E-Commerce-Report 2018 – Thema Logistik: Wenn die Grenze nicht mehr schützt (Teil 2)

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Dies ist der zweite Beitrag zum letzte Woche veröffentlichten E-Commerce-Report Schweiz 2018. Hier geht es zum ersten Teil.

Der diesjährige E-Commerce-Report widmete dem Thema Logistik als Wettbewerbsvorteil ein ganzes Kapitel. Im Fokus stand dabei vor allem die Frage nach dem möglichen Vorteil Schweizer Händler gegenüber den ausländischen Mitbewerbern. Für diese stellen die Grenzen in die Schweiz nämlich zunehmends kein Hindernis mehr dar, bzw. scheinen,wie im Falle von Zalando, inexistent zu sein.

Stimmungstief beim Thema Logistik

Um es vorweg zu nehmen: Die Stimmung der 35 im Report befragten Geschäftsführer oder E-Commerce-Verantwortlichen gegenüber dem Thema Logistik ist in diesem Jahr gedrückt. Verschiedene Tatsachen haben zu diesem Stimmungsabschwung geführt, die in diesem Beitrag behandelt werden.

Unter anderem hat es – welch ein Wunder – mit Amazon zu tun. Die Ankündigung im November letzten Jahres, dass Amazon in die Schweiz kommt, trübte die Gemüter. Dann wurde sofort die Frage nach der Rolle der Schweizerischen Post in diesem Szenario laut: Ist die Post eine Verräterin, weil sie zur Mittäterin bei der Amazonisierung der Schweiz wird?

Post in Zielkonflikt

Die Post steckt indes in einem Zielkonflikt. Die Dienstleistung für grosse ausländische Händler wie Amazon bedeutet für sie eine gute Auslastung, was rein betriebswirtschaftlich gesehen zu begrüssen ist. Ihr anderes Ziel ist es aber auch, ihre Infrastruktur und Services der Schweizer Wirtschaft zu wettbewerbsfähigen Bedingungen anzubieten.

Einige Studienteilnehmer zweifeln daran, dass die Post gerade diesen letztgenannten Auftrag wahrnehmen kann, zumal die Grossen gegenüber der Post mehr Verhandlungsmacht haben als die kleineren Schweizer.

Kommt erschwerend hinzu, dass die Konkurrenz bei den Paketdienstleistern schwach bleibt. Folgendes wird kritisiert: Die Post geniesst im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern Privilegien und beansprucht ihre Infrastruktur, wie z. B. den Zugang zum Poststellennetz oder die Paket-Abholanlagen für sich allein, was den Wettbewerb künstlich eindämmt.

Aber auch die Verschiebung der Einführung der Versandhandelsregelung im revidierten Mehrwertsteuergesetz um ein Jahr auf den 1.1.2019 sowie die Subventionierung von Sendungen aus China (das Land wird vom Weltpostverein als Entwicklungsland eingestuft), stimmt die Anbieter pessimistisch.

Die Landesgrenze schützt nicht mehr

Alles halb so wild, weil die Verzollung den meisten ausländischen Händlern dann doch zu mühsam ist? Jein.

Auf der einen Seite sind hohe initiale Investitionen nötig, um einen Verzollungsprozess zu etablieren, sodass der Kunde nicht mit negativen Überraschungen konfrontiert wird(wie z. B. nachzuentrichtender Mehrwertsteuer, Zoll und Gebühren). Was es dazu braucht, darauf wird im Report sehr genau eingegangen: Es werden sowohl der Verzollungsprozess (S. 24 bis 26) als auch der Retourenprozess (S. 26) sehr detailliert beschrieben.

Ist dieser Prozess auf der anderen Seite aber erstmal etabliert, profitiert der Versender von hohen positiven Skaleneffekten, weil bei grossen Mengen die Prozesskosten pro verzolltem Artikel klein sind. Der Verzollungsprozess ist zudem enorm automatisiert. Er bedeutet somit für ausländische Versender keine Barriere mehr.

Ausländische Anbieter haben gemerkt, dass es super einfach ist, in die Schweiz zu liefern. Die Grenze ist keine Barriere mehr. (Allen Krief, DeinDeal)

Schweizer bezüglich Intralogistik im Vorteil

Wo können dann aber die Schweizer noch potenzielle Wettbewerbsvorteile haben? Um diese Frage zu beantworten werden die drei Logistik-Bereiche Beschaffungslogistik, Intralogistik und Zustelllogistik im Report einzeln untersucht.

In punkto Beschaffungslogistik können gemäss Report, sowohl was die Logistik-Kosten als auch der Angebotsumfang angeht, die rein nationalen Anbieter mit den Grossen ausländischen kaum mithalten. Dies, weil sie in einem weitaus kleineren Markt und somit mit kleineren Mengen agieren als die Mitbewerber.

Bezüglich Intralogistik können Schweizer Händler hingegen im Vorteil sein, wenn sie Lager in der Schweiz haben. Wenn sie diese im Griff haben, können auch Next Day Deliveries gemacht werden und einige können gar mit einer Bestellschlusszeit um 17 Uhr bereits am nächsten Tag liefern, wie es z. B. Brack.ch macht.

Was die Zustelllogistik angeht, ist es wie bereits erwähnt wieder schwieriger, sich zu differenzieren: Wenn alle mit der Post arbeiten, besteht kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Hier kann ein Schweizer Händler eigentlich nur dann einen Vorteil haben, wenn er es selber macht, wie zum Beispiel coop@home.

Wenn alle Versender mit dem gleichen Logistikdienstleister arbeiten, wird die Leistung völlig nivelliert. Wer sich hervorheben will, muss es selbst machen (Philippe Huwyler, coop@home)

Exkurs: Geschwindigkeit wird wieder wichtiger

Während in den letzten Jahren beim Thema Lieferung der Fokus mehr auf Präzision und Vielfalt lag, sei es dieses Jahr wieder die Geschwindigkeit. Wer hier schneller ist als ein ausländischer Mitbewerber, wird vom Kunde eher bevorzugt. Die Schweizer Anbieter wollen Next Day Delivery zum Standard machen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Zustellung wird auch die Pick-up-Lösung diskutiert, die gerade bei den Grossverteilern stark anbietergetrieben sind und von denen nicht ganz klar sei, ob sie den Kunden effektiv einen enormen Nutzen bietet. Auch der Einbezug von stationären Geschäften für die Lieferung ist bei den Schweizer Anbietern ein Thema und „scheint in den Köpfen zu gären“. Hierfür gelten Zalando oder aber die PCP.com-Gruppe mit dem STEG-Express als Vorbilder.

Keine Wettbewerbsvorteile für Schweizer Händler?

Alle diese diskutierten Tatsachen zusammen betrachtet, überrascht es dann auch nicht, dass mehr als zwei Drittel der Befragten keine Hoffnung haben, mit der Logistik noch einen Wettbewerbsvorteil erlangen zu können.

Dafür müssten sie die Zustellung wohl selber in die Hand nehmen, was enorme Investitionen bedeuten würde. Oder aber es müssten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Solche seien aber momentan nicht in Sicht.

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