Das Potential von Facebook für direkte Umsätze wird überschätzt

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Facebook-Nutzer und Unternehmen sehen das Netzwerk als einen Shoppingkanal der Zukunft an

so der Lead der Meldung für eine gestern im Handelsjournal zitierten Studie der Werbeagentur BBDO zu F-Commerce.

Laut der Erhebung können sich mehr als die Hälfte (55%) der Befragten vorstellen, über Facebook einzukaufen. Noch optimistischer ist das Resultat einer ähnlichen Befragung von Afterbuy, die ebenfalls gestern im selben Zusammenhang von der Internet World zitiert wurde.

Erwartet Unternehmen nun das grosse E-Commerce Bonanza auf Facebook?

Dem muss man klar widersprechen. Facebook ist zweifelsohne das soziale Netzwerk Nummer 1 und damit ist es auch für Händler höchst interessant, weil ein Grossteil derer potentiellen Käufer sich darauf tummeln.

Die Facebook Plattform eignet sich denn auch hervorragend für

  • den Dialog mit den Kunden
  • den Dialog zwischen den Kunden zu aktuellen Themen
  • das Involvieren der Zielgruppe mit den eigenen Leistungen u.ä.
  • das Teasern von Angeboten
  • das Schaffen von Mehrwerten rund um den Verkauf und den Aftersales – bspw. Filialfinder, Auswahlhilfen, Hilfestellungen usw.
  • das Lancieren von Gewinnspielen, Newsletter-Abos uva

und verkaufen?

Ja, es gibt Produkte, die sich ideal verkaufen lassen. Vornehmlich Produkte, die einen engen Bezug wie auch die Involvierung des sozialen Umfeldes haben. So erstaunt es nicht, dass gem. der BBDO Studie sich viele Nutzer vorstellen können, Eintrittskarten, Tickets u.ä. über Facebook zu kaufen.

Auch Produkte von Anbietern, zu denen eine hohe emotionale Verbindung besteht haben grosses Potential. Beispielsweise Merchandising-Produkte des favorisierten Sportvereins oder von Künstlern – dort wo ein Facebook-Fan ein wahrer Fan ist.

Bei Anbietern ohne derart hohe emotionale Bindung steht der Kommerz im Vordergrund und dort ist geschickteres Agieren empfohlen. Nichts spricht aber dagegen, bei Teilsortimenten mit Aktualitätsbezug wie Aktionen, Sonderserien, limitierten Angeboten etc. den Kauf über Facebook zu initiieren oder gar vorzubereiten.

Ein komplettes Shop-Sortiment mit einigen Zehntausend oder gar Millionen von Artikeln komplett innerhalb von Facebook anzubieten und die Transaktionen abzuwickeln, das sehe ich (noch) nicht. Zu eng ist das Korsett dass die Plattform bietet und zu gross ist die Ablenkung im Kaufprozess. Auch wenn Facebook letzten Dezember verlauten liess, alle User zu Onlineshoppern machen zu wollen.

Facebook ist aber für jeden Händler eine enorm ernst zu nehmende Plattform. Und wenn er nicht direkt via Facebook verkauft, dann ist der Social-Graph des Kunden unbedingt im eigenen Shop-System zu nutzen.

Im eigenen Shop soll der Kunde die Möglicheit haben,

  • sich mit seinen Freunden über Produkte auszutauschen
  • sich (optional) mit seinem Facebook Login zu registrieren
  • Empfehlungen aufgrund seiner Präferenzen durch Anzapfen des Social Graphen zu erhalten
  • geplante oder getätigte Käufe über Facebook zu kommunizieren
  • Spezialsortimente angeboten zu bekommen, die einen Bezug zu seinem sozialen Umfeld haben

Facebook wird für direkte Umsätze überschätzt, wenn es auch erfolgreiche NischenBeispiele gibt.

Aber der Wert als Touchpoint für den eigenen Brand und das eigene Sortiment wie auch als Basis für neue Verkaufskonzepte und der Nutzen des Social Graphen zur Steigerung des Einkaufserlebnisses wird mehrheitlich noch unterschätzt.

Und das Potential der Facebook eigenen Währung im E-Commerce ist noch schwierig abzuschätzen. Es wird ihn jedoch verändern – wohl sehr nachhaltig.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

5 KOMMENTARE

  1. Gerne berichte ich über unsere Erfahrungen im F-Commerce bei brandeer.ch:

    – Wir haben das 3fache an Umsatz erzielt, als wir investierten (ohne Folgebestellungen)
    – 1200 Fans generiert
    – Aufteilung der Umsätze: 66% Facebook Ads / 33% über die Fanpage

    Dies sind aus meiner Sicht sehr zufriedenstellende Zahlen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, unsere Artikel bei Facebook in eigenen Shop einzubauen, wo die Kunden direkt über FB unsere Produkte bestellen können.

    Sonstige Einsatzgebiete:
    Zusätzlich nutzen wir FB connect um sich bei uns im Shop zu registrieren. Der Kunde kann Artikel liken und seine Bestellungen mit seinen Freunden teilen und diese nach der Meinung zum eben bestellten Artikel fragen..

  2. Hallo

    Vielen Dank für den guten und interessanten Blogbeitrag.

    Ich finde es beim Thema Facebook wichtig, klar zu unterscheiden von:
    – Facebook Wall & Tabs / Facebook als CRM Plattform
    – Facebook Ads / Facebook als Werbeplattform

    Zum ersten Punkt hast du meiner Meinung nach das Wichtigste bereits gut aufgeführt.
    Ich halte selber (auch) nichts von Shop in Facebook bsw. Shop in einem geschlossenen System (Facebook stellt ja an sich ein eigenes I-Net dar, da es ein proprietär Seite/System ist).
    Facebook ist eine Social-Media Plattform und nicht ein eigens Internet. Zudem gibt es innerhalb von FB viele Einschränkungen.
    Jedoch kann Facebook, wie auch geschrieben, als Mehrwert genutzt werden, z.T. denkbar mit einem Tab (iFrame), welches die Top-Angebote zeigt, die beliebtesten Produkte, die (meist) reduzierten Produkte usw.

    Natürlich gibt es zu dem Thema viel zu viel zu sagen (sprengt die Kommentar Funktion 😉 )

    Daneben sollte man Facebook Ads als Werbemittel betrachten. Und da ist es tatsächlich so, dass damit unglaublich gute Werbekosten- / Umsatz-Relationen erwirtschaftet werden können (von welchen man z.b. über Adwords Generic nur träumen kann!).
    Jedoch ist dies sehr abhängig vom Management/Betreuung der Ads, der Zielgruppe und den eigenen Produkten.

    Und noch ein letztes Wort zum Thema Sharing via Facebook
    Hier gibt es für mich 2 wichtige Fragen:
    – Ist man bereit als Unternehmen, so viele Daten Facebook zur Verfügung zu stellen?
    – Und in diesem Zusammenhang: Was bekommt man davon zurück?

    Natürlich ist dies auch sehr abhängig von Branche und Zielgruppe, jedoch weiss ich aus meiner internationalen Tätigkeit dass die Werte hier sehr ernüchtern sind (oder sein können)
    Wie viele Bestellungen sollen durch 100’000 geteilte Inhalte (Shared or liked) erzeugt werden? Und mit was vergleicht man dies (die CVR)?
    Und zum Einbinden von Social Graph Plugins:
    Wie stark will man den eigenen Auftritt (Shop) mit Facebook Plugins zu pappen (betreffend Auftritt, CD ezc aber auch Performance)? Wie abhängig will man von einem (noch jungen) Medium sein? Etc.

    Viele Grüsse
    Damian

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