Geschenkidee.ch – Qualitätsprobleme nach dem Relaunch

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Einer der Schweizer E-Commerce Pioniere ist Geschenkidee.ch,  der nach eigenen Angaben führende Onlineshop für Geschenkartikel und Gadgets. Zum 10-jährigen Jubiläum hat man sich (endlich) ein Redesign geleistet, das auf den ersten Blick auch ganz gelungen wirkt.

In der Regel warte ich mit einem genaueren Blick nach einem Live-Gang. Denn jeder weiss, dass es das perfekte Going-Live nicht gibt. Wenn aber schon das Mutterhaus Ringier eine Pressemeldung versendet – Ringier hält seit Ende 2008 100% an Geschenkidee.ch – darf man davon ausgehen, dass der Shop getestet und weitgehend fehlerfrei ist. Also sollte man auch einen genaueren Blick riskieren dürfen.

Wie erwähnt, das Design gefällt und entspricht dem, was man heute von einem Onlineshop erwarten darf. Auch hinsichtlich emotionalen Komponenten ist das heute ein Quantensprung gegenüber der in die Jahre gekommenen Vorgängerlösung. Effizient und interessant auch der Geschenkefinder auf der Startseite.

Kritischer wird es dann schon, wenn man nach 5 Minuten schon über 5 Fehler gestolpert ist – da scheint noch einiges im Argen oder schlichtwegs nicht fertig zu sein.

Ein paar Punkte kurz notiert:

1) Mein Konto mit ungeparsten Variablen

2) Personalisierbare Geschenke lassen sich nicht konfigurieren

http://www.geschenkidee.ch/homeshirt-city.html

3) PHP produziert fatalen Fehler beim Aufruf von Seiten aus dem Google Index

http://laredoute.geschenkidee.ch/de/event_rating_detail.html?objects.artlink=E102498

4) Rerouting von bestehenden Google-Resultaten auf beta.geschenkidee.ch

Nach dem Live-Gang zu beobachten, mittlerweile korrigiert: Bestehende Google-Listings wurden zwar korrekt umgeleitet, jedoch auf die mutmassliche Testdomäne beta.geschenkidee.ch. Dies hatte zur Folge, dass Google anfing, beta.geschenkidee.ch zu indexieren. Die paar noch verbliebenen Beta-URLs  werden mit einem (erneuten) 301 auf die finalen URLs umgeleitet.

5) Klassisches Diagonal-Problem bei Mega-Dropdown

Geschenkidee.ch setzt ebenfalls auf die seit längerem nicht nur bei Shops beliebten Mega-Dropdowns. Die Dropdowns weisen jedoch kaum ein Delay beim Ausblenden auf, so dass der Anwender mit dem klassischen Diagonal-Problem konfrontiert wird, dass die Kollegen von Konversionskraft bereits vor längerer Zeit mal schön dokumentiert haben.

 Fazit

Wie eingangs erwähnt, erlaube ich neu-gelaunchten Onlineshops durchaus eine „Gnadenfrist“. Aber wenn schon eines der grössten Verlagshäuser der Schwiez extra eine Medienmitteilung vor 2 Wochen verschickt, sind solche Fehler und Qualitätsmängel nicht verzeihbar.

Die Konzeption eines Relaunches ist in der Regel um einiges komplexer als der initiale Launch. Gilt es doch, nebenher noch den produktiven Shop weiterzubetreiben. Und je länger die Relaunch-Phase dauert, je mehr Changes, Erweiterungen aber auch Patches und Fixes müssen ggf. parallel geührt werden.

Zudem gilt es der Thematik Suchmaschinen-Optimierung höchste Priorität einzuräumen. Gerade Geschenkidee ist mit einer Vielzahl von Mitbewerbern (auch bei Google) konfrontiert und durch das über 10-jährige Bestehen eine entsprechende Ranking-History. Da dürfen solche absolut vermeidbaren SEO-Fehler wie falsche Redirects nicht passieren.

Warum diese Fehler den Verantwortlichen noch nicht aufgefallen sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumal ein aktives Monitoring verschiedenster KPIs sicher entsprechende Hinweise produziert haben müsste. Auch hinsichtlich der verschiedenen Conversions-Ziele müssten meines Erachtens Auffälligkeiten erkannt worden sein.

Anmerkung; es geht mir mit diesem Blogpost nicht darum, eine Website bloss zu stellen, sondern konstruktiv Kritik zu üben. Dies geschieht öffentlich, da durch den Versand der Medienmitteilung auch offiziell und öffentlich auf den Relaunch aufmerksam gemacht wurde. Anderseits soll dieser Beitrag demonstrieren, wie vielfältig und komplex ein Relaunch ist.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

4 KOMMENTARE

  1. Zu Punkt 3:

    http://************** (Anm. T. Lang: Link aus Sicherheitsgründen entfernt)

    Eine einzige Katastrophe! Der PHP Source ist sichtbar und SQL Abfragen. Diese kann man hier untersuchen, ob SQL-Injections möglich sind und damit könnte man auch die Kundendaten exportieren, manipulieren …
    Vieles waere schon vermeidbar gewesen, wenn ini_set(‚display_errors‘, ‚off‘); am Anfang gesetzt worden wäre und die Dateiendung .php ist, statt .inc 😎

    • Danke Cyrill für diesen Hinweis – der alte Spruch „offen wie ein Scheunentor“ ist hier sehr angebracht.
      Ich leite den Hinweis zudem umgehend an die Verantwortlichen von Geschenkidee.ch weiter.

  2. Irgendwie erschreckend, dass selbst „die Großen“ das „Diagonal-Problem“, wie Du es betitels Thomas, noch nicht erkannt haben bzw. zu vermeiden wissen.
    Mich beschleicht dabei immer das Gefühl, dass die Führungsetage dafür plädiert, mal besser möglichst viele Unterkategorien unterzubringen, dabei aber die Usability komplett ignoriert.

    Viele Grüße aus Stuttgart/Deutschland,
    Michael

  3. Mal abgesehen von Diagonal-Problem und anderen Nicklichkeiten – das Grundübel sieht für mich nach einer klassischen Projektproblematik aus: die Qualitätssicherung kommt am Ende zu kurz, die Entwickler sind in der heißen Phase am „debuggen“ während die Shop-Redaktion den neuen Content erstellen muss.
    Ich stimme durchaus der Beobachtung zu, dass ein Relaunch-Projekt meist erheblich komplexer ist, als ein initiales Go-live. Was sich da bei vielen unserer Kunden bewährt hat, ist die Anwendung des Architekturprinzips „separation of concerns“.
    Wenn die Storefront in einem (mit der E-Commerce Software integrierten) Content Management System bearbeitet wird und die Shop Software sich „nur noch“ um die Prozesse kümmern muss, lässt sich im Projekt meist sehr viel Streß vermeiden.
    Die Shop-Redakteure können viel früher im Projekt eingebunden werden. Sie können im CMS ungestört neue Inhalte erstellen, während die neue Shoplogik der E-Commerce Lösung noch entwickelt wird. Mit modernen CMS-Technologien wie Enterprise ChangeSets werden überdies parallele Content-Pflegeaktivitäten (live Content und nächster Release) wesentlich vereinfacht; ein besonderer Vorteil für Anbieter mit häufigen Sortimentswechsel, wie z.B. im Fashion Bereich.
    Ein Kunde von uns hat im Frühjahr auf der Internet World in London dazu einen Vortrag gehalten. Die Slides sind für alle Interessierten auf http://onion.net/e-commerce zum Download verfügbar.

    Viele Grüße aus Dortmund/Deutschland
    Bernd

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