Teil 2: Online Erlebnis – Direkt vom Hersteller?
Im ersten Teil wurden die Rahmenbedingungen und insbesondere das Europäische Preisgefüge für Jura Kaffeevollautomaten genauer untersucht. In diesem Teil soll es nun um das Erlebnis beim Online-Einkauf auf der neunen Seite mit Online-Shop bei Jura Schweiz gehen.
Zugegeben habe ich gerade bei Jura hohe Erwartungen zu diesem Thema – Qualitativ hochwertige aber auch teure Produkte, Roger Federer als nicht „gekapselte“ Werbe-Ikone und ein traditionsreiches Schweizer Unternehmen welches unter http://www.juraworld.com sogar eine eigene Erlebnis-Ausstellung zum Thema Kaffee unterhält, schüren genau diese Erwartungen.
Kundenerlebnisse entstehen ja nicht durch wenige ganz „tolle“ Funktionen und „schöne“ Bilder – dahinter verbirgt sich immer ein schlüsssiges und kundenorientiertes Konzept welches noch mit einem guten Interface in Form von Funktionen und Design umgesetzt ist. Daher wurde mit dieser Betrachtung auch bis ca. 3 Wochen nach dem Go-Live gewartet um Feinheiten welche bei solchen Projekten gerne mal zum Launch hinten runterfallen, noch eine Chance zur Nachbesserung zu geben.
Der Einstieg
Beginnen wir den Besuch auf der globalen Homepage von Jura.com Der Gedanke von „User Experience“ hat sich hier leider nicht bis zu den Designern oder Programmierern herumgesprochen. Ja, Roger Federer ist die Werbefigur von Jura und hat am liebsten kapselfreien Kaffee – aber das ist hier jedoch unerheblich und lenkt als Video nur von der mühsamsten Länderauswahl im Kaffee-Universum ab. Keinerlei automatische Erkennung von Land oder Sprache (Mit verschiedenen IP’s getestet), Ein Video im Flashformat, keine automatische Speicherung meiner Einstellungen in ein einem Cookie – dies kann zwar manuell gemacht werden, aber nachdem man dann nach „Europa“, „Privatgebrauch“ und dem passenden „Land“ die Auswahl endlich gefunden hat, ist man nur froh wenn man da hin navigieren kann, wo man auch hin möchte.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Seite auch noch überarbeitet wird:
Die Länderauswahl-Seite unter Jura.com
Nicht verwunderlich, haben diese Seite nur 368 Menschen geliked, und das obwohl Jura über 15‘000 Facebook Fans verfügt. Was für eine solche Marke natürlich auch kein Benchmark sein kann. Zu Facebook aber später mehr.
Die Startseite
Nun erwischt man den Link auf https://ch.jura.com/ und bekommt was? Ah, das Video mit Roger Federer gibt es auch in lang und mit Ton und wird nun in einer Lightbox abgespielt. Das mag für Besucher die erstmalig via Direkteingabe auf diese Seite gekommen, ja noch nett erscheinen, aber bitte nicht für Besucher welche von der Länderauswahl kommen. Aber ja, der Spot mit Roger hat sicher eine Menge Geld gekostet und soll gezeigt werden.
Die Startseite unter ch.jura.com ohne Footer
Die Startseite kommt sehr aufgeräumt und reduziert daher – Der „Roger“ TV Spot, ein Stiftung Warentest Logo und die Live-Video-Verkaufsberatung schaffen Vertrauen und könnten grundsätzlich mal weiteres Interesse anregen.
Glücklicherweise habe ich die Seite auf dem Desktop aufgerufen. Responsive oder mobile Variante: Leider Fehlanzeige!
Grundsätzlich ist alles am rechten Fleck, wobei die Suche doch etwas deplatziert wirkt.
Da es auf der Seite z.B. nur 19 Kaffeevollautomaten gibt könnte man ja auch denken, wozu eigentlich eine Suche – aber diese findet neben Produkten auch Bedienungsanleitungen von alten Geräten. So wird der Suchbegriff „nespresso“ gut abgefangen und geführt.
Bei der Auswahl in der Top Navigation in den Bereich der Kaffeevollautomaten ist es aber dann vorbei mit dem positiven Erlebnis. Mein Ansinnen war es sich einmal die einfachste Maschine die einfach NUR einen Kaffee machen kann zu finden. Sie soll keine Milch aufschäumen, keinen fix fertigen Latte Macchiato machen können und nicht viel kosten.
Diese eigentlich einfache Anforderung wird bei dieser vollkommen „erlebnisbefreiten“ ja gar verwirrenden Facetten-Suche zu einer echten Herausforderung.
Der Filter-Fail
Bei ganzen 19 Geräten, kann man 16 Verscheiden Filter für mögliche Varianten von Kaffee-Output wählen. Diese Auswahl verwirrt mehr als dass sie hilft. Erlebnis? Fehlanzeige. Der von mir gewünschte Fall, eine einfache Maschine mit der ich einen Kaffee ohne alles machen kann, wird so nicht abgedeckt. Einen Kaffee können 18 von 19 Maschinen. Das Resultat kann ich aber dann auch nicht nach Preis sortieren. Einen Preisfilter gibt es auch nicht. Also muss ich doch jede Maschine einzeln anschauen. Was ein „Aroma Boost Kaffee“ sein soll, weiss ich leider nicht. Da hat sich dann wohl noch ein anderes Attribut als Kaffee „verkleidet“ und sich hier in die Liste geschlichen.
Die Hoffnung stirbt mit dem Produktvergleich
Nun könnte ich ja dort einige Maschinen, welche den Anschein erwecken meinen Anforderungen zu genügen, über einen Verglich eingrenzen und finden. Wieder Fehlanzeige! Die Unübersichtlichkeit kann nämlich sogar noch gesteigert werden:
Nun wird mir auch klar warum der recht innovative Weg einer Live-Video-Verkaufsberatung gewählt wurde. Es braucht dann scheinbar doch einen Menschen der mir die Webseite oder besser die Produkte erklärt.
Nun kommen wir leider zum nächsten Problem: Die Online-Beratung gibt es Wochentags nur bis 16.30 Uhr. Somit nicht einmal im Rahmen von normalen Ladenöffnungszeiten. Also soll ich dann doch ins Fachgeschäft gehen? Gerne würde ich am Abend auf der Couch mich fernab vom Innenstadt-Stress beraten lassen und eine Kaffeemaschine für CHF 1‘000 bis 4‘000 erklärt bekommen. Am liebsten mit dem iPad – aber das geht ja nicht. Nicht weil die Seite nicht für Tablets optimiert ist, sondern die Video-Beratung mit Flash realisiert ist. So zumindest steht es in den Anforderungen.
Am Montag, den 4.11. Habe ich mir dann mal Zeit genommen um zu „Video-Ladenöffnungszeiten“ diesen Service zu nutzen. Leider war da nichts zum Aufrufen. Auch kein Hinweis.
Nun gut, dann schnell Ma(i)l bei Facebook nachgefragt und doch sehr fix eine Antwort bekommen:
Für die Antwortzeit gibt es ein „gefällt mir“! Welche Mail die Herrschaften meinen hat sich mir bis jetzt nicht erschlossen. 😉
Produktdetailseite
Noch ganz kurz zu den Produktbeschreibungen – Diese recht ordentlich, Viele Bilder in hoher Qualität, Videos und sehr detaillierte Beschreibungen, insbesondere bei den technischen Daten. Bis auf die o.g. Anwendungsfälle aus dem Produktvergleich auch soweit verständlich. Warum mir dann bei der Schweizer Seite mit ausgewählter Deutscher Sprache diese dann in 6 Sprachen serviert werden, habe ich nicht genau verstanden, aber das ist dann doch ein Detail.
Zu jedem Produkt ist umfassendes Zubehör verknüpft – sogar mit Erlebnis-Charakter! Denn im Gegensatz zu allen anderen Seiten die recht fix geladen werden, hat man beim Aufruf des Zubehörs zumindest gefühlt genug Zeit sich einen Kaffee zu holen.
Den Preis und den Warenkorb Button links vom Produkt zu finden ist mittlerweile schon ungewohnt, da der Blick erst mal auf den Preis satt auf das Produkt gelenkt wird. Und so viel Aufmerksamkeit sollten diese UVP wie in Teil 1 dieses Beitrages beschrieben wurden, nun doch nicht erhalten. Der Einstieg in den „Händlerfinder“ ist räumlich dicht an diesem Block platziert und gut zu finden. Leider finden sich keine Hinweise auf andere Online-Händler. Auch bekommt ein Nutzer keine Idee ob dieses Produkt denn grundsätzlich von den dort angezeigten Händlern geführt wird. Von reellen Beständen mal ganz abgesehen – dies wäre auch sicher nicht gleich der Anspruch eines Nutzers.
Oft argumentieren Hersteller mit Direktvertrieb und selektiven online Kanälen ja damit, den Service und das Fulfillment auf einem hohen Niveau halten zu wollen. Für Zürich wäre das mit einer 2h Lieferung durch den Fachhandel sicher ein gutes Argument. Für den Rest der Schweiz wird als Lieferzeit 2-3 Werktage angegeben. Das schafft mittlerweile jeder kleine Shop auch am nächsten Tag.
Fazit:
Meine persönliche Enttäuschung über die gesamthafte Umsetzung konnte ich einfach nicht verbergen. Ich mag die Marke und deren Produkte. Aber mich als potentiellen Kunden z.B. mit solchen Filtern alleine zu lassen ist nun mal leider kein Erlebnis. Warum werde ich hier nicht aktiv geführt? Ein Gudided- oder Curated- Ansatz wären hier einfach sehr hilfreich:
- Was möchten Sie für einen Kaffee?
- Wie viele möchten Sie gelichzeitig machen?
- Wollen Sie bestimmte Extras?
- Wo wollen Sie das Gerät aufstellen?
- Wie viel ist ihnen der perfekte Kaffeegenuss wert?
Ein Prozess mit diesen Fragen und den entsprechenden Antworten würde mir sehr helfen aus nur 19 Maschinen die richtige für mich finden. So dass es online eben auch zu einem Erlebnis wird. Dies könnte nicht nur technisch gelöst werde, die Kundenberater welche auf einen Videoanruf warten, könnten doch dann den Kunden individuelle und passende Angebote unterbreiten. Aber so ist es dann doch leider nur „Kalter Kaffee“ geworden. In 2 Tassen, mit Milch aber mit „Aroma-Booster“.
[…] Wie es da bei Jura so aussieht, wird im 2. Teil dieses Beitrages näher betrachtet. […]