handlungsbedarf für die Krankenversicherer. Comboeufs‘ Metapher: «Wir spielen nicht mehr Rugby, sondern müssen im Synchronschwimmen Spitzenklasse werden». Will heissen, die Muskeln spielen lassen und konsequent auf Bewährtes setzen, war gestern. Heute gefragt ist agiles, exzellent orchestriertes Handeln auf allen Ebenen, neue digitale Dienstleistungen inbegriffen. Denn die Digitale Generation hat immer weniger Verständnis für Büroöffnungszeiten oder Warteschlaufen am Telefon. Und keine Lust, Briefmarken zu kaufen, um dem Versicherer die Leistungsabrechnung einzuschicken.

Lernende Organisation ist mehr als Risikomanagement

Patrick Comboeuf ist überzeugt, dass sich die Anstrengungen der Krankenversicherer nicht allein auf die konsequente Digitalisierung der administrativen Prozesse wie Leistungsabrechnungen, Franchiseabfragen oder Adress- mutationen beschränken dürfen, um für ihre «digital natives» auch in Zukunft Partner auf Augenhöhe zu sein. Genauso wenig wie Schrittzähler-Apps oder günstig abgegebene Fitnessarmbänder dem digitalen Zeitalter abschliessend Rechnung tragen. Die Versicherer müssen sich vielmehr die Frage stellen, wie sie mit neuen Produkten und Dienstleistungen, beispielsweise in den Bereichen Pflege, Ernährung, Prävention, Beratung, Coaching oder Notfallhilfe, neue, wertschöpfende Geschäftsfelder erschliessen können.

Denken und Handeln in kundenrelevanten Ecosystemen

Denken und Handeln in kundenrelevanten Ecosystemen stellt an die Versicherungen zum Teil völlig neue Anforderungen, die weit über das heutige Kerngeschäft des Risikomanagements hinausgehen.

Ecosysteme brauchen eine Outside-In Sicht

Pointiert hält Comboeuf den Anwesenden den Spiegel vor: «Es geht nicht darum, durch die IT eine möglichst umtriebige Digitalstrategie zu entwerfen, sondern die übergeordnete Geschäftsstrategie intelligent und bewusst mit kundenrelevanten Digitalelementen zu verzahnen».

Dies bedingt die Transformation hin zu einer lernenden Organisation und damit einhergehend vor allem einen Wandel der Kultur. Comboeufs Stichworte dazu: Vertrauen statt Hierarchie, Diversität statt (männliche) Fachperson-Monokultur, Dialog und Geschichten statt Einwegkommunikation. Und das wiederum bedingt Mut zur Veränderung in den Chefetagen. Und Mut, neue Wege zu gehen.

Augenzwinkernd schliesst Comboeuf sein Impulsreferat mit „Wer als Führungskraft Veränderung‘ nicht mag, soll erst prüfen, wie weit die Alternative ‚Bedeutungslosigkeit‘ trägt. Es gibt viele Wege vorwärts zu kommen. Aber nur einen stehen zu bleiben. Der letztere ist aber mit der teuerste.“



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