Im Rahmen des Swiss E-Commerce Award habe ich den Kollegen von Startwerk ein Interview gegeben, wo die Chancen im E-Commerce generell und für Startups speziell sind. Die besprochenen Themen sind in den ausgesprochen gelungenen Artikel eingeflossen, den wir hier ebenfalls publizieren.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Alles outsourcen, ausser der Idee
Die gute Nachricht gleich vorab: Es gibt nach wie vor Potential für Innovation, vielleicht sogar mehr denn je. Wer bei Konzeption, Kundenansprache und Umsetzung clevere Ideen und neue Modelle findet, hat trotz der steigenden Anzahl von Anbietern Aussichten auf Erfolg. Entscheidend ist die richtige Nische.
Innovationspotential erschliesst E-Commerce vor allem bei neuartigen Vertriebswegen. Auch bestehende Onlineshops lassen sich ausstechen, sofern man die richtige USP mitbringt.
Vorzeigehändler und ehemaliges Startup Zappos ist dafür ein gutes Beispiel. Mit einem attraktiven Serviceangebot hat Gründer Tony Hsieh den Schuhhandel nachhaltig umgekrempelt.
Der Blick von aussen
Laut Thomas Lang, Geschäftsführer von Carpathia und Initiant des E-Commerce Awards, bieten sich Chancen, wenn neue, motivierte Player unbelastet von althergebrachten Branchenstrukturen an die Sache herangehen. Wer analysiert, wo sich bestehende Anbieter mit Altlasten oder unflexibler Logistik herumplagen, findet Einstiegspunkte für eigene Geschäftsideen. Der E-Commerce eigne sich darum gut für disruptive Konzepte, weil der Handel traditionell von vielen Handelsstufen geprägt war. Ländervertreter, Generalimporteur und so weiter: Hier lassen sich Zwischenschritte gewinnbringend ausschalten.
So erklärt sich auch die ansehnliche Anzahl von Startups, die auf den E-Commerce-Markt drängen. Ein Teil davon geht auf E-Commerce-fokussierte Inkubatoren zurück. Solche sind oftmals weniger innovativ bei den Geschäftsideen, dafür umso mehr bei der Markterschliessung. Hier steht das schnelle Hochziehen von Kopien erfolgreicher Geschäftsmodelle im Vordergrund. Diese werden kapitalintensiv skaliert, um den Firmenwert zu erhöhen und sich vielleicht dereinst einen Exit ans Originalunternehmen vergolden zu lassen.
Bereiche, die demnächst durch neue Onlinehändler verstärkt unter Druck kommen dürften, sind laut Lang der Sport- und Möbelmarkt, sowie der Automarkt. Intelligente Onlineplattformen hätten hier Potenzial.
Alles outsourcen, ausser der Idee
Neue Konzepte wie Drop Shipping sind exemplarisch für den Trend der Spezialisierung im Onlinehandel. Bei diesem Modell hält der Shopbetreiber kein eigenes Lager vor, sondern lässt just-in-time direkt von Lieferanten versenden. Auch sonst: Skalieren ohne grosse Investitionskosten wird einfacher für junge Unternehmen – Experimente sind leichter möglich denn je.
Ein Startup, das in den Onlinehandel einsteigen will, finde deutlich kleinere Hürden vor als noch vor wenigen Jahren, so Lang. Etwa in der Logistik: Amazon beispielsweise bietet diese vom Lager über die Verpackung bis zum Versand als Dienstleistung. Gleichzeitig gibt es mittlerweile standardisierte und kostengünstige Shoplösungen.
Ein aufmerksamer Blick für Lücken im E-Commerce-Ökosystem kann sich ebenfalls lohnen. Als gutes Beispiel für diesen Ansatz nennt Lang das deutsche Startup Einfach-machen-lassen. Das Unternehmen betreibt ein Partnernetzwerk von Service-Technikern, die Technik-Shops für Installationsdienstleistungen zur Verfügung stehen. Ein Versand von Unterhaltungselektronik kann damit ein Servicepaket mitanbieten, ohne selbst zeitintensiv Partner zu suchen.
Das Fazit: Eine Lücke suchen und sich dort breitmachen – mit der richtigen Differenzierung bietet dieses Herangehen gute Chancen für Jungunternehmer.
Anzufügen sei dem noch, dass sich diese Empfehlungen primär an Startups richten, damit sich diese auf die Kernaufgaben konzentrieren können. Selbstverständlich sind im weiteren (erfolgreichen) Geschäftsverlauf verschiedene Optionen zu prüfen wie die Logistik selber zu übernehmen, denn diese ist ein elementarer Erfolgsfaktor.
Aber v.a. beim Neuaufbau einer E-Commerce Plattform kann es von Vorteil sein – auch im Sinne einer schnellen Time-to-Market – möglichst viele Aufgaben an kompetente Partner auszulagern um sich (auch wenn es sich abgedroschen anhört) auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren.
Da macht man sich dann aber ganz schön abhängig von den Lieferanten. Alle etablierten Unternehmen versuchen doch so viel wie möglich horizontal und vertikal zu integrieren. Nur bei Budget-Restriktion sollte man den Overhead loswerden.