Das Retourenproblem oder das Problem mit den Retouren im E-Commerce

2
3294

Retouren sind wohl so alt wie der Versandhandel selber und auch in Zeiten des E-Commerce gilt es, die Rücksendung der Ware möglichst zu vermeiden. Wie macht man das?

Gerade die heutige Technologie bietet hier den Onlineversendern Möglichkeiten, von denen die Katalogversender nur träumen konnten. Am Beispiel Mode ist die Palette vielfältig: Von der hochauflösenden Produktbebilderung in verschiedenen Variationen (auf Puppe, getragen am Modell, als Video, als 3D-Ansicht uva), der detaillierten Beschreibung und Hinweisen, dass bei diesem Hersteller der Schnitt gerne etwas enger ausfällt bis hin zu sozialen Komponenten wie Bewertungen und Kommentare kann sich der Onlinekäufer ein sehr genaues Bild vor dem Kauf machen.

Denn der Grund für Retouren ist oft, dass das Bestellte nicht den Vorstellungen entsprach (Material, Schnitt, Qualität etc.) oder von der Grösse her nicht passte. Und genau hier gilt es anzusetzen und die erfolgreichen Onlineshops beweisen sich durchaus auch in diesem Bereich.

In der EU fällt im kommenden Jahr die sogenannte 40-Euro-Klausel die regelte, dass der Kunde Waren mit einem Wert von über EUR 40.- kostenlos zurückschicken darf. Fällt diese Klausel, kann der Händler auch bei Waren über diesem Wert dem Kunden die Kosten für die Retoure überwälzen. In der Praxis werden sich diese Kosten – wenn überhaupt – mutmasslich namentlich auf die Portokosten konzentrieren.

Diese Gesetzesänderung dürfte Anlass gewesen sein für eine aktuelle Studie von PwC Deutschland. In der Befragung von etwa Tausend Personen wurde deren Onlineeinkaufsverhalten bei Einführung einer „Retourengebühr“ untersucht. Dabei outeten sich auch rund ein Fünftel der deutschen Onlineshopper als häufige Retournierer.

Fast jeder fünfte Deutsche bestellt online im Wissen, dass er die Ware voraussichtlich wieder zurückschickt - Quelle pwc.de 2013
Fast jeder fünfte Deutsche bestellt online im Wissen, dass er die Ware voraussichtlich wieder zurückschickt – Quelle pwc.de 2013

Diese Zahl scheint sehr hoch und dürfte nach verschiedenen Rückfragen in der Schweiz deutlich tiefer sein. Tatsache ist jedoch, dass die Retouren ein Problem für jeden Onlinehändler sind, denn „ausser Spesen nichts gewesen“. Aber auch jeder Onlinehändler hat andere Strategien, dem Problem Herr zu werden. Sei dies über die Selektion von unterschiedlichen Zahlungsmethoden für Viel-Retournierer oder Anreizsystemen für diejenigen, die wenig zurücksenden, um nur zwei zu nennen.

In eigener Sache: Das Retourenproblem der Medien

Ein eigentliches Retourenproblem scheinen die Medien zu haben. Gerne werden die 50%+ Retourenquote von Zalando als geschäftsschädigend hoch kolportiert, auch wenn im Schweizer Modehandel der Schnitt bei hohen 39% liegt. Bei anderen Branchen ist die Quote deutlich geringer. (vgl. ermittelte Retourenquoten von VSV/GfK).

Und so kam es auch vergangene Woche zu Berichterstattungen in der Schweiz zur oben zitierten PwC Studie. Dies teilweise in befremdendem Kontext, in welchem auch Zitate von mir zu lesen waren.

Wer Twitter & Co verfolgt hat weiss, dass die vollständigen Antworten auf die Journalisten-Anfragen genau die entgegengesetzte Meinung des publizierten Artikels beinhalteten. Ja, Retouren sind ein Problem für den Onlinehandel wie es auch zahlreiche weitere Herausforderungen zu meistern gibt. Aber ein eigentliches Retourenproblem, das den heutigen Onlinehandel „in Not“ bringt, gibt es wohl nur dort, wo man sich mit der Digitalisierung ebenfalls schwer tut.

Die Anzahl der notorischen Vielretournierer dürfte sich vielleicht bei 1% bewegen oder anders gesagt in etwa dem Niveau der Ladendiebstähle entsprechen. Oder der Anzahl Schwarzfahrer bei den SBB – die für diese wohl auch ein Problem darstellen, aber wohl kaum in Not bringen, liebe 20 Minuten.

Von den mehr als 12’000 Online-Lesern, die bei 20min die Umfrage beantworteten, bezeichnet sich jedenfalls ein deutlich kleinerer Teil als bei PwC als Viel-Retournierer. 22% senden nie etwas zurück, 36% selten und 36% gelegentlich:

 



letzter ArtikelMass-Customizing: Appenzellergurt – Schweizer Tradition im Netz
nächster ArtikelMediaMarkt: Das Vignetten Lockvogel-Angebot ging wohl auf – zumindest Offline
Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

2 KOMMENTARE

  1. Interessanter Bericht. Ich sehe nicht ganz ein, weshalb ein Widerrufsrecht gesetzlich festgelegt werden soll, das gehört in die Hände der Shopbetreiber! Schlussendlich kann ich da einkaufen, wo die Bedingungen meinen Vorstellungen entsprechen. Warum sollen 99% der Kunden für die Unfähligkeit und damit verbundenen Kosten von 1% aufkommen (Ich gehöre zur Gruppe „noch nie etwas retourniert“). Ich hoffe sehr auf etwas gesunden Menschenverstand…

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Bitte fügen Sie ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie ihren Namen hier ein