Wer schützt den Konsumenten vor dem Konsumentenschutz?

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Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) – grundsätzlich eine löbliche Einrichtung – fällt immer mal wieder mit Kuriositäten auf; beispielsweise  auch mit dem Merkblatt „Online-Shopping: Einkaufen per Mausklick“ (PDF-Download). Der VSV hat sich diesem Merkblatt schon mal pragmatisch kritisch angenommen.

Die Konsumentenschützer bieten ihre breite Palette an Ratgebern für verschiedenste Lebenslagen ebenfalls per eigenem Onlineshop an – Grund genug mal nachzuschauen, wie konsumentenfreundlich dieser eigene Webshop denn ist:

 

Onlineshop der Stiftung für Konsumentenschutz
Onlineshop der Stiftung für Konsumentenschutz

 

Selber scheint es der Konsumentenschutz mit dem Konsumentenschutz nicht so eng zu sehen.

Der Onlineshop der SKS verstösst gleich gegen einige gesetzliche Bestimmungen wie auch Empfehlungen aus eigenem Hause:

Verstoss gegen die Preisbekanntgabeverordnung

Die Preisauszeichnung verstösst gegen die Preisbekanntgabeverordnung des Seco. Es wird nicht deutlich auf Versandkosten hingewiesen. Versandkosten werden erst im Checkout dem Konsumenten untergejubelt ohne weiteren Hinweis hinzugefügt.

Fehlende Verschlüsselung

konsumentenschutz.ch SSL
konsumentenschutz.ch SSL

Der Onlineshop hat keine Verschlüsselung, obwohl dies gemäss dem hauseigenem oben erwähnten Merkblatt (PDF) für den sicheren Einkauf notwendig sei.

Eine komplette Verschlüsselung des ganzen Shops – wie von der SKS gefordert im Merkblatt – ist natürlich Mumpitz. Aber selbst der Anmeldeprozess und die Übermittlung der Passworte erfolgt bei konsumentenschutz.ch ohne Verschlüsselung, was schlichtweg fahrlässig ist. Damit können Login-Daten problemlos abgegriffen werden. Die SKS selbst verfügt nicht mal über ein gültiges SSL-Zertifikat!

Für Zahlungen via Kredit- und Debitkarte wird der verschlüsselte PSP-Service der Postfinance genutzt, also mutmasslich auch unter belgischem Datenschutzgesetz

Impressum widerspricht dem UWG

Ein eigentliches Impressum wird vergeblich gesucht. Laut UWG muss per 1. April 2012 wer «Waren, Werke oder Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbietet klare und vollständige Angaben über seine Identität und seine Kontaktadresse einschliesslich derjenigen der elektronischen Post machen».

Wie ein solches Impressum ausgestaltet werden sollte und was hinein gehört, haben wir hier beschrieben.

(Zu) kurze Widerrufsfrist in den AGB

Ein eigentliches Widerrufsrecht kennt man in der Schweiz noch nicht. Aber das Parlament und das Justizdepartement, unter Führung der ehemaligen Konsumentenschützerin Frau Bundesrätin Sommaruga, beraten konkret über die Einführung eines solchen.

Unterstützt wird dies tatkräftig vom Konsumentenschutz der auch eine Angleichung an europäisches Recht fordert – mit einer Widerrufsfrist von 14 Tagen. Selber aber gewährt die SKS in ihren AGB den eigenen Kunden aktuell ein Widerrufsrecht von lediglich 8 Tagen.

Sammlung von Nutzerdaten unter Einsatz von Google Analytics ist nicht deklariert

Datensammeln mit Google Analytics ohne Deklaration
Datensammeln mit Google Analytics ohne Deklaration

Die Website des Konsumentenschutzes sammelt fleissig Daten, mitunter mit dem bewährten Google Analytics – jeder Klick eines Besuchers geht also direkt in die USA wo die Daten gespeichert werden.

Dieser Einsatz ist jedoch in den Datenschutzbestimmungen der SKS nicht deklariert, obwohl der Einsatz von Google Analytics eine solche Deklaration empfiehlt und es als Best-Practice gilt, wie bspw. bei den SBB.

Selbst der eidg. Datenschützer würde da wohl nicht einkaufen wollen, denn er rät vom Einsatz von Google Analytics für Seiten der Bundesverwaltung und wohl auch weiteren „quasi amtlichen“ Seiten ab, zu den wohl auch der SKS gehören dürfte in der Wahrnehmung der Konsumenten.

Abgelaufene Datenschutzzertifikate

Weiter schreibt die SKS selber:

„Die Daten werden absolut vertraulich behandelt und an Dritte nicht weitergegeben“

Gleichzeitig wird auf ein vor Wochen abgelaufenes Zertifikat verwiesen (aktueller Link) das die PCI Security Data Standards der SKS nachweisen soll – die Zahlungen erfolgen jedoch über Postfinance.

 

Fazit

Derzeit den Onlinehandel als „böse“ zu bezeichnen, scheint in Konsumentenschutzkreisen und Medien für Auflagen und Einschaltquoten zu sorgen. Es ist jedoch nicht weniger als ein Zeichen dafür, welche Relevanz und Dominanz der E-Commerce zwischenzeitlich angenommen hat.

Da wäre doch auch der Konsumentenschutz gut beraten, mit gutem Beispiel voran zu gehen und gerade auf der eigenen Site die eigenen – zumindest die sinnvollen – Empfehlungen und gesetzlichen Regelungen korrekt anzuwenden.

Alternativ darf man sich natürlich auch an den praxisnahen goldenen Regeln im E-Commerce des Verbandes der Schweiz. Versandhändler oder Institutionen wie Trusted Shops orientieren.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

11 KOMMENTARE

  1. Die SKS verfolgt zwar oft die Interessen der Konsumenten (solange nicht Interessen von Arbeitnehmern tangiert werden), ist aber finanziell unterdotiert und verfügt über zu wenig Know-how. Zudem ist sie Erpressungsversuchen seitens Lobbyisten/Parlament relativ ungeschützt ausgesetzt. Es ist nachweislich vorgekommen, dass Parlamentarier – sogar solche aus sogenannt liberalen Parteien – der SKS den Geldhahn zuzudrehen versuchten, wenn es um eine Öffnung von Märkten ging.

  2. @Ruedi Stricker: Was wollen Sie damit sagen? Die meisten Online-Händler agieren mit knappem Budget und sehr tiefen Margen. Ist das ein Grund ungenau zu sein? Zu wenig Know-How? Hat nicht grade das SKS einen Ratgeber zum Online-Handel herausgegeben, mit welchem man auch Verkäufer beraten möchte?

    Das SKS hat eine genug starke Lobby im Parlament (inkl. einer Bundesrätin aus ihren Reihen) und de facto eine eigene Fernseh- und Radiosendung (Kassensturz, Espresso). Entsprechend fallen Gesetze und Forderungen aus, welche am Schluss leider die kleinen Unternehmen am härtesten treffen (oder den Konsumenten, der vielleicht auch einen Online-Shop betreibt…).

    Wir sind uns bewusst, dass wahrscheinlich fast jeder Shop rechtliches Verbesserungspotential hat – und der SKS Shop nun exemplarisch dafür herhalten muss. Dieses Beispiel zeigt aber die Problematik einfach in vielen Facetten: Man möchte etwas verkaufen (gutgläubig) und führt einen eigenen Webshop. Man stolpert aber selber über das Dickicht an gesetzlichen Anforderungen, welche man selber in Umlauf gebracht hat. Jeder Shopbetreiber steht potentiell mit dem Gesetz in Konflikt und wenn das Gesetz einmal nicht herhält, ist der SKS nicht weit, dies zu „skandalisieren“.

    Ich hoffe, dass diese Replik etwas Heilsames an sich hat: Weniger gesetzliche Anforderungen, dafür vernünftig bleiben. Damit kann auch der kleine Shop von nebenan mit wenig Mitteln nach allen Regeln des Gesetzes betrieben werden. Damit wäre allen geholfen. Die stete Forderung nach mehr Regeln und Kontrollen hilft niemandem weiter, die stete Polemik um den bösen Händler noch weniger.

    Jetzt ist SKS inhaltlich mal selber ein „böser“ Händler… ist das so schlimm?

  3. Besten Dank für die kritische Prüfung unseres Online-Shops. Die SKS ist als Vertreterin der Konsumenteninteressen sehr aktiv und steht durch ihre häufigen kritischen Äusserungen gegenüber Anbietern und Produzenten unter erhöhter Beobachtung durch dieselben. Wir sind immer dankbar für sachliche Aussensichten und Rückmeldungen.

    Noch diese Woche werden wir unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB (http://www.konsumentenschutz.ch/agb/) auf unserer Webseite bei drei Punkten anpassen:

    – Verlängerung der Widerrufsfrist von 8 auf 14 Tage.
    – Der Link (unter Datenschutz) zur ACI-Zertifizierung ist tatsächlich veraltet und wird angepasst. Weiter unten (unter Shop) ist das Zertifikat bereits aktuell. Es bezieht sich auf wurde fristgemäss verlängert.
    – Deklaration der Web-Analyse über Google-Analytics.

    Zu den anderen Kritikpunkten:

    – „Versandkosten werden erst im Checkout ohne weiteren Hinweis hinzugefügt Stimmt nicht. Die Versandkosten werden im Warenkorb deklariert, der Screenshot von Herrn Lang zeigt nicht das volle Bild:
    http://www.konsumentenschutz.ch/warenkorb/

    – „Fehlende Verschlüsselung“: Auf die Verschlüsselung der Login-Daten wurde im SKS-Shop unter Abwägung von Aufwand und Konsumentennutzen bewusst verzichtet. Die Zahlung erfolgt über die Zahlungsschnittstelle der Postfinance, wo die Daten verschlüsselt übermittelt werden.

    – „Impressum widerspricht UWG“: Unter „Kontakt“ findet man auf der SKS-Website sämtliche gesetzlich geforderten Informationen über die Identität und die Kontaktmöglichkeiten der SKS, inklusive Adresse für die elektronische Post (=E-Mail-Adresse ;)).

    • Danke für die Antwort und die in Aussicht gestellten prompten Anpassungen.

      Kurz folgendes Feedback zu drei Punkten:

      1. Preisbekanntgabeverordnung; die Angabe zu den Versandkosten gehört bereits zur Preisauszeichnung beim Artikel und nicht erst in den Warenkorb bei der Kasse lt. PBV
      2. Impressum; ich verweise auf die juristische Empfehlung „Die Bezeichnung als «Impressum» ist rechtlich nicht zwingend, aber empfehlenswert – genauso wie die gängige Positionierung in der Fusszeile einer Website.“
      3. Fehlende Verschlüsselung; beim Login werden die Anmeldedaten (Username / Passwort) unverschlüsselt zur SKS übertragen und sind damit ohne grosse technische Aufwändungen auslesbar. Man darf davon ausgehen, dass Konsumenten bei konsumentenschutz.ch gleiche Passworte wie anderswo nutzen – bei SKS einfach ungeschützt. Technisch eigentlich ein klares NoGo.

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