Die Hintergründe zum Digitec-Migros-Deal: Das Interview mit der Geschäftsleitung

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Die Handelszeitung machte es am Dienstagabend publik, die Migros bestätigte am Mittwochmorgen; der Mega-Deal im Schweizer E-Commerce war perfekt.

Der grösste Detailhändler der Schweiz beteiligt sich vorerst mit 30% am grössten Schweizer Onlineshop für Elektronik resp. dessen Mutterhaus Galaxus AG. Diese betreibt neben Digitec auch das Onlinewarenhaus Galaxus.

Wie nun auch die Geschäftsleitung im Interview bestätigt, war man gezielt auf Investorensuche:

Das Interview wurde schriftlich geführt – die Fragen stammen von Jochen Krisch, Exciting Commerce und Thomas Lang, Carpathia. 

Wann ist die Entscheidung gereift, auf Investorensuche zu gehen? Was war der Auslöser und was war Euch wichtig dabei?

Seid etwa über einem halben Jahr haben die Inhaber die Fühler nach möglichen Partnern ausgesteckt. Auslöser war, dass wir vor allem bei der Verfolgung unserer Vision, Galaxus zum führenden Online-Warenhaus zu machen, von der Zusammenarbeit mit einem etablierten Partner profitieren können; dass wir dadurch deutlich schneller wachsen können als alleine und uns in einem Markt gut positionieren, der zukünftig sicher noch einige Umwälzungen bereit halten und nicht einfacher werden wird. Dabei bestand kein Druck und keine Notwendigkeit unsererseits zu diesem Schritt. Die Überlegung war immer, dass wir so eine Partnerschaft nur eingehen, wenn sie 100%ig passt und uns langfristige Perspektiven aufzeigt. Dies sahen wir mit der Migros nun so gegeben.

Wie seid Ihr bei der Suche vorgegangen?

Wir sind für uns interessante Partner gezielt angegangen und haben uns offen gezeigt für Anfragen. Bei der Migros schliesslich war es gleichzeitig und gegenseitig, ihr Interesse an uns hat sich mit unserem an ihnen quasi überschnitten.

Warum habt Ihr Euch für einen strategischen Investor entschieden und keinen Finanzinvestor?

Aus rein finanziellen Gründen hätten wir keine Partnerschaft eingehen müssen und wollen, unser Geschäft war immer rentabel und auch Galaxus hat sich sehr erfreulich entwickelt, zumal wir die Plattform noch kaum beworben haben. Ziel war immer, eine Zusammenarbeit einzugehen, um Synergien zu nutzen und vor allem für die Expansion von Galaxus auf dem Beschaffungsmarkt einen grossen Sprung vorwärts zu machen.

Warum verkauft Ihr in zwei Schritten an Migros? Ist die Abgabe der 30% Kalkül oder Vorsichtsmaßnahme?

Es ist nicht unüblich, dass eine Mehrheit in mehreren Schritten übernommen wird. Zu den Absichten hinter diesen Vertragsdetails kann ich aber leider keine Stellung nehmen… ich bitte um Ihr Verständnis.

Mit Lausanne hat Digitec einen Standort in der Romandie – die restlichen 6 in der Deutschschweiz. Ist eine weitere Expansion in die Westschweiz / Tessin geplant?

Weitere Filialen in der Westschweiz und auch im Tessin sind nicht ausgeschlossen, aber noch nicht konkret geplant.

Ist gar eine Expansion ins Ausland eine Option?

Die Expansion ins Ausland ist sicher eine Option. Wir werden aber nichts überstürzen und haben auch im Inland noch viel Potential und Projekte.

V.a. Galaxus als Warenhaus ist prädestiniert für die Aufnahme von Produkten aus dem Migros Sortiment (Interio, Micasa, M-Electronics ua) – ist wie bei LeShop zu erwarten, dass sich demnächst auch Migros Produkte in Eurem Sortiment finden werden?

Dies ist vorerst noch nicht angedacht.

Bzgl. Sortiment hat Galaxus/Digitec mit M-Electronics die grösste Überschneidung. Es wird gesagt, dass M-Electronics nicht sonderlich erfolgreich sei online und den Spagat nicht schafft zwischen stationär und E-Commerce. Ist Digitec für Migros/M-Electronics was Redcoon für MediaMarkt ist?

Es ist sicher so, dass unsere Stärken und Kompetenzen vor allem im Online-Handel von IT- und UE-Gütern liegen und diejenigen der Migros im stationären Geschäft. Was dies langfristig für Auswirkungen für die einzelnen Unternehmen hat, ist noch nicht ausdefiniert und wird sich zeigen müssen. Es ist jedenfalls nicht geplant, an den Brands oder Strategien der einzelnen Unternehmen bzw. Unternehmenssteilen etwas zu ändern, da sie in ihren Bereichen jeweils sehr erfolgreich sind.

Besten Dank für die Antworten und viel Erfolg!

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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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