Bereits zum 5. Mal in Folge wurde heute der E-Commerce Report präsentiert, eine lang angelegte Studie mit primär qualitativer und branchenübergreifender Ausrichtung. Herausgegeben wird der Report von der Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag von Datatrans.
Der E-Commerce Report ist jeweils ein idealer qualitativer Pulsmesser zur aktuellen Lage im Schweizer Onlinehandel und gehört zur Pflichtlektüre, da er strikte die Anbieterseite wiedergibt. Die qualitativen Antworten kommen vom Leader-Panel, das weiter gewachsen ist und aktuell 34 sog. marktprägende Anbieter umfasst.
Inhaltlich hat der E-Commerce Report weiter ausgebaut, so dass wir die wichtigsten Aussagen zur besseren Übersichtlichkeit in 3 Teilen zusammenfassen.
- Teil: Herausforderungen an alle Fronten
- Teil: PurePlay, Multichannel, Markenhersteller und die Rentabilität
- Teil: Mobile, Geschäftskonzepte auf dem Prüfstand und Zukunftserwartungen
Übermächtige ausländische Konkurrenz*
Der Markteintritt von Zalando im Herbst 2011 hat seine Spuren hinterlassen und das Panel scheint sich beeindruckt zu geben, mit welcher Radikalität dieser erfolgte. Nach anfänglichen Zweifeln glauben nun einige, dass bei diesem Geschäftsmodell die Rechnung in der Schweiz aufgehen könnte. Insbesondere wurde die Erwartungshaltung der Kunden hochgeschraubt und zwingt einige Player, bzgl. Versandkosten und Retouren nachzuziehen.
„Wenn Game Changer wie Zalando neue Standards setzen, hat das auch Einfluss auf unsere Branche“
Dominic Blaesi, CEO Flaschenpost„Die Kundenerwartungen sind nun sehr hoch, auch durch Anbieter wie Zalando, die keine Not haben, profitabel zu sein“.
Christian Kunz, CEO ricardo.ch
Aber das Beispiel Zalando könnte nach Ansicht des Panels Schule machen und auch andere Branchen betreffen. Und der Markteintritt von home24.ch wird ja in Kürze erwartet.
Das Dilemma für die hiesigen Anbieter gegenüber der ausländischen Konkurrenz wird denn von der Studie wie folgt differenziert:
- Es gibt in der Schweiz keine vergleichbaren Finanzierungsformen
- Kapitalmarktgetriebene Anbieter wecken neue, teure Kundenerwartungen
- Eine vergleichbare Erfolgsgeschichte die ihre Wurzeln in der Schweiz hat ist wahrscheinlich nicht möglich
Nachteile im Schweizer Markt und limitierte Skaleneffekte
Eine Vielzahl der Panel Teilnehmer sieht den Schweizer Primärmarkt als Nachteil wegen dessen Grösse. Denn der Aufbau eines neuen E-Commerce Unternehmens verschlingt ähnlich hohe Kosten wie bspw. in Deutschland, das Umsatzpotential liegt jedoch aufgrund der Grösse um ein Vielfaches kleiner. Wir bei Carpathia verwenden jeweils einen durch mehrere Studien abgesicherten Umrechnungs-Koeffizienten von 7.5 für die Marktgrössen / -potentiale.
Zudem ergeben sich auch Nachteile auf Beschaffungsseite, wo im Einkauf aufgrund der strukturell bedingten kleineren Mengen nicht annähernd so attraktive Konditionen ausgehandelt werden können wie für intl. Player. Kommt hinzu, dass man als Schweizer – genannt wird als Beispiel der Reisemarkt – zuweilen gar nicht erst mit den Lieferanten (Fluggesellschaften) verhandeln kann aufgrund der im Vergleich geringen Voluminas.
„Investieren oder Verlieren“
So auch der Titel der Pressemitteilung zur Publikation des Reports heute. Er zeigt exemplarisch das Dilemma des Schweizer E-Commerce. Soll man den Markt gänzlich den grossen Playern überlassen oder seine Chancen nutzen?
Derzeit wächst das Angebot schneller als die Nachfrage, was neben den bekannten Herausforderungen wie Einkaufstourismus ins nahe Ausland oder dem starkem Schweizer Franken gegenüber EUR und USD zusätzlich für sinkende Preise und Margen sorgt. Gleichzeitig bleiben die Kosten hoch und die Skalen-Effekte fehlen aufgrund des limitierten Zielmarktes.
Aber, auch so die Studienteilnehmer, es geht gar nicht mehr ohne. Kein Händler kann es sich erlauben, online nicht präsent zu sein (mehr dazu in den folgenden Teilen). Investitieren um nicht weitere Marktanteile zu verlieren.
Langsameres Wachstum, aber intakte Chancen
Oben angeführte Gründe könnten laut Studienteilnehmern Ursache sein für das gegenüber dem Ausland langsamere Wachstum (vgl. auch Studienergebnisse von VSV/GfK und der Studie Onlinhandel Schweizer der HSG).
Aber auch das Fehlen eines globalen Players wie Amazon in der Schweiz wird als Grund für das langsamere Wachstum genannt, zumal intl. Konzepte in der Schweiz immer relativ spät ausgerollt werden.
Der Schweizer Markt scheint also aus eigenem Antrieb nur beschränkt weiter wachsen zu können. Der wirkliche Schub wird aus dem Ausland erwartet.
*) Unter anderem wohl auch ein Resultat, welchen Impact Zalando in der Schweiz hat. Das Wort „Zalando“ findet sich gleich 13 Mal im aktuellen E-Commerce Report 😉
Das wäre dann auch gleich die Auflösung zu unserem kleinen #twitterpoker von heute
Der #twitterpoker („wie viel Mal wird ‚zalando‘ im Schweizer Report genannt?“) geht noch bis 14 Uhr – dann lösen wir auf #ecrch13
— Thomas Lang (@thlang) June 18, 2013