Aus der Serie: Carpathia E-Commerce Trends 2011
Es wäre vermessen zu behaupten, dass die Social Media Kanäle ähnliche Umwälzungen* im E-Commerce bringen als gerade auf politischer und v.a. demokratischer Ebene in Nordafrika. Ich bemühe den in der Tat abstrusen Vergleich nur um zu zeigen, wie verankert, verbreitet und akzeptiert diese Kanäle in der Bevölkerung sind. Aber auch wie kritisch und wie behutsam man damit umgehen muss. Gerade auch in unseren Breitengraden. Der Austausch zwischen den Benutzern, die Koordination und die Kommunikation verlagert sich auf diese sozialen Plattformen – ja es ist geradezu „normal“, sich darüber auszutauschen.
Und dieser Austausch wird auch den E-Commerce betreffen. Die potentiellen Käufer sind dort, die Interaktionen und die Vernetzung akzeptiert und etabliert. Kaufentscheide, Shopevaluationen und Produktbewertungen werden vermehrt im sozialen Umfeld stattfinden. Sie werden sich von den eigentlichen Shopplattformen entfernen. Shopbetreiber tun gut daran, sich daran zu orientieren und ihre Angebotskompetenz auch dort anzubieten, wo der Markt ist – wo das Gespräch ist.
Oder zumindest, dort Hilfestellungen anzubieten für den Kaufentscheid und die Vernetzung der Käufer zu fördern. Das heisst jedoch nicht, jede E-Commerce Plattform eröffnet einfach morgen sein Facebook-Outlet, das wäre zu kurz gegriffen. Darauf haben die Käufer nicht direkt gewartet, das führt zur befürchteten Banalisierung.
Vielmehr gilt es, die Macht den Käufern zu überlassen und ihnen Unterstützung zu bieten. Unterstützung, über Produkte zu diskutieren, Sortimente mitzubestimmen, Käufergruppierungen zu formen und vieles mehr. Die User sind nicht mit Artikeln zu bombardieren, sondern mit Ideen, mit Emotionen, mit Sehnsüchten (frei nach Antoine de Saint-Exupery).
So kann Social Media zum Transaktions-Initiator werden und nicht zur primären Transaktions-Maschine. Oder zur Konsolidierungs-Plattform wo man sich über gekaufte Artikel austauscht, diese bewertet und auch weiterempfiehlt. Hollr und Blippy sind hier zwei Ansätze, die in eine solche Richtung gehen.
Dass nun Facebook den E-Commerce fördern will, ist aus deren unternehmerischer Sicht natürlich nur nachzuvollziehen. Nicht zuletzt wegen ihrer eigenen Währung. Und dass einige bereits direkt auf Facebook verkaufen, dafür bringt man auch Verständnis auf. Aber es würde dem Grundgedanken der Social Media Plattformen widersprechen, dass dort eine komplette Kommerzialisierung stattfinden würde. So schnell wie alle Shops da wären, so schnell wären die Anwender weg. Schafft es ein Anbieter jedoch, nicht direkt zu verkaufen oder lediglich mit dedizierte Aktionen mit plattform-spezifischen Mehrwerten, so dürfte ihm ein viel grösserer Erfolg beschieden sein.
Fazit: Auf Facebook verkaufen heisst nicht, sein Sortiment in die Social-Media Kanäle zu kippen, sondern kompetent und geschickt mit den Usern zu interagieren, seine Sortiments-Kompetenz zu stärken und durch die Schaffung von Mehrwerten die Umsätze plattformübergreifend zu generieren.
*) Man darf sich den etwas weit hergeholten Vergleich ggf. dennoch erlauben, dass via Social Media Kanäle sich auch die Käufer demokratisieren und sich von den herkömmlichen Modellen verabschieden. Den Modellen, bei denen das Sortiment „von oben diktiert“ wurde. Den Modellen, wie man sie vom herkömmlichen Versandhandel kennt. Den Modellen, die für einen Verkäufer-Markt stehen und die Käufer wenig bis gar nicht involvieren oder gar ignorieren. Wie wurde das kürzlich an einer Versanstaltung genannt? Genau, die „Buy or fuck-off“ Shops. Halt doch etwas wie im „alten Ägypten“?
Anmerkung: Es läge mir fern, die aktuellen und dramatischen Ereignisse in Libyen, Jemen, Bahrain und anderswo sowie die damit zusammenhängenden menschlichen Tragödien zu verharmlosen. Wir verfolgen dies mit grosser Betroffenheit. Obige Hypothese stellt eine Trend-Beschreibung dar, die oft unterschätzte Macht der Social Media Kanäle und deren Einfluss auch auf den Onlinevertrieb. Es geht um den Kern der Sache, wie Social Media mobilisieren kann.
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