„Die Musik spielt online“ ist man geneigt zu sagen, wenn man das Trauerspiel der Zürcher Traditionshäuser Musik Hug und Jecklin verfolgt. Einst erste Adressen für Musik und Instrumente, heute noch ein Schatten ihrer selbst – beide haben mutmasslich die Digitalisierung sang- und klanglos verpasst.
Wie heute verkündet wurde, hat die kleine und online erfolgreiche Musikpunkt AG das Zürcher Traditionshaus Musik Hug per Mitte Oktober übernommen.
Triple-Digitalisierung bei Musik
Hug und Jecklin waren einst erfolgreich im Verkauf von Musik. Doch das Geschäft mit Tonträgern war in den vergangen Jahren einer Triple-Digitalisierung unterworfen:
- Shift vom stationären zum online Verkauf
- Shift vom physischen Tonträger zum Download
- Shift von Einzelverkäufen zu Streaming-, Abo- und Flatrate-Modellen
Wer hier nicht schnell das rapide veränderte Konsumentenverhalten adaptieren konnte, blieb chancenlos.
Musikinstrumente
Genauso wie man angeblich weder Schuhe noch Möbel noch Autos online kaufen kann, soll man Musikinstrumente nicht online vertreiben können?
2003 hat Hug Jecklin übernommen – Jecklin am Pfauen wurde vor einem knappen Jahr vollends geschlossen und in das Stammhaus von Musik Hug am Limmatquai integriert. Was folgte waren Massenentlassungen wie der Tages-Anzeiger schrieb und
Die Musikbranche ist in der Krise, obwohl noch kaum je so viel Musik gehört wurde wie heute.
Auch zeigt die Statistik, dass im Kanton Zürich die Zahl der Kinder, die Musik machen oder in einem Chor mitsingen, stetig zunimmt:
Vor fünfzehn Jahren besuchten 63’000 Kinder einen Kurs an einer Musikschule, letztes Jahr waren es über 70’000
Der Markt ist da, nur haben Kunden anscheinend andere Erwartungen an die Anbieter. Amazon listet in Deutschland knapp Zehntausend Einträge unter Musikinstrumente und der deutsche Anbieter Thomann gilt seit Jahren als Best-Practice und vermag, Amazon zu trotzen. Auch das ein Traditionsunternhmen das bereits sehr früh auf den digitalen Vertrieb gesetzt hat. Der Bereich Thomann Direktversand soll ca. 1,3 Millionen Kunden über die Thomann Onlineplattform bedienen, wo fast 80’000 Produkte angeboten werden:
2015 betrug der Gesamtumsatz 656 Millionen Euro. Gut 90 Prozent des Umsatzes werden mit Online-Verkäufen erlöst.
Wer mehr über das Erfolgsmodell Thomann erfahren möchte, dem sei das Porträt in der BrandEins empfohlen.
Doch zurück in die Schweiz: Die Innerschweizer Musikpunkt AG setzt ebenfalls seit Jahren erfolgreich auf den Online-Vertrieb mit eigenem Onlineshop.
Musikpunkt ist inhabergeführt und beschäftigt 30 Mitarbeiter und bezeichnet sich selber online als äusserst erfolgreich. Musikpunkt hat nun die mitarbeitermässig fünfmal grössere Musik Hug Gruppe (152 Mitarbeiter) übernommen.
Der Markt mit Musik – ob Tonträger, Downloads oder Streaming – ist fest in digitaler Hand. Im Markt für Musikinstrumente wird sich vermutlich ein hybrides Geschäftsmodell durchsetzen mit enger Verzahnung der Touchpoints.
Online wird da jedoch der wesentliche Treiber sein – für Reichweite, Frequenz wie auch Impulse und Kaufvorbereitung und bisweilen auch Durchführung. Dass hierzu eine starke Onlineplattform quasi als „Mutterschiff“ vorausgesetzt wird, ist offenstichtlich. Musikpunkt verfügt über eine starke Onlineplattform, was der Rettungsanker für Musik Hug sein könnte. Ich gehe jedoch davon aus, dass Musik Hug noch deutlich weiter gesund schrumpfen muss, um überlebensfähig zu sein.
Und einmal mehr scheint sich das Zitat von Klaus Schwab zu bewahrheiten:
Disclaimer: Carpathia war für Musikpunkt.ch in den vergangenen Jahren mehrfach beratend tätig für Shop-Relaunch, Expert Reviews und Optimierungen.
Mich verwundert das nicht. Seit Jahren tümpelte Musik Hug vor sich hin, auch bei der IT war man nicht gewillt in neue Technologien zu investieren um Kosten zu sparen. Für mich war es eine Frage der Zeit und absehbar.
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