Vision Supermarkt 2020 – Teil 1: Die Fläche

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Das Beste aus zwei Welten wird verschmelzen – E-Commerce treibt die Entwicklung im stationären Handel.

Oft schon haben wir in diesem Blog gefordert, dass sich der stationäre Handel neu erfinden muss. Wenig ist geschehen. Gerade werden teils zaghaft, teil euphorisch Multi-Cross-Omni-NoLine-Channel Konzepte eingeführt, dabei wissen wir, Multichannel ist tot- es lebe der Handel.

Bislang hat sich niemand daran gewagt, das heutige Standard-Ladenkonzept komplett neu zu denken. Ich habe mich daran gemacht, eine Vision zu entwickeln, wie der Supermarkt der Zukunft aussehen kann oder gar muss.

Inspiriert von Hointer, die wir schon länger auf dem Radar haben und die kürzlich in Zürich das Konzept nochmals vorgestellt haben, dass sie für Modehändler entwickelt haben: Roboter, Apps und Algorithmen für den Laden der Zukunft.

Das Grundkonzept

Das Prinzip ist „einfach“. Alles was emotional ist und wozu Haptik nötig ist, bekommt Platz und genügend Fläche. Alles was Masse, Ballast etc. ist, kommt weg und wird automatisiert. Das wird von besser skalierbarer Technik oder Robotik übernommen.

Vision Supermarkt 2020 - aktuelles Ladendesign
Vision Supermarkt 2020 – aktuelles Ladendesign

Ein typischer Supermarkt mit Frischeprodukten sieht heute wie nebenstehende Skizze aus.

Im Eingangsbereich Obst und Gemüse, dann Brot und dann vorbei an Kühlprodukten wie Milch etc. hinten zu Fisch und Fleisch.

Der Rest der Fläche ist vollgestopft mit endlosen Regalen wo sich Packungen, Dosen und Tüten Schulter an Schulter reiben und darauf warten, bis sie in den Einkaufswagen gelegt werden.

Und Einkaufswagen können sich kaum kreuzen zwischen den Regalen. Alles wirkt gepresst und auf engstem Raum angeordnet. Dabei gäbe es online ja endlose Regal-Laufmeter, ohne Limitierungen.

Doch dann wird gegen den Onlinekauf von Lebensmittel immer wieder angeführt, dass man Lebensmittel sehen, anfassen und riechen muss. Und das gehe eben online nicht. Darum ist der Lebensmittel-Onlineanteil in der Schweiz noch unter 1%, obwohl die Schweiz weltweit den zweitgrössten pro Kopf Einkauf von Lebensmitteln hat.

Was wollen Sie anfassen können? Sind sie ganz ehrlich mit sich

Was genau wollen Sie sehen, anfassen und riechen, was Sie täglich via Ihren Einkaufswagen nach Hause schleppen?

Sie suchen den physischen Kontakt zu Gemüse, Obst, Brot, Fleisch, Fisch und ggf. noch Käse und andere Spezialitäten.

Doch Sie wollen kaum die Haptik einer Packung Reis, einer Flasche Milch, einer Dose Hundefutter, 20 Rollen WC-Papier, einem Deo-Stick, einer Bratpfanne, einer Tüte tiefgefrorener Pommes etc. erfahren – richtig?

Aber genau so sind unsere Supermärkte. Der Grossteil der Fläche wird dominiert von Ballast.

Raus mit dem Ballast – rein mit den Robotern!

Vision Supermarkt 2020 - zukünftiges Ladendesign
Vision Supermarkt 2020 – zukünftiges Ladendesign

Warum also geben wir dem Sortiment, das wir erleben wollen, nicht mehr Platz?

Inszenieren Obst + Gemüse, zeigen Fleisch und Fisch so foodig wie es geht und machen Backen zum Erlebnis. Ja, wir könnten gar eine Küche vorstellen wo Inspiration mit Live-Cooking oder ähnlichem geboten wird.

Und der Rest, der Ballast? Raus damit!

Der wird während dem Einkauf über Mobile-Devices auf dem Weg zur Kasse ganz einfach virtuell dem Warenkorb hinzugefügt. Der Ballast „versteckt“ sich in viel effizienter genutzter und automatisiert bewirtschafteter „Logistik“ Fläche.

Hinzugefügt werden diese Artikel über geeignete Devices, entweder über Smartphones oder Geräte, die sich direkt am Einkaufswagen befinden und den Frischeeinkauf mit den restlichen Produkten kombinieren.

Digital Signage, Indoor-Navigation mit iBeacons oder auch Plakat-Shopping, wo bspw. coop@home schon mehrfach experimentiert hat, unterstützen den Einkauf von Nicht-Frischeartikeln und können geeignete Impulse setzen.

Ich erwarte davon, dass das Einkaufserlebnis stark verbessert und vereinfacht wird. Dass Emotionen und Inszenierungen in der Fläche wieder möglich sind. auch in kleinen Formaten.

Und die Flächenproduktivität kann potentiell gar gesteigert werden, da auch in kleineren Formaten durch die neue Aufteilung grössere Sortimente möglich sind – der Long-Tail am POS. Zudem können über Algorithmen und Empfehlungsmechanismen – und damit Knowhow aus dem E-Commerce – auch offline die Warenkörbe gezielt gestärkt werden.

Und wie kommt der Kunde nun zu den Artikeln?

Welche Rolle nun die heutigen Konzepte von coop@home oder LeShop spielen können im Supermarkt 2020 lesen Sie morgen im Teil 2: Das Fulfillment.

 

Also, welcher innovative Detailhändler will mit uns die Vision zu Ende denken und hat den Mut, seine Flächen effizienter zu nutzen und nahtlos mit dem Onlinekanal zu verschmelzen?

Wir freuen uns über einen angeregten Austausch – Sie erreichen uns online oder auch mal ganz klassisch via Telefon.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

8 KOMMENTARE

    • Ob verpackt oder unverpackt ist dann eine Form der Ausprägung. Frischeprodukte könnten primär unverpackt sein, ob sie im Logistik-Teil verpackt oder unverpackt sein werden, ist eine Frage der Umsetzung und Nachfrage.

  1. Gar kein schlechtes Konzept. Wenn man dann noch angemeldet ist in einem Art Onlineshop kann man sich die Produkte in den Einkaufswagen legen und dann vor Ort abholen und sie die frischen Sachen noch dazu holen oder dann direkt liefern lassen.

  2. […] Ein Beispiel hierzu wäre, die Fläche nicht mehr vollzustopfen mit Varianten wie Farben und Grössen, sondern ein Produkt ausgeprägt leidenschaftlich zu inszenieren und die Varianten über intelligente Logistik-Komponenten im Schnellzugriff verfügbar zu machen. Der viel besagte Warendruck kann auch hier neu definiert und gespielt werden (ähnlich unserer Vision Supermarkt 2020 – Teil 1: Die Fläche). […]

  3. nun knapp 2 Jahre später, was hat sich im Markt verändert, d.h. sind die Detailhändler auf den Zug aufgesprungen und haben sie ihre Konzepte angepasst?

    • …leider nein. Konzeptanpassungen sind kaum zu beobachten und ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Zukunft in diese Richtung gehen wird. Aber es warten mal alle, bis sich einer bewegt. Und dann rennen alle…

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