EXPO 2015 – So soll also der Supermarkt der Zukunft aussehen?

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Der Future Food District #ffd

Das ist natürlich ein verheissungsvoller Name – So ist das Areal mit 6’500 m2 welches von Coop Italien auf dem Gelände der EXPO 2015 in Mailand betitelt.
Stolze 15 Mio. Euro hat sich das Coop Italy kosten lassen und Bestandteil hiervon ist ein 2’500 m2 grosser Supermarkt der „Zukunft“ mit 1’500 ausgewählten Produkten.

Gemeinsam mit Forschern des  SENSEable City labs vom MIT soll dort den Besuchern eine neue Einkaufswelt hinsichtlich Präsentation der Ware als auch die Integration von Daten zu den Produkten dargestellt werden. So zumindest die Ankündigung. Hiezu mehr in meinem Fazit am Ende des Beitrages. Zunächst mal einige Informationen.

Der Besuch auf der EXPO

Letztes Wochenende war ich auf der allgemein sehr sehenswerten EXPO in Mailand und habe mir den Supermarkt natürlich auch angesehen. Nach einem im Vergleich zu den Länder-Pavillons kurzen Wartezeit kommt man in das auch in der 2. Reihe nicht zu übersehende Gebäude:

Aussen

Nachdem man zunächst über einige Treppen in die gefühlt 2. Etage steigen muss um dann im Inneren des Supermarktes in Richtung Kasse wieder nach unten zu laufen hat sich mir nicht erschlossen.

Neue Anordnung von Produkten

Was sofort auffällt, ist die Anordnung der Produkte – keine wenig Regale wie man sie kennt, sondern eher an einen Markt mit einer aufsteigenden Anordnung. Über den nach Sortimenten geordneten Inseln fallen die Displays mit Informationen zu den Produkten sofort auf.

Übersicht

 

Spieglein, Spieglein an der Wand

So hat man wie beim u.s. Weinregal die angebotenen Produkte mit Bild, Preis und Zusatzinformationen im „Blick“. Dies nur soweit, wie man auf den extrem spiegelnden Displays was erkennen kann. Die Schrift ist schon lesbar, jedoch spiegelt alles drumherum so stark, dass man wirklich Probleme hat, da etwas vernünftig zu lesen. Da haben sich scheinbar Designer zu lasten der wirklichen Nutzbarkeit durchgesetzt. Bestimmte Inseln (wie diese Wein-Insel) haben keine interaktiven Elemente.

 

Wein

 

Touch me!

Andere Inseln haben an der Front ein Touchdevice (Tablet) auf welchem man zusätzliche Informationen zu den in der Nähe liegenden Produkten abrufen kann. Herkunft und Nährwertangaben oder auch z.B. dem CO2 Fussabdruck der Produkte stehen dabei im Vordergrund. Wirklich Spass macht es nicht, da die Touchfunktionalität mit einiger Latenz und recht ruckelig daher kommt. Ob die Informationen auf dem Tablet noch irgendwie mit den darüber befindlichen Displays korrespondieren, habe ich dabei dann gar nicht mehr beachtet.

TouchAlternativ zu den Inseln mit der Bedienung und Information über die Tablets gab es noch die Variante mit Kinect-Steuerung der oben angebrachten Displays. Dort waren tatsächlich X-Boxen verbaut und weder mir noch einem Pulk interessierte Asianten ist es gelungen, irgendeine sinnvolle Aktion bzw. Information auf dem Screen zu erzeugen. Kollektives wildes gestikulieren als Erlebniskomponente ist dann doch leider nicht so geeignet.

 

Nichts für grosse

Einige Regale haben Displays mit Touchfunktion an der Seite des Regals – Leider jedoch recht weit unten angeordnet was z.B. Rollstuhlfahrer sicher begrüssen werden. Aber mit meinen 1.85m war die Bedienung insbesondere bei den weiter unten angeordneten Produkten sehr anstrengend. Auch hier war die Anzeige sehr langsam und ruckelnd. Man kann ein Produkt anwählen und mit einiger Animation versehen werden zusätzlich Informationen angezeigt. Aber diese Form der Präsentation ist sehr gewöhnungsbedürftig. Bis man für ein Produkt einen Preis gefunden hat ist eben anders als heute, wo dieser direkt beim Produkt angebracht ist und nicht nebenan auf einem Bildschirm. Wenn man ein Produkt auswählt, wäre ein Licht oder irgendein Signal am Produkt noch praktisch, um so zu sehen, dass man wirklich das richtige Produkt ausgewählt hat.

regal-seitlich

Maschinen sollen bedienen

Als lustiges Add On sind bei einer Präsentationsinsel Roboter installiert, die die Bedienung ohne Menschen simulieren sollen. Leider ist es nur ein Simulieren – diese bewegen sich zwar, aber ohne jeden erkennbaren Zweck. Aber es gibt dem Betrachter im Ansatz eine Idee, dass so etwas dann eben sein könnte. Und der Hersteller dieser Roboter hat noch eine Werbefläche…

Roboter-2

 

Schwach im Abgang

Durch den erhöhten Eingang läuft man über verschiedene Ebenen in Richtung Ausgang und Kassen nach unten. Warum man solche terrassenartige Anordnung gewählt hat, erschliesst sich dem Besucher leider nicht. Ist man auf einem der unteren Plateaus, und hat noch etwas vergessen, dann muss man eben wieder nach oben laufen – hier dann nur mit einem Körbchen in der Hand, in einem echten Betrieb dann mit Einkaufswagen. Schöne, schräge Welt.

Die Kassen sind Selbstbedienungskassen, wie man sie auch heute schon in Supermärkten kennt. Hier und da ist Personal vorhanden, welches einem bei der Bedienung der Terminals zur Hand geht. Die Produkte werden gescannt und man kann in diesem Fall nur mit Karten zahlen.

Kurz vor dem Ausgang war dann noch eine Station von DHL um sich seinen Einkauf dann doch liefern zu lassen. Dies ist natürlich der Ausstellung geschuldet, da man ja nicht seinen Einkauf noch über das riesige Messegelände schleppen möchte. Ob das dann in Zukunft dann immer auch so sein soll, man erfährt es leider nicht.

Wie ein Besuch in der bunten „Werbewelt“ aussieht, zeigt dieses Video:

Fazit: Ein Satz mit X

Das war wohl nix.
So zumindest lautet mein Fazit. Einem unbefleckten Besucher mag das ja noch ansatzweise beeindrucken, aber solch ein Supermarkt wäre schon dieses Jahr eigentlich überholt. Die Eingesetzten Technologien sind nun nichts besonderes mehr und die Umsetzung ist definitiv nicht gelungen. Die Usability wird die Conversion-Rate definitv negativ beeinträchtigen – was man in einem Supermarkt auch erst einmal schaffen muss.

Schlimm finde ich, dass Themen die aktuell schon probiert oder zumindest diskutiert werden, keinerlei Verwendung gefunden haben. Vermisst habe ich z.B.:

  • Integration von meinem mobilen Device z.B. über eine App
  • Führung zum richtigen Produkt z.B. mit Beacon-Technologie
  • Anzeige von Social-Signals wie. z,B. Produktbewertungen
  • Abrufen von weiteren Informationen „zum Mitnehmen“ auf meinem mobilen Device
  • Rezepte auch zum Mitnehmen – nicht nur zur Anzeige dort
  • Anzeige des „Warenkorbes“ als Wert an meinem Warenkorb oder auf meinem Device
  • Ein NFC basierender Kassenprozess – Ohne Scannen von Strichcodes
  • Eine Erweiterung der Ladenfläche über eine Lagerfläche mit entsprechender Logistikfunktion
    Siehe hierzu auch unsere Vision vom Supermarkt 2020

Eine Weltausstellung im eigenen Land und ein Gesamtinvestment von diesen Dimensionen hätten mehr erwarten lassen. Aber das zeigt das Dilemma des stationären Handel mit der Ideenlosigkeit oder dem reinen Unvermögen wieder einmal deutlich auf. Nach wie vor sind wir davon überzeugt, dass die besseren Konzepte von den Onlinern her kommen werden, bzw. mehr online Gedacht sein müssen. Sonst findet in dem Fall keine Innovation oder diese nur als Mittel zum Zweck statt.

Über die Zukunft des online Lebensmittelhandels werden wir mit den Geschäftsleitern von Coop@home und Leshop an der Connect-Konferenz am 10. Juni im Kaufleuten in Zürich diskutieren. Einige Tickets sind noch erhältlich.

Aber einen Besuch wert

Die EXPO kann ich nur empfehlen – das ist schon ein Erlebnis. Und den Supermarkt empfehle ich allen, die zu Supermarktpreisen etwas zu essen oder zu trinken kaufen wollen. Ein Liter Fruchtsaft wird dort für EUR 1.45 verkauft. Dafür bekommt man an den Food-Ständen die sehr zahlreich auf dem Gelände sind, gefühlt erst den leeren Becher 😉

 

Die Bilder sind alle von mir erstellt und können mit einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz verwendet werden.


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