Unter dem Titel „Sind das die 100 grössten Amazon-Händler Deutschlands?“ sind die Plattformen Online-Marketing Rockstars (OMR) und Gründerzsene der Frage nachgegangen, wer besonders erfolgreich auf Amazon in Deutschland verkauft.
Basis ist die Analyse von Marketplace Pulse, welche die 100 grössten Amazon Marketplace-Teilnehmer aufgrund ihrer Bewertungen listet. Da Amazon keine Händlerumsätze bekannt gibt, dienen die Ratings als Grundlage für dieses Ranking, wie der OMR-Redakteur Martin Gardt zusammenfasst:
Bewertungen bieten jedoch einen Anhaltspunkt für den Vergleich von Händlern untereinander. Denn alle Amazon-Händler haben ein Interesse an vielen (guten) Bewertungen für ihren Service, weil diese dadurch in den Suchergebnissen weiter oben auftauchen.
Allerdings kann eine solche Liste nicht die Umsätze der Händler bewerten, sondern nur einen ungefähren Eindruck vom Volumen der Verkäufe.
Spitzenplätze für Re-Commerce
Auf den beiden vordersten Plätze des Rankings finden sich die beiden deutschen Re-Commerce Plattformen Medimops (Momox) und reBuy mit gebrauchten Büchern, Videogames, Filmen und Smartphones. Auf Platz drei die Amazon Eigenmarke Warehouse Deals welche Lagerbestände, Rücksendungen und B-Ware verkauft.
Die weiteren Händler in den Top-10 verkaufen allesamt Produkte im Wert von EUR 10 bis 40 aus den Sortimenten Computer- und TV-Zubehör, Filme (BluRays, DVDs), Musik-CDs und Bürobedarf.
In den Top-100 des Rankings finden sich 4 Schweizer Händler, der erste davon ist Dodax auf Platz 5, der früher auch unter dem Namen Seleso bekannt war.
Schweizer mischen ganz vorne mit
Alle vier Schweizer in den Top-100 der deutschen Amazon Marketplace-Händler weisen eine verblüffende Gemeinsamkeit auf:
- Sie verkaufen Filme und/oder Musik
- Ihr Geschäftssitz ist in einem steuergünstigen Kanton in der Innerschweiz
- In der Schweiz sind sie wenig bekannt
Folgende vier Schweizer Medien-Händler finden sich in der vorderen Hälfte der Top-100 der deutschen Amazon-Marketplace Verkäufern:
- dodax-shop auf Platz 5 mit folgendem Amazon-Profil
- zoreno-deutschland (CH-Unternehmen) auf Platz 10 (Amazon Profil)
- nagiry auf Platz 17 (Amazon Profil)
- uniqueplace auf Platz 47 (Amazon Profi)
Der „Trick“ mit der Freigrenze
Es ist wohl wenig Zufall, dass sich gleich vier Schweizer Händler unter den Top Amazon Verkäufern finden. Und allesamt mit ähnlichem Sortiment. Doch es ist wohl nicht das Sortiment, dass dieses Geschäft so attraktiv macht sondern, dass deren Produkte in der Regel weniger als EUR 22 kosten.
Der Deutsche Zoll kennt sogenannte „Sendungen mit geringem Wert“ oder anders gesagt, Sendungen an deutsche Kunden aus einem Drittland mit einem Wert von weniger als EUR 22 sind von einer Einfuhrsteuer befreit:
Die Befreiung gilt bei direkter Versendung aus einem Drittland an einen Empfänger im Zollgebiet der Gemeinschaft, wobei die Sendung auch kommerzieller Art sein kann.
Und die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied gilt als Drittland im Sinne dieser Regelung oder anders gesagt; ein Schweizer Händler kann Kunden in Deutschland Produkte wie DVDs, BluRays oder CDS ohne MwSt verkaufen, was ihm per-se einen Vorteil von 19% bringt.
Es erstaunt denn wenig, dass alle Top-Seller des grössten Schweizer Händlers auf Amazon unter EUR 22 liegen. Der aktuelle Top-Seller wird von Dodax auf Amazon mit diesem „Trick“ in diesem Moment für EUR 18.83 angeboten.
Und auch wenn Dodax noch EUR 3.- für den Versand nach Deutschland dazuschlägt, kann mit diesem Steuervorteil gar Amazon (EUR 29.97) deutlich unterboten werden. Dodax beherrscht damit die Buy-Box.
Und da es sich um einen Export handelt, bezahlen Dodax & Co selbstverständlich auch in der Schweiz keine Umsatzsteuer auf diese Artikel.
Das Geschäft dürfte wie geschmiert laufen und dieser Trick der Grund sein, warum vier in der Schweiz weitestgehend unbekannte Händler unter den Top-Amazon Verkäufern in Deutschland auftrauchen.
Geschäftsmodell mit Verfalldatum
Das Geschäftsmodell wird jedoch ein Verfallsdatum in naher Zukunft haben. Erstens, weil die Nachfrage in diesen Sortimenten besonders stark wegen der Digitalisierung wie auch verändertem Konsumverhalten (Streaming, Flatrates etc.) unter Druck ist.
Und Zweitens, weil auch die Behörden Druck machen. Nicht wegen diesen vier Eidgenossen, sondern wegen den Händlern aus dem Reich der Mitte:
Das Umgehungsgeschäft scheint „endlich“ zu sein. Dank Ali & Co. auf der Agenda in Brüssel https://t.co/qIqzuuQNZC https://t.co/tBcut9m2ph
— Patrick Kessler (@vsvch) 2. Mai 2017