So früh habe ich wohl noch nie die Winterräder montieren lassen wie dieses Jahr, aber es passte gerade. Und im persönlichen Gespräch schätze ich jeweils die Möglichkeit, den Marktteilnehmern auf den Zahn zu fühlen und mehr über aktuelle Gegebenheiten zu erfahren.
Heute ein spannendes Gespräch gehabt mit einem unabhängigen Pneu-Händler -Montagepartner. Er erklärte mir, wie sich sein Geschäftsmodell in den vergangenen 5-6 Jahren radikal veränderte.
Früher trug der Verkauf von Reifen rund 50% zum Deckungsbeitrag bei. Heute verkauft man kaum noch einen Satz Reifen. Der Ertrag kommt nur noch von der Montage online gekaufter Pneus.
Er war einer der ersten, der für Onlineplattformen wie Reifendirekt oder Pneudiscount montierte. Heute werden (in seinem Einmann-Betrieb!) zwischen 40 bis 80 Reifen täglich angeliefert, allesamt von Onlinehändlern. Selber verkauft er kaum noch einen Satz Reifen. Und wenn, dann nur Einzelreifen bei Beschädigungen.
Es sind vor allem die beiden erwähnten Plattformen, welche in der Schweiz die Nase vorn haben. Dann wird der Markt fragmentierter und es mischen auch viele Kleinst- und Hobbyhändler mit, teilweise mit fragwürdigen Geschäftsmodellen. Da komme schon mal ein Satz Reifen, dessen 4 Pneus alle ein unterschiedliches Produktionsjahr hätten, was sich nicht nur auf die Qualität sondern vor allem Sicherheit und Abnützung auswirke.
Der Reifenmarkt ist in den vergangenen Jahren gründlich disruptiert worden und wird heute von Onlinehändlern verschiedenster Schattierungen beherrscht wie auch von den grossen Herstellern sowie weitestgehend über augenscheinlich unabhängige Pneuhändler* kontrolliert. Verdient wird nur noch, wo effektiv Wertschöpfung entsteht. Also beim Service wie Montage, Entsorgen, Aufbewahren etc.
[bctt tweet=“Bei Autoreifen wird nur noch verdient, wo effektiv Wertschöpfung entsteht.“ username=“carpathia_ch“]
Delticon: mit Reifen und Food auf dem Weg zum Milliarden-Unternehmen
Branchenprimus ist unangefochten Reifendirekt, dessen Betreiber Delticom im vergangenen Jahr global einen Umsatz von knapp EUR 560 Mio. erzielte und dieses Jahr EUR 600 Mio. anvisiert. In der Schweiz wird der Umsatz auf etwa CHF 53 Mio. beziffert.
Reifendirekt lässt sich auch nicht gerne die Butter vom Brot nehmen und hat sich über Akquisitionen in der Vergangenheit auch schon mal einem Verfolger entledigt (Reifendirekt übernimmt Tirendo).
Im Bezug auf den Reifenhandel zeichnet sich laut der Delticom Investoren-Präsentation (PDF) eine Sättigung des Wachstums ab. Und so sollen die nächsten signifikanten Wachstumsschübe über die Akquisitionen im Bereich Automotive und vor allem eFood stattfinden.
*) Who’s’Whom im Schweizer Reifenhandel:
Der vermeintlich unabhängige Reifenhandel / -partner Markt scheint fest in der Hand der Hersteller. Die bekanntesten und führenden Marktteilnehmer sind:
- Pneu Egger (100% Tochter von Continental)
- Adam Touring (100% Tochter von Continental)
- Premio (100% Tochter von Good Year)
- Weitere? Gerne in den Kommentaren vermerken