Rückblick: Die E-Commerce Trends 2010

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Zu Beginn des sich nun zu Ende neigenden Jahres haben wir für uns die E-Commerce Trends 2010 definiert.

Hier ein kurzer Rückblick; was hat sich bewährt, was ist eingetreten und wo lagen wir so ziemlich daneben:

  1. Click & Collect / Multi-Channelling
    Wir nennen es zwischenzeitlich „Multichannel Fulfilment“ um einer Verwechslung mit dem Multichannel-Marketing vorzubeugen. Vor allem bei den traditionellen Händlern, die noch über ein Verkausnetz verfügen, stand und steht die kanalübergreifende Bedienung immer noch weit oben auf der Agenda. 2010 konnte man beobachten, wie reine Onlinehändler sich auch im stationären Handel versuchten, stationäre Händler 2010 den Onlinevertrieb lancierten und wer schon in beiden Kanälen präsent war, sich auch den mobilen Kanal erschloss. Dieser Trend der ganzheitlichen Betrachtung und Pflege der Kundenbeziehung wird sich auch im neuen Jahr fortsetzen.
  2. Shop-Optimierungen; Conversion-Rate, Usability und Neuromarketing
    2010 war hoffentlich das Jahr in dem das Bewusstsein geschärft wurde, dass Shop-Optimierung kein Projekt ist, sondern ein ständiger Prozess. Das Definieren, Erheben, Analysieren und Massnahmen ableiten von KPIs in der gesamten Onlinevertriebs-Wertschöpfung ist eine zentrale Aufgabe jedes E-Commerce Managers. Aber nicht nur das; wer sich rein auf diese Kennzahlen konzentriert,wird neue Trends verpassen und Mehrwerte nicht beachten, die sich a-priori (noch) nicht rein über KPIs messen lassen („kill the KPIs„).
  3. Augmented Reality und Location Based Services
    Einige lustige und spannende Ansätze im Bereich von Augmented Reality haben wir 2010 gesehen. Wir sind aber noch nicht über den Status der Spielerei hinausgekommen. Es scheint, als liesse sich diese – immer noch für viele – verblüffende Technologie erst sehr eingeschränkt kommerziell nutzen. Versuche unternommen haben beispielsweise die iApp von Atelier Pfister, die das Platzieren von Designermöbeln im eigenen Wohnraum ermöglicht. Auch die iPhone-Anwendung von SI-Style mit dem Shop-Finder ist vielversprechend.
  4. Shop-Suche: Suchen, Filtern, Finden, Kaufen
    Die Relevanz einer ausgeprägten und guten Shop-Suche haben die meisten E-Commerce Plattformen erkannt und teilweise auch schon umgesetzt. Funktionen wie Type-Ahead, Fehlertoleranz wie auch Facetten- und Filtersuchen sind bei den meisten Betreibern angekommen. Von den wirklich spannenden Disziplinen wie Guided-Navigation gab es auch im vergangenen Jahr ein paar gute Schweizer Beispiele wie Interhome, Alpha oder den Denner Wineshop. Bereits warten aber neue Herausforderungen auf die Shopbetreiber, denn Google erhöht mit neuen Features wie Instant, Preview oder auch die visuellen Suchen (z.B. boutiques.com) ständig die Benutzererwartung.
  5. Quo Vadis Social Commerce
    Das haben wir uns zu Beginn des 2010 auch gefragt. Wir sind der Meinung, dass Social Commerce kein Megatrend ist, sondern zu unserem ursprünglichsten Verhalten gehört. Die Herausforderung liegt darin, dieses Verhalten auf die neuen Medien- und vor allem Absatzkanäle transformieren zu können. Und das bleibt auch 2011 eine spannende Herausforderung, insbesondere im Zusammenhang mit dem nächsten Trend.
  6. Social Graph und Social Network Integrationen
    Allen voran Facebook aber auch Twitter haben einen regelrechten Siegeszug im nun zu Ende gehenden Jahr hingelegt. Im April lancierte Zuckerberg den Facebook „I Like“ Button, der sich in Windeseile nebst Newssites v.a. auch in Shopping-Sites etablierte. Fortan wurden Artikel geliked, Sortimente in die Facebook-Timeline übernommen und in den Social-Media Kanälen weiter diskutiert. Klicke ich „I Like“ bei einem Shopartikel, sehen das meine Freunde. Und wenn von denen auch nur wenige Prozente diesen auch mögen, verzeichnen die E-Commerce Plattformen einen unglaublichen Skalierungseffekt in der Verbreitung Ihrer Artikel in den Social Graphen – dem persönlichen Beziehungsnetz jedes einzelnen potentiellen Kunden. Der Jeans-Hersteller Levis war einer der ersten, der das Potential erkannte, und sich diese neue Funktion zu nutze machte. Weitere folgten. Fast jeder Player präsentiert seit diesem Jahr seine Produkte auch auf Facebook. Die meisten kommunizieren Sonderangebote und Schnäppchen. Andere wie der Schweizer Kontaktlinsen Spezialist Linsenmax verkauft bereits erfolgreich vollintegriert in Facebook.
  7. Videos: Präsentationen, Demonstrationen und Shoppingerlebnisse
    Dieser Trend hat sich noch nicht in dem erwarteten Masse durchgesetzt. Es gibt den einen oder anderen Shop, der mit Videos experimentiert, wie beispielsweise Weltbild Schweiz oder auch Brack, der auf Unboxing-Videos setzt. Bei den Schweizer Playern ist aber bei keinem eine echte Videostrategie zu erkennen noch hat man sich an Video-Verkaufskonzepte gewagt. Das Potential ist nach wie vor hoch, aber auch der Respekt vor den Produktionskosten.
  8. E-Commerce Currencies
    Eines der spannenden Themen auch im Jahr nach der Finanzkrise bleiben die Währungen.Facebook experimentierte bereits länger mit seiner eigenen Währung „Facebook Credits“, die bis anhin nur im Gaming-Bereich eingesetzt wird. Bereits sind die Facebook-Credits bei US-Grossverteilern in Form von Geschenkkarten physisch und stationär käuflich. Und obwohl es weiterhin von Facebook selber dementiert wird,  gehen wir davon aus, dass diese Credits früher oder später auch für den Handel von Gütern genutzt werden können. Nicht zuletzt auch, weil kürzlich Facebook verlauten liess, nun auch intensiver auf den E-Commerce setzen zu wollen und entsprechende Kampagnen für die Credits bereits früher lancierte.
  9. Groupon – Gutscheine von und für die Community
    Man ist fast geneigt zu sagen, dass 2010 als Jahr des Grouponfiebers in die Geschichte eingehen wird. Gropon entpuppte sich als das am schnellsten wachsende Unternehmen überhaupt. Unzählige Klone buhlten um die Gunst der Käufer und deren Sales-Mitarbeiter klapperten die KMUs massenweise ab auf der Suche nach dem nächsten Deal. In der Schweiz sind mittlerweile drei Plattfomen aktiv: DeinDeal startete im März, wenig später folgte CityDeal das kurz darauf von Groupon selber übernommen wurde. Und seit einigen Wochen ist auch ein Schweizer Ableger von DailyDeal aktiv. Das Groupon-Fieber gipfelte darin, dass deren Gründer vor einigen Tagen gar ein Übernahmeangebot von Google über astronomische USD 6 Mrd. ausschlugen. Groupon dürfte sich aber mittelfristig zu Tode laufen, so dass dringend neue Verkaufskonzepte gefragt sind. Gut möglich, dass sich Groupon auch hierzulande zur Händlerplattform mausert für die KMU-Anbieter. In den USA laufen bereits einige Tests.
  10. Mobile Commerce and beyond – third, fourth and fifth Screen
    Der letzte prognostizierte Trend hat dann auch so richtig eingeschlagen. Zum einen ist – im Gegensatz zu Deutschland – der Mobile Commerce in der Schweiz stark im Aufwind aufgrund anderer Rahmenbedingungen (Smartphone Dichte, Flatrate-Angebote, Anzahl Telcos, die das iPhone 3 vertreiben konnten u.a.m.). Bereits sind zahlreiche Shopping-Apps verfügbar, einige davon auch mit dem erklärten Ziel, über den mobilen Kanal auch Frequenz in den stationären Handel zu bringen. M-Commerce verzeichnet denn auch den grössten Zuwachs an Neukunden im Kanalvergleich. Noch mehr Möglichkeiten für den Distanzhandel bieten die Tablet-PCs. Das iPad hat hier an Ostern 2010 für einen regelrechten Boom gesorgt und wird den E-Commerce verändern, oder zumindest bereichern und erweitern. Tablets können neue Käuferschichten erschliessen und ermöglichen die Produkt- und Sortimentspräsentation in neuen Situationen; nicht im Arbeitszimmer am Desktop sondern gemeinsam im Wohnzimmer auf dem Sofa. Man darf behaupten, das iPad wird den E-Commerce partiell revolutionieren, wenn es weiterhin so spannende Shopping-Apps wie diejenige von Net-a-Porter zu Tage fördert.

Ab Montag 3. Januar 2011 publizieren wir in diesem Blog die Carpathia E-Commerce Trends 2011 – bis dahin wünschen wir allen Lesern einen Guten Rutsch und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr – „es herzlichs guets Nois„.

Vorankündigung: Mobile- und E-Commerce Konferenz am 15. März 2011



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

8 KOMMENTARE

  1. Viele Trends versanden sehr schnell, wie man heute gesehen hat mit der Absetzung des CEO’s von Groupon, wurde aus der Internetblase nichts gelernt. Obwohl keine Gewinne erwirtschaftet wurden, wurde das Portal an der Börse hochgejubelt. Heute kann der Anleger ein Fazit ziehen, es war sicher eine Fehlinvestion bei welcher vorallem die Anleger Geld verloren haben. Es ist Schade, dass die Menschen von den Fehlern nie lernen und immer wieder die gleichen Fehler machen. Aber so ist es auch lebenswert oder ?;)

  2. Der Trend von Schnäppchenportalen ist definitiv vorbei und dies ist auch gut so! Meistens sinds ja keine Schnäppchen, der Originalpreis wird künstlich nach oben getrieben und so hat man einen „fetten“ Rabatt… Nur die dummen fallen hier herein.

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