Wasser predigen und Wein trinken: Dank der Apotheker Lobby in Bern dürfen Online-Versandapotheken auch rezeptfreie Medikamente wie Aspirin und Kamilosan seit einiger Zeit in der Schweiz nicht mehr ohne Rezept versenden. Hingegen versenden stationäre Apotheker die gleichen Medikamente ohne Rezept und verstossen dabei womöglich gegen die Rechtsprechung, die sie gegen die Online-Apotheken initiiert haben.
Kaum eine Branche wehrt sich so vehement gegen die Digitalisierung der Vertriebsweg wie die Apotheker, rufen nach politischen und juristischen Regulierungen (Bittere Pille für Schweizer Versand-Apotheken) oder bemühen gar abstruse historische Vergleiche wie mit Kaiserin Maria Theresia aus dem 18. Jahrhundert.
Online-Apotheken werden bittere Pillen verschrieben, Steine in den Weg gelegt und der Bundesrat ruft gar dazu auf, Medikamente im Ausland zu kaufen (sic!). Quasi alles ist OK – doch um Himmelswillen nur nicht online.
Derweil Online-Apotheken offenbar ein Kundenbedürfnis befriedigen und günstiger liefern als die stationären Kollegen. Schweizer Player wie Zur Rose treiben ihr Wachstum trotz allen politischen Widerwärtigkeiten weiter national (Kooperation mit der Migros) und international durch Akquisitionen ambitiös voran. Und das vergangene Geschäftsjahr schloss die Zur Rose Gruppe mit einem Rekordumsatz von knapp unter einer Milliarde Franken ab.
Online Rezeptflicht von offline rezeptfreien Medikamenten
Und in der Schweiz? Die Apotheker Lobby wird nicht müde, den Online-Apotheken Steine in den Weg zu legen um ihre eigenen Pfründen zu schützen. Da werden von der Politik Gesetze kreiert welche die Justiz Urteile fallen lässt, die selbst von Bundesrichtern als „grotesk“ und „absurd“ bezeichnet werden.
Mit ihren Rekursen gegen die Versandapotheke Zur Rose hat die Pharma- und Apotheker-Lobby erwirkt, dass es für den Online-Verkauf und -Versand von Medikamenten in jedem Fall ein Rezept braucht. Das gilt auch für Produkte, die in Apotheken rezeptfrei abgegeben werden, wie etwa Aspirin oder Kamillosan wie der Tages-Anzeiger Ende 2015 schon schrieb.
Das Bundesgericht meinte dazu:
Die Verschreibung könne nur ein Arzt machen, der den Patienten und dessen Gesundheitszustand kenne.
Nur wenn eine therapeutische Beziehung bestehe, könne ein Medikament verschrieben werden.
Die Antworten auf einen einfachen Fragebogen, der online verschickt wird, seien nicht genug.
Wie sieht nun die Praxis rund 2 Jahre nach diesem weltfremden Entscheid aus (Die Schweiz auf dem Weg zur Bananenrepublik)?
Der Zufall oder besser die Umstände wollten es, dass ich vor einigen Wochen die Probe(n) auf’s Exempel machte. Und ich war mehr als verblüfft, dass mir persönlich nicht bekannte stationäre Apotheker mir offensichtlich Medikamente zusenden, was eine Versand-Apotheke nur gegen Rezept darf.
Apotheker versenden problemlos – ohne Rezept!
Denn kürzlich wollte ich meine Hausapotheke auffrischen und wie in vergangenen Jahren nachfolgende harmlosen Medikamente online bestellen.
In Jahren zuvor hat mir Zur Rose jeweils zuverlässig die Hausmittel zugestellt. Aufgrund der aktuellen Gesetzgebung ist dies nicht mehr möglich.
Ich soll also für diese stationär rezeptfreien Medikamente in die nächste Apotheke fahren, weil diese Artikel online nicht ohne Rezept versendet werden dürfen…
Ich mache die Proble auf’s Exempel und schreibe eine Apotheke in Zürich an und frage nach, ob man mir diese Hausmittel nicht zusenden könnte?
Die Auswahl fiel nicht ganz zufällig auf die in den Medien immer wieder präsente Apotheke am Paradeplatz, deren Apotheker Dr. Lorenz Schmid als Kantonsrat und Präsident des Apothekerverbandes des Kantons Zürich amtet. Seine Frau Nationalrätin Barbara Schmid Federer zählt ebenfalls zu den prominenteren Gegner des Onlineversandes von Medikamenten und wird Kraft ihrer Interessen in Bern mutmasslich lobbyieren.
Die E-Mail Anfrage mit dem Bild der zu ersetzenden Medikamente (oben) wurde innert stundenfrist positiv beantwortet und die Medikamente – mit Ausnahme der rezeptpflichtigen Augensalbe – können offenbar von einer stationären Apotheke rezeptfrei versendet werden (gesamter E-Mail Verkehr als PDF).
Wie ist das möglich – Onlinern soll verboten sein, was stationäre Praxis scheint?
Die Lieferung erfolgte gegen Rechnung, das Paket mit den Medikamenten traf wenige Tage nach Bestellung ein:
Einzelfall? Leider Nein
Ist diese Bestellung ein Einzelfall? Nach dem erfolgreichen Test habe ich weitere drei Apotheken mit dem identischen Begehren angeschrieben, von denen eine weitere problemlos im gleichen Stil die Medikamente zustellte. Von den 4 Anfragen wurde die Hälfte positiv und problemlos beantwortet.
Placebo Argumente der Apotheker Lobby
Auf politischer Ebene wird mit allen Mitteln gegen den Online-Versand gekämpft und versucht, diesen zu unterbinden. Und omnipräsent wird das hohe Lied der persönlichen Beratung durch eine Fachperson vorgetragen, dass für den Versand jeglicher Medikamente zwingend nötig sei.
Und dies mündet in der absurden Situation, dass in Onlineapotheken auch Medikamente der sog. C- und D-Kategorien nur gegen Rezept abgegeben werden, welche Stationär absolut rezeptfrei erhältlich sind wie Aspirin, Bepanthen oder Kamilosan.
Da kann man wirklich nur von Placebo Argumenten der Apotheker Lobby sprechen! Denn die Begründung, dass für den Versand von Medikamenten zwingend der persönliche Gesundheitszustand des Patienten Kunden oder eine therapeutische Beziehung vorliegen müsse, gilt offensichtlich nicht für stationäre Apotheken, die damit weiterhin wohl ihre Apothekerpreise aufrecht erhalten wollen.
Diese Apotheker-Posse kann gut als Schulbeispiel in die jüngere Wirtschaftsgeschichte eingehen, dass alles Lobbyieren und gesetzliche Ränkelspiele nutzlos sind. Der Erfolg der Versandapotheke Zur Rose zeigt, dass Politik ein Kundenbedürfnis nicht aufhalten kann.
Ach ja; Amazon hat unlängst den Einstieg ins Apotheken Geschäft angekündigt – das wird dann eine bittere Pille für die Apotheker. Man arbeitet sicher schon an einer neuen Rezeptur, dagegen vorzugehen.