Die Swisscom war ja die letzten Wochen zu einigen Themen direkt oder indirekt in den Medien aber auch bei uns im Blog im Gespräch. Der Launch des in Kooperation mit Coop gegründeten Marktplatzes Siroop und die Übernahme der Mehrheit an Mila seien dabei nochmals erwähnt.
In diesem Zusammenhang ist aber ein Dienst der Swisscom, nämlich deren bereits im Jahr 2000 gestarteter B2B Marktplatz Conextrade, auch mehr als erwähnenswert.
Nun könnte man diese Meldungen und Plattformen natürlich einzeln und losgelöst betrachten:
Connextrade – Der führende B2B Marktplatz in der Schweiz
Conextrade dürfte der mit Abstand grösste horizontale B2B Marktplatz der Schweiz sein. Neben der Abwicklung von Handelstransaktionen wird hierbei z.B. alles rund um E-Invoicing und vielen weiteren Services abgedeckt. Mehr als 1‘000 Handelspartner (PDF Liste) sind dort angeschlossen und gemäss eigenen Angaben existieren so über 23‘000 Geschäftsbeziehungen. Zu den Transaktionsvolumen lässt sich nichts Konkretes finden (siehe Update unten) und somit können die damals zum Start gesteckten Ziele leider nicht validiert werden. Angekündigt waren damals zumindest Investitionen eines zweistelligen Millionenbetrags um dann bereits ein Jahr später ein Volumen von CHF 200 Mio. zu bewegen und Umsätze im zweistelligen Millionenbereich zu realisieren.
Spannend wäre es natürlich zu wissen inwieweit die Erfahrungen aus dieser Zeit dann eine Rolle bei den Investitionsentscheidungen für einen Start von Siroop gespielt haben. Auch wenn dies natürlich überhaupt nicht vergleichbar wäre. Auf jeden Fall sprechen wir hier von einer der führenden Plattformen im Schweizer E-Business – Die Rohstoffhändler in Zug blenden wir bei dieser Betrachtung aufgrund des anderen Kontexts bewusst mal aus.
Siroop – Der neue B2C Marktplatz in der Schweiz
Siroop und deren Start haben wir hier im Blog schon beschrieben. Das Ziel im B2C Bereich den führenden Marktplatz in der Schweiz zu etablieren ist sicher ein hochgestecktes und natürlich nicht mit kleineren Investitionen machbar. Ricardo hat sich mit seiner Ricardoshops-Plattform daran ja schon die Zähne ausgebissen und verharrt nach der Übernahme durch Tamedia aktuell noch quasi führungslos gefühlt in einer Schockstarre. Ein guter Moment um ein solch ambitioniertes Projekt zu starten und vom Vorgehen als auch bei der Technologie neue Wege zu gehen.
Jochen Krisch hatte es bei sich im Blog auch schön beschrieben, dass es durchaus sinnvoller ist, selber eine Plattform aufzubauen, als sich für einen horrenden Preis sich das ganze Ricardo Ökosystem ans Bein zu binden. Entscheidend wird sein, was Coop und Swisscom bereit sind an Zeit und vor allem Geld zu investieren. Aber auch muss Siroop nun zeigen wie schnell sie mit ihrem agilen Vorgehen nicht nur für eine solche Plattform nötige Standards einführen können, auch sind hier noch Innovationen nötig um z.B. eine führende Rolle insbesondere im mobilen Bereich einnehmen zu können. Was mobile gerade für Ansätze anstehen, ist bei Zalando gerade massiv zu sehen.
Standardfeatures sind nur ein Komponente – technische und vor allem mobile fokussierte Initiativen eine andere. Weil wichtiger ist das onboarding von Anbietern und dann die grosse Aufgabe der Kundengewinnung. Dann haben wir aber über nötige Innovationen innerhalb des Geschäftsmodells oder von neuen Ansätzen im Bereich Content, Community oder Cross-Channel Mechaniken noch nicht gesprochen.
Mila – Die Collaborative-Service Plattform
Mila ist ja nicht neu im Swisscom Universum. Schon länger existiert dort eine Zusammenarbeit und diese ist mit den Swisscom Friends als Support-Community auch für jeden sichtbar. Neu ist die Übernahme der Mehrheit an Mila und das Einsetzen eines neuen CEO aus dem Hause Swisscom. Mila hat sich in den letzten 24 Monaten von einem C2C orientieren Shareconomy Ansatz immer stärker hin zu einem Mittler von Serviceleistungen für Kunden von grösseren Unternehmen wie eben Swisscom, Vodafone oder einer EWZ gewandelt. Diese Veränderungen klangen bei Mila Gründer, Manuel Grenacher, bereits 2013 in einem Interview mit mir durch.
Auch nicht sofort auf der Seite sichtbare Kooperationen wie jüngst von Brack bekanntgeben und von uns beschrieben zeigen die Richtung an, in die sich Mila weiter entwickelt. „Wir möchten das Uber für Services werden“ hatte der neue CEO Chris Viatte kurz nach seinem Antritt gesagt. Eine Crowd basierte schnelle „Eingreiftruppe“ die bei Mila nach eigenen Angaben schon aus 1‘500 Helfern besteht und so Unternehmen und ihren Kunden zur Verfügung gestellt werden kann. Wenn wir den Blick in andere Märkte werfen, dann wird schnell klar, dass Services, egal wie organisiert gerade bei den Elektronik- und auch Weisswaren-Händlern ein heisses Thema sind. Differenzierung und Kundenbindung sind hierbei Aspekte, die die Anbieter dazu bewegen auch in neuen und auch kollaborativen Konzepten zu denken. Sicher eine spannende Ausgangslage für Mila.
Die einzelnen Initiativen sind nur eine Sicht der Dinge!
Jeder dieser Plattformen ist für sich schon entweder mächtig oder zeigt spannende und zukunftsweisende Aspekte auf. Jetzt mal unabhängig vom jeweiligen Status bzw. des Entwicklungsstandes.
Viel wichtiger erscheint es aber, diese mal in einem Zusammenhang zu bringen:
Wenn wir also diese Plattformen nicht für sich alleine und nebeneinander existierend, sondern als sich überlappende Modelle betrachten, dann ist es sehr offensichtlich, welche Möglichkeiten sich auch diesen Schnittstellen ergeben könnten. Natürlich immer vorausgesetzt, ein Siroop wird seine Rolle wie geplant einnehmen können (Dauern wird dies auf jeden Fall noch eine Weile).
Die Synergien zwischen den einzelnen Plattformen könnten sehr mächtig und vielschichtig werden. Unternehmenstransaktionen und Zahlungsströme (von allen an den 3 Plattformen involvierten Unternehmen) werden von Conextrade organisiert. Der Weg zum Endkunden auf der Siroop Seite kann ermöglicht und gesteuert werden und alle können auf Dienstleistungen, Support & Services von Mila zurückgreifen. Da können sehr starke Synergien und Plattform- und Netzwerkeffekte entstehen. Aber für diese Netzwerkeffekte müsste Siroop oder gar noch eine weitere Plattform oder Service noch stärker eine Social-DNA in solch ein Konstrukt bringen. Aber auch schon so kann man sich in verschiedensten Facetten ausmalen, welche spannende Themen im roten „?“ so alles entstehen könnten. Nicht nur dort, schon die einfachen Schnittstellen bieten grosse Potentiale.
Selbstverständlich hat die Swisscom z.B. auf der technischen bzw. Infrastruktur-Seite noch ganz viele weitere Themen, die sich mehr oder weniger stark in solche Strukturen einbetten liessen. Aber das würde den Rahmen hier dann vollkommen sprengen.
In neuen Modellen denken ist gefragt!
Ob Swisscom so denkt, oder doch eine andere und weniger kombinierte Agenda hat bleibt ungewiss. Daher an dieser Stelle mal der Impuls sich so etwas mal vorzustellen und mindestens gedanklich mit den potentiellen Möglichkeiten zu spielen. Meiner Meinung nach sollten das auch andere Player im Schweizer Markt ebenfalls tun. Auch über Konzerngrenzen hinweg – denn Kooperationen mit neu gedachten Kombinationen könnten eben Plattformen in der Schweiz schaffen, die es ausländischen Anbietern zumindest schwerer machen würden, den Schweizer Markt einfach so abzuräumen.
Speziell die die angeschlagene Schweizer Fashion-Branche sollte doch mal über neue Modell und Kooperationen nachdenken. Denn auf dem Rücken liegen und mit den Beinen strampeln, hilft leider auch nicht gegen Zalando und andere Anbieter aus dem Ausland. So können diese den online Markt Schweiz ganz entspannt abräumen. Und nicht nur den online Markt.
Wer sich in Hinblick auf Modelle noch Inspiration holen möchte, dem sei dieser Betrag empfohlen. Wer Diskussionen zu den einzelnen Anbietern und auch Plattformszenarien aus erster Hand hören und erleben möchte, der sollte sich den 11. Mai im Kalender eintagen. An der E-Commerce Connect Konferenz werden wir uns wie gewohnt mit vielen Protagonisten des Schweizer aber auch des Deutschen Handels austauschen.
Update vom 14.12
Gemäss einer Newsmeldung vom 8. Juli 2015 werden auf Conextrade Transaktionen im zweistelligen Milliardenbereich realisiert. (Beschaffungs- und Rechnungstransaktionen)