Schweizer E-Commerce: Online poliert die schlechte Detailhandelsbilanz 2011 auf

1
2437

Heute veröffentlicht der Verband des Schweizerischen Versandhandels VSV zusammen mit der GfK zum vierten Mal die Gesamtmarkterhebung für den Online- und Distanzhandel in der Schweiz.

Der Detailhandel in der Schweiz schloss mit einem Minuswachstum von 1.6% (2011: CHF 96.3 Mrd / 2010: CHF 97.8 Mrd) und sank damit fast auf das Niveau von 2009. Dieser Rückgang ist der grösste in den letzten 20 Jahren.

Die Bilanz aufzupolieren vermag der B2C Online- und Versandhandel, der trotz erschwerten Bedingungen um 4% zulegen konnte.

Die wichtigsten Kennzahlen aus der Medienmitteilung auf einen Blick:

  • CHF 5.3  Mrd  B2C Umsatz 2011
  • Weitere Verlagerung in den E-Commerce; Anteil B2C online Bestellungen 54% (+8%) im Distanzhandel.
  • Online legt damit über 12% zu (Distanzhandelwachstum plus Verlagerung von traditionellen Kanälen)
  • Anteil der mobilen Bestellungen hat sich verdreifacht
  • Heimelektronik/PC und Textilien je CHF 1 Mrd
  • Zahlung gegen Rechnung mit einem Anteil von 88% weiterhin unangefochten an der Spitze, jedoch leicht tiefer als im Vorjahr (92%).
  • Die Kreditkarte konnte zulegen und ihren Anteil auf 7% steigern (Vorjahr 5%).
  • 2011 wurden gesamthaft 22.1 Mio B2C Bestellungen generiert, was einer Zunahme von ebenfalls 4% entspricht. Daraus lässt sich ableiten, dass der durchschnittliche Wert aller Warenkörbe etwa gleich geblieben ist.

Marktvolumen Online- und Versandhandel 2011

Ein näherer Blick auf die heute veröffentlichten Zahlen lohnt sich, denn daraus lassen sich weitere spannende Aussagen ableiten:

  • Mit dem Heimatschutz scheint es definitiv vorbei zu sein im E-Commerce. Die Importe aus dem Ausland haben in CHF um 10% zugelegt und werden 2011 auf CHF 550 Mio. beziffert. In Anbetracht der Frankenstärke und der historisch tiefen Wechselkurse im vergangenen Jahr (CHF/EUR fast 1:1) darf man davon ausgehen, dass die Importe aus dem Onlinegeschäft wohl volumenmässig gar gegen 20% zugelegt haben.
  • Die Anbieter von Unterhaltungs-Elektronik und Computer legten erneut zu und dominieren volumenmässig den Schweizer E-Commerce mit 27.7% (Vorjahr 27.1%). Sie konnten damit den Vorsprung auf die Textilversender ausbauen (2011: 26.3% / 2010: 26.6%).
  • Herbe Verluste musste der Onlinehandel mit CD, DVD, Büchern und Audio hinnehmen. Die Umsätze schrumpften um rund 8%. Die Ursache ist hier wohl nicht nur im Bereich des starken Schweizer Frankens und der Zoll-Freigrenzen für ausländische Anbieter zu suchen, sondern ganz strukturell in der fortschreitenden Digitalisierung der Sortimente. Hier sind dringendst innovative Lösungskonzepte gefragt.
  • Stagnation im C2C Bereich; die Auktionshäuser (Ricardo.ch, eBay) wiesen wie im Vorjahr einen Umsatz von CHF 850 Mio. aus. Bekannt ist, dass Ricardo.ch auch im letzten Jahr zulegen konnte, wohl zu Lasten von eBay.
  • Trotz eines reduzierten Wachstums von 4% (Vorjahr 5.2%) wächst der Online- und Versandhandel in der Schweiz schneller als der übrige Detailhandel.
  • Die Auflagen bei den Katalogen („big books“) ist – wenig überraschend – weiterhin rückläufig.
  • Die Ausgaben für Suchmaschinenmarketing (SEO / SEM) stiegen abermals signifikant um 20% an, nachdem sie bereits im Vorjahr um 29% angestiegen waren.
  • Die Retourenquoten blieben 2011 stabil, je nach Branche weiterhin auf hohem Niveau, was sich u.a. auch negativ auf die Conversion auswirkt.
    • Food: 0-1%
    • Multimedia: 2.9%
    • Medien: 2.7%
    • Wohnen: 14.4%
    • Texitl: 36.7%
  • Im Bereich Social Media engagieren sich 55% der B2C Versender und 36% der B2B Versender auf Facebook, wohingegen die Anteile bei Twitter anders verteilt sind mit 20% (B2C) rsp. 29% (B2B).
  • Interessant auch die Prognose  des VSV zu der Entwicklung der Bestellkanäle. Nach diesem Szenario werden in 5 Jahren bereits 3 von 4 Bestellungen mobil oder online erfolgen.
Prognose Bestellverteilung B2C
Prognose Bestellverteilung B2C

 

Weiterhin nicht erhoben werden B2B Umsatzanteile, welche jedoch erfahrungsgemäss um den Faktor 3-5 höher liegen als die B2C Umsätze.

Entwicklung Markvolumen Online- und Versandhandel 2008 - 2011
Entwicklung Markvolumen Online- und Versandhandel 2008 - 2011

 



letzter ArtikelNeue deutsche Button-Lösung im E-Commerce: Schweizer Onlineshops müssen Anpassung prüfen
nächster ArtikelLogistik ist Key im E-Commerce
Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

1 KOMMENTAR

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Bitte fügen Sie ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie ihren Namen hier ein