Zusammen mit Stephan Meixner von Neuhandeln und zahlreichen weiteren Personen aus der Branche bin ich seit vielen Jahren Mitglied der Jury im deutschen Shop Usability Award.
Mir ist es bei der Jurierung ähnlich ergangen wie Stephan, der verdankenswerterweise in seinem Blog 3 Todsünden bei den Shop identifiziert und beschrieben hat.
Gerne geben wir seine Erkenntnisse bei uns mit freundlicher Genehmigung wider:
Am 22. September wird in München der diesjährige “Shop Usability Award” vergeben, mit dem bereits seit neun Jahren gelungene Online-Shops ausgezeichnet werden. Da ich die Preisverleihung erneut als Jury-Mitglied unterstütze, durfte ich mir in diesen Tagen rund 50 nominierte Online-Shops einmal im Detail ansehen.
Dieses Erlebnis war bisweilen aber recht ernüchternd, da viele Shop-Betreiber meiner Meinung nach oft dieselben Fehler begehen und damit letztlich Umsatz verschenken dürften:
Todsünde Nummer 1: Der Online-Shop ohne Angebot
Was sollte die primäre Aufgabe eines Online-Shops sein? Richtig: Das Verkaufen. Sollte man zumindest meinen. Denn anscheinend sehen das einige Marktbegleiter inzwischen anders. So hat im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Online-Shops bei den Nominierten stark zugenommen, die Verbrauchern gar nichts verkaufen wollen – zumindest auf den ersten Blick.
So begnügen sich immer mehr Shopbetreiber damit, auf ihrer Startseite lediglich ein großformatiges Foto auszuspielen. Bestes Beispiel für diesen kuriosen Trend ist die Twelve Thirteen Jewelry GmbH, wie auf diesem Screenshot zu sehen ist:
So ein großes Visual mag zwar hübsch anzusehen sein, abraten würde ich dennoch Händlern von solchen Formaten. Denn bei “Twelve Thirteen” muss man zunächst einmal nach unten scrollen, um überhaupt die einzelnen Kategorien des Online-Shops zu sehen. Und auch hier sieht man die einzelnen Angebote erst, wenn man eine dieser vorgeschlagenen Rubriken auswählt (“Damen-Armbänder”).
Einen Preis kommuniziert der Händler selbst auf diesen Seiten allerdings auch nur, wenn man direkt mit der Maus über einzelne Angebote fährt. Ist das sinnvoll? Wohl kaum. Auch wenn der Vergleich hinken mag: Bei gedruckten Katalogen nutzen erfahrene Versender direkt die Titelseite, um erste Angebote zu platzieren.
Denn so schürt man Neugierde und bringt den Kunden im Idealfall zum Bestellen. Wer dagegen seine Angebote hinter großen Bildern im Online-Shop versteckt, erschwert das Bestellen – und verrärgert eventuell Kunden, die vielleicht einfach nur kaufen wollen.
Todsünde Nummer 2: Der Online-Shop ohne Kaufanreize
Bei Print-Katalogen hat sich im klassischen Versandhandel über Jahrzehnte die so genannte “Vorteilsargumentation” bewährt. Das bedeutet: Versender nennen dem Kunden an prominenten Stellen wie der Rückseite handfeste Gründe, warum der Konsument denn nun ausgerechnet bei ihnen sein Geld liegen lassen sollte.
Das ist auch im E-Commerce sinnvoll. Schließlich ist hier der Wettbewerb noch härter, da Kunden direkt online Preise vergleichen und Shops nach Belieben wechseln können.
Doch warum sagen dann so viele Online-Händler ihren Shop-Besuchern nicht, warum sie denn nun bei ihnen kaufen sollen? So verkauft etwa die Spreewood Distillers GmbH über den Online-Shop “Lufthansa Cocktail” vorgemixte Cocktails, die man abgefüllt in Flaschen kaufen kann.
Warum das der Kunde tun sollte, verrät man aber nicht. Zwar wird auf der Startseite mit dem Zusatz “First Class Cocktails – ready to serve” geworben, was das Angebot bereits ein wenig beschreibt. Doch auf den Produktseiten fehlen dann typische Kundenvorteile, die eine Kaufentscheidung erleichtern (siehe Screenshot).
Mögliche Anreize wären etwa der Kauf auf Rechnung (falls angeboten), eine kurze Lieferzeit, keine Versandkosten oder kein Mindestbestellwert. Wie man es besser macht, zeigt stellvertretend der ebenfalls nominierte Online-Shop Schulranzenwelt.de, wo am Seitenkopf prominent mit einer schnellen Lieferung und versandkostenfreier Bestellung ab 49 Euro Warenwert geworben wird.
Todsünde Nummer 3: Online-Shops ohne Alleinstellungsmerkmal
Eine Vorteilsargumentation ist umso wichtiger, je unbekannter ein Shop oder eine Marke ist. So könnte man beim Cocktail-Shop noch argumentieren, dass die Marke “Lufthansa” an sich bekannt ist und die Zielgruppe die Cocktails kennt (wobei ich auch hier entgegnen würde, dass der Online-Shop sich genauso an neue Kunden richtet und diese mit handfesten Argumenten überzeugen muss).
Vor diesem Hintergrund ist es besonders schlimm, dass auch kleinere Online-Händler keinerlei Anreize für Kunden kommunizieren. So fehlen etwa in dem auf italienische Delikatessen spezialisierten Online-Shop Viani.de jegliche Hinweise zu klassischen Kundenvorteilen.
Noch schlimmer aber ist, dass nicht einmal das Besondere des Shops kommuniziert wird. So fehlt zum Beispiel eine Unterzeile beim Shop-Logo, die das Angebot treffend umschreibt (Beispiel: “Ihr Spezialist für Feinkost aus Italien”).
Stattdessen erweckt die Startseite des Online-Shops bei mir zunächst den Eindruck, dass man hier vielleicht auch Geschirr kaufen könnte – schließlich werden ja Teller und Gabeln prominent platziert:
Sein Alleinstellungsmerkmal kehrt auch der Fashion-Shop Armed Angels unter den Teppich. Denn hier setzen sich die Macher bei der Textilproduktion nach eigenen Angaben unter anderem für faire Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung ein. Das erfährt man im Online-Shop in dieser Form aber erst, wenn man den Menüpunkt “Philosophie” auswählt.
Ansonsten wirkt der Online-Shop auf den ersten Blick wie ein ganz normales Fashion-Angebot (siehe Screenshot unten) – von denen man sich aber ja eigentlich genau abheben will. Wie es besser geht, zeigt der Öko-Versender Grüne Erde.
Hier steht direkt unter dem Logo der Zusatz “Seit 1983 ökologisch und fair”, der nicht nur das Angebot treffend beschreibt, sondern durch den Zusatz “seit 1983” bei Neukunden auch Vertrauen schaffen sollte – da die Ziffer zwischen den Zeilen ja sagt, dass der Kunde hier bedenkenlos einkaufen kann.
Was bleibt also als Fazit nach zahlreichen Shop-Sichtungen in diesem Jahr? Es gibt noch viel zu tun. Einerseits ist es durchaus mutig, dass sich viele Händler von den etablierten 08/15-Shopdesigns emanzipieren. Andererseits sollte man nicht den Kunden aus den Augen verlieren, den man ja letztlich von einem Kauf überzeugen muss.
Klassische Stilmittel wie beschreibende Unterzeilen oder eine Vorteilsargumentation können hier helfen, sind aber sich auch nicht der Heilsbringer. Denn wenn ein Händler nur Standard-Services wie versandkostenfreie Lieferungen anbietet, hat er es auch mit einer Vorteilsargumentation schwer – denn Wettbewerber können ja ähnliche Leistungen bieten.
Fazit: Es gibt im E-Commerce noch viel zu tun
Ein Killer-Argument sind für Kunden daher exklusive Produkte, die es bei keinem anderen Händler gibt – nur sollte man das als Shop-Betreiber dann auch so kommunizieren, wenn man schon so einen Wettbewerbsvorteil hat. Doch leider verschweigen Online-Händler oft ihre Alleinstellungsmerkmale, verzichten auf handfeste Kaufanreize oder verlieren sich in bunten Bildern.
Dazu werden generell oft Erfolgsregeln aus über 20 Jahren Webdesign ignoriert. So liefert etwa der Online-Shop Viani am Ende seiner Startseite den kuriosen Hinweis, dass es ab hier interessant werde (siehe Screenshot oben).
Hier wird die Above-the-fold-Regel ignoriert, nachdem besonders wichtige Informationen noch vor dem ersten Scrollen zu sehen sein sollen. Der Anbieter muss sich auch generell fragen, warum er die interessanten Informationen nicht am Anfang platziert – wenn sie für Kunden doch so wichtig sind.
Verliehen wird der “Shop Usability Award” am Donnerstag, 22. September im Gloria-Filmpalast in München. Tickets für die Gala können Interessenten für 249 Euro (zzgl. MwSt.) online hier kaufen.
Das hätte ich nie geglaubt: Dass in einem neuen Kanal uralte Lehren derart vernachlässigt werden. Könnte es sein, dass man diese Projekte einfach an die IT delegiert hat, weil Marketing und IT sowieso nicht miteinander reden?