“Dynamic Pricing” – und das ungute Gefühl aus Konsumenten-Sicht

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Von Fluggesellschaften kennen wir es alle: Die Preise der Flug-Tickets ändern dauernd!

Je nach Datum variieren die Preise beträchtlich und man weiss nie, ob es sich lohnt möglichst früh oder möglichst spät zu buchen. Es gibt zwar vereinzelt Statistiken, wie viele Tage vor Reisedatum die Flugpreise am günstigsten sind. Da dies aber Durchschnittswerte sind, kann man sich nicht darauf verlassen, dass es auf den einen Flug, für welchen man sich interessiert, auch zutrifft. Der Durchschnitts-Flug-Bucher bucht wahrscheinlich einfach dann, wenn er definitv weiss, wann er fliegen will.

… oder mit anderen Worten: Man hat sich mit damit abgefunden, dass bei Flügen die Preise etwas Willkürliches an sich haben.

Nun hört man immer mehr von dynamischen Preisen – auch in anderen Bereichen, speziell in Online Shops.

Begeisterte Redner an Konferenzen sprechen von quasi unbegrenzten Möglichkeiten. Automatisch können die Preise und Verfügbarkeiten von den Plattform der Konkurrenten heruntergesaugt werden. In schlauen Algorithmen, in welche dann noch eigene Daten (Preise, Bestände, Verkaufszahlen) einfliessen, wird dann DER PREIS dynamisch berechnet (täglich, stündlich oder wie oft auch immer). Wenn das Angebot auf dem Markt knapp und das Produkt gefragt ist, dann will man schliesslich von höheren Margen überdurchschnittlich profitieren.

Was auch immer wieder auftaucht: Personen- bzw. Geräte-abhängige Preise.
Man kann Personen, welche ein iOS-Gerät nutzen, höhrere Preise anbieten, als jenen mit z.B. Android-Geräten, denn schliesslich hätten iOS-Geräte-Nutzer eine höhrere Kaufkraft.

Dies ist irgendwie faszinierend und gleichzeitig hoffe ich, dass ich als iOS-User nie darauf reinfalle.

Als weitere mögliche Einflussfaktoren für dynamsiche Preise werden genannt:

  • Standort des Users
  • Wetter
  • Tageszeit
  • Datum
  • Neukunde / Bestehender Kunde

Ein weiteres sehr hübsches Beispiel aus der stationären Welt: Ein Getränke-Automat, welcher die Preise von gekühlten Getränken abhänig von der Aussentemperatur anpasst. Quelle
Allerdings habe ich dabei nicht verstanden, warum der Preis mit höherer Temperatur sinkt statt steigt.

Diese Möglichkeiten regen aus Berater- und Shop-Betreiber-Sicht zu neuen Ideen und Gedanken an, wie man sonst noch den Preis dynamisieren könnte – besonders wenn man weiss, dass Umsatzsteigerungen von bis zu 30% möglich sind. Quelle

Als Konsument dagegen habe ich gegenüber diesen dynamsichen Preisen ein eher ungutes, genervtes Gefühl  – aber nicht immer!

Zu dieser Konsumenten-Sicht und dem unguten Gefühl habe ich mir einige Gedanken gemacht.
Ich wollte mir die Frage beantworten:
“Was gibt mir denn ein ungutes Gefühl bez. Dynamic Pricing?”

 

Meine Antwort dazu ist recht simpel:
“Ich habe immer dann ein ungutes Gefühl, wenn ich mich verschaukelt fühle!”

 

Das Ganze kann man nun noch differenzierter betrachten, aber am Schluss ist es immer dasselbe:
Die Muster, welche ich aus dem stationären Umfeld kenne, bin ich bereit auch Online zu akzeptieren und mit anderen habe ich Mühe. Dies gilt auch für das – ich nenne es Gerechtigkeitsgefühl, bei welchem man erwartet, dass die Preise für alle Personen gleich sind.

Wenn ich in eine Bäckerei für den Sonntagszopf mehr bezahlen müsste, weil ich ein Veston trage als jener der vor mir steht und ein T-Shirt trägt, dann würde ich mich gewaltig verschaukelt fühlen.

Ich persönlich wäre radikal: Ich würde den Kauf abbrechen und nie wieder in diese Bäckerei gehen. Wenn es die einzige Bäckerei weit und breit wäre, dann würde ich eher den Zopf selbst backen als künftig zähneknirschend auch im T-Shirt einkaufen zu gehen.

Genauso verhält es sich mit der Sache mit den iOS- und Android-Geräten. Es geht gar nicht, dass man als Konsument abhängig vom Gerät einen anderen Preis bezahlen muss! Aus Shop-Betreiber-Sicht kann ich die Überlegungen nachvollziehen (Dollar-Zeichen in den Augen), aber das aus meiner Sicht nicht kalkullierbare Risiko der Kundenverärgerung sollte dann wieder auf den Boden der Tatsachen führen. Beim Beispiel mit dem Bäcker wie auch Online ist es jeweils nur eine Frage der Zeit bis es rauskommt. Social Media sei Dank!

Ähnlich verhält es sich mit anderen Punkten, wie z.B. dem Standort. Es hinterlässt jeweils ein schales Gefühl, wenn man dasselbe Produkt in demselben Online-Shop auf der .de-Seite günstiger findet, als auf der .ch-Seite. Dabei meine ich nicht die üblichen Unterschiede bis ca. 10%, welche es aufgrund des generell höheren Preisniveaus in der Schweiz gibt und für welche man als Konsument ein gewisses Verständnis hat. Ich spreche von Preisunterschieden von mehr als 20% (wenn die MwSt berücksichtigt wird von mehr als 30%) wo es offensichtlich ist, dass mehr Marge abgesahnt werden soll. Auch hier resultiert bei mir: Kein Kauf wenn nicht unbedingt nötig.

Ich bin der Meinung, dass jeder Shop-Betreiber Dynamic Pricing in Betracht ziehen sollte, aber sich dabei genau überlegen muss, von welchen Faktoren die Dynamik abhängig sein soll und vor allem, ob damit Kunden verärgert werden!

Ich habe für mich aus den obigen Überlegungen als Fazit abgeleitet, dass Dynamic Pricing nur in Frage kommt wenn:

  • Möglichst für ALLE die gleichen Preise gelten
  • Keine Risiko eingegangen wird um Kundenverärgerung zu produzieren
  • Transparent kommuniziert wird, dass es dynamische Preise gibt und möglichst noch, wie sie zustande kommen

Noch ein Hinweis: Diese Punkte gelten für nachhaltige Geschäftsmodelle, mit welchen ich mich am liebsten beschäftige. Für halbseidene Businesses gelten evtl. andere Regeln 🙂



2 KOMMENTARE

  1. Sehr gute Denkanstöße zum Thema!

    Gerade durch den no-line – Handel + Social Commerce werden die Effekte von Dynamic Pricing für den Händler langfristig kaum kontrollierbar sein. Ein paar Gedanken angefügt:

    „Es geht gar nicht, dass man als Konsument abhängig vom Gerät einen anderen Preis bezahlen muss!“

    Bei bestellbaren physischen Produkten wäre dies neu, aber bei anderen, virtuellen Produkten, wie z.B. APPs oder Musik ist dieser Preisunterschied auf den beiden marktführenden mobilen Betriebssystemen schließlich schon länger der Fall. Spannend werden hier in der Tat die ersten praktischen Tests.

    Schwierig wird es aus Kundenbindungssicht neben den genannten Aspekten unserer Meinung auch dann, wenn der Kunde genau sieht (z.B. in Preisverlaufsanzeigen bei Preisvergleichsportalen) oder zufällig bei manueller Beobachtung, dass ein Artikel z.B. aktuell 20% mehr kostet als am Vortag. Aus psychologischen Gesichtspunkten (unbefriedigendes Kauferlebnis) wird die Mehrzahl der Kunden wohl warten bis der Preis wieder fällt (Preisalarm-Funktion der Preisvergleichsportale) oder ein anderes vergleichbares Produkt wählen, dass zum Kaufzeitpunkt nahe am niedrigsten Marktpreis notiert, auch wenn es geringfühgig teuerer ist. Die bessere „Preis-Leistung“ wäre somit intuitiv ausschlaggebend.

    Unterschiedliche Preise zwischen Desktop und mobilen Nutzern haben in der Vergangenheit schon für diverse Schlagzeilen gesorgt. Zumal die mobilen Käufer eine niedrigere Preissensibilität aufweisen und dies diverse Onlineshops versucht haben „auszunutzen“. Auf der Dmexco wurde dieses Jahr auch innerhalb einer Studie die hierzu schlüssige Statistik vorgestellt, dass gerade Mobile Nutzer viel konkreter suchen und weniger stöbern. Der konkrete Bedarf soll dann möglichst unmittelbar bedient werden.

    Auch wenn kaufkraftstarke Kunden vermutlich das Thema dynamic Pricing nicht mit der gleichen Emotionalität betrachten wie preissensible Käufergruppen. Das Thema ist aus Kundenbindungs-Aspekten in der Tag höchst problematisch.

  2. Dann wir es wahrscheinlich auch bald Preissimulatoren für Nutzer geben, die ihm dynamisches Pricing anzeigen oder verschiedene Endgeräte und Standorte simulieren bzw. die beste Kombination heraussuchen.

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