Mit Detailhandels-Zertifikaten gegen den starken Schweizer Franken?

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Für einmal ein etwas anderes Topic; seit Wochen trage ich eine Idee mit mir rum. Seit die Wogen über den historisch starken Schweizer Franken hoch gehen. Heute wieder in der Sonntags-Presse. Unsere Detailhändler überbieten sich, wie viele Preise sie drücken konnten – lauter Robin Hoods in der Teppichetage. Und Zehntausende von Franken in grossflächige Printinserate. Sind wir mal ehrlich. Wie viel nützt es jedem einzelnen Bürger, ob er nun seine Uncle Ben’s Packung 1-2 Franken billiger kriegt?

Im durchschnittlichen Warenkorb eines jeden Schweizers finden sich wohl viele Frischprodukte aus hiesiger Produktion. Und diese Preise sinken nicht.

Wie immer gibt es Gewinner und Verlierer. Gewinner sicher jeder Konsument, der sich das eine oder andere etwas günstiger erwerben kann bei notabene gleichbleibend hohem Lohnniveau. Auf der anderen Seite gestaltet sich die Situation der Export-Wirtschaft und des Tourismus’ prekär. Die Schweiz und deren Produkte werden im Ausland unerschwinglich. Der wirtschaftliche Schaden heute wohl kaum zu beziffern.

Und wohl genau dieser Schaden wird den kurzfristige Gewinn auf ein paar Markenartikeln eines jeden einzelnen mittelfristig bei weitem überwiegen. Nun verspricht die Politik Milliarden den gebeutelten Wirtschaftskreisen. Wäre es da nicht an der Zeit, etwas offener darüber nachzudenken, wie sich Gewinner und Verlierer direkt gegenseitig helfen?

Was wäre, wenn man statt die Währungsgewinne, die zweifelsohne in der Summe immens sind, auf die einzelnen Einkäufe runtergebrochen jedoch verkraftbar, umverteilt und diejenigen Branchen unterstützt, die darunter leiden. Es braucht dazu wohl auch keinen riesigen Administrationsaufwand.

Nehmen wir uns das Beispiel der CO2-Zertifkate. Das funktioniert wunderbar und bietet auch jungen Firmen wie myclimate.org und anderen mit frischen Ideen Chancen. Wer zu viel hat, gibt denen, die weniger haben und demonstriert seinen Goodwill mit einem Zertifikat. Oder andersrum, je nach Anwendungsbereich.

Und ehrlich gesagt würde es sich gut anfühlen, wenn ich das nächste Mal Coop, Denner, Migros & Co betrete und dort weiterhin den gewohnten Normalpreis bezahle, aber über ein sichtbares Zertifikat die Gewissheit habe, dass die Währungsgewinne einer leidenden Branche zu Gute kommen und nicht irgendwelchen Profiteuren. Fair-Trade, Bio und andere Siegel sind bei den Konsumenten akzeptiert.

Möglicherweise eine noch nicht ausgereifte Idee, die Wirtschaft nicht vollends abzuwürgen, die unseren Wohlstand und unser Lohniveau ermöglicht. Eben auch ermöglicht, weiterhin die etwas zu hohen Preise zu bezahlen.

Eine Art von Crowdsourcing / -funding; Hunderttausende Konsumenten geben die möglichen Einsparungen von ein paar Franken auf dem Wocheneinkauf weiter. Sagen wir, 4 Mio. Schweizer Wocheneinkäufer sparen nicht CHF 20.-, ergibt CHF 80 Mio. pro Woche. Die bundesrätlichen CHF 2 Mrd. wären damit bis Ende Jahr auch erreicht.

Oder doch nur naive Sozial-Romantik? Oder ein ordnungspolitisches No-Go? Okay, aber Ausnahmesituationen erfordern manchmal auch aussergewöhnliche Massnahmen. Auf Feedback und Diskussionen freue ich mich.

Disclaimer: Diese Meinung widerspiegelt die persönlichen Gedanken des Autors – ein Beitrag, wie man sich mit 2.0 Konzepten auch der Thematik nähern könnte.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

3 KOMMENTARE

  1. Im Grundgedanken eine Subvention, oder? Die Entscheidung eine bestimme Branche zu subventionieren, ist schwer genug (ich sage unmöglich fair) — verknüpft mit der Entscheidung einer anderen etwas „wegzunehmen“ wird’s sehr undurchsichtig. Oder anders gesagt: die Lobbies würden gewinnen.

    Mehr dazu in der Brand Eins zum Thema: http://www.brandeins.de/archiv/magazin/foerdern.html

  2. Im Grundgedanken eben gerade keine Subvention sondern eine intelligente, kommunikativ incentivierte (Zertifikate) Umverteilung.

    Die vom Bundesrat gesprochenen 2 Mrd. sind vielmehr eine Subvention, und das behagt mir eben auch nicht wie Dir. Denn dort werden sicher die Lobbies gewinnen.

    Mein Gedanken geht vielmehr dahin, dass der Markt rsp. die Communities spielen und die Lobbies (hoffentlich) aussen vor bleiben.

  3. Aus meiner Sicht tatsächlich Sozial-Romantik. Die Unterscheidung zwischen Subvention und intelligenter, kommunikativ incentivierter Umverteilung leuchtet mir nicht ein. Jeder Subventionsempfänger wird behaupten, dass es sich bei seinen Bezügen um diese „intelligente“ Art der Umverteilung handelt – die Wahrheit sieht i.d.R. anders aus. Abgesehen davon, dass ein solch sozialistisch und planwirtschaftlich angehauchter Solidarpakt in der Schweiz ganz und gar unvorstellbar ist, hielte ich das Ganze auch für einen massiven Eingriff in eine funktionierende und nach wie vor wachsende Marktwirtschaft.

    Zuletzt noch zum Thema „Ersparnis beim Einkauf“: es ist ein Faktum, dass den Schweizer Detailhändlern im grenznahen Gebiet derzeit die Kunden weglaufen. Dies inbesondere deswegen, weil sich eben auch schon bei kleinen Warenkörben mit Produkten des täglichen Bedarfs (Zahnpasta, Duschbad etc.) bis zu 50% des Preises einsparen lassen, in dem die Kunden 10 oder 20 km weiterfahren. Bewegung bei den Preisen dieser Produkte tut somit zwingend not, um dem Einkaufstourismus Einhalt zu gebieten.

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