Globus strebt online CHF 100 Millionen Umsatz an und investiert kräftig in die Digitalisierung

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Globus CEO Thomas Herbert über Onlinewachstum, Kannibalisierung, Investitionen und Wege aus der Transformationsfalle.

Warenhäuser sind derzeit alles andere als zu beneiden und deren ursprüngliches Geschäftskonzept hat sich im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich überlebt. So revolutionär deren Lancierung vor über 200 Jahren war, es sind fast dieselben Argumente, die heute die wahren Warenhäuser im Internet sehen. Die Herausforderungen sind enorm.

So titelten SonntagsZeitung und Tages-Anzeiger vergangenes Wochenende Die letzte Chance von Globus (hinter Paywall – hier als PDF) und berichteten über ein schwieriges Jahr. Gleichzeitig aber auch, dass Globus dieses Jahr kräftig zulegt und seinen Onlineumsatz von CHF 20 Mio. auf CHF 40 Mio. verdoppeln will. Nächstes Jahr will man gar CHF 100 Millionen online erreichen. Mittelfristig soll gar ein Onlineumsatz von CHF 200 Mio. bis in die Jahre 2024/25 geplant sei, wie die Handelszeitung heute schreibt.

Ambitiöse Ziele in Anbetracht der aktuellen Schwierigkeiten und ein guter Grund, beim CEO Thomas Herbert persönlich nachzufragen. Bereits in der Sonntagspresse redete er nichts schön. Auch bei seinen Antworten auf meine Fragen geizte er nicht mit Zahlen und zeigte Wege, wie Globus aus der Transformationsfalle finden will.

Als Transformationsfalle bezeichne ich die Situation, in welcher sich eine Vielzahl an traditionellen Retailern befinden (Der stationäre Detailhandel in der Transformationsfalle). Ihre Onlineumsätze machen erst weniger als 10% der Unternehmensumsätze aus, 90% und mehr erwirtschaften sie mit dem stationären Geschäft. Dennoch können sie es sich nicht leisten, auch nur 10% oder 20% ihrer Investitionen ins Digitale zu investieren, denn sie stehen im harten Wettbewerb mit Pureplayern wie Amazon oder Zalando, die 100% in den digitalen Vertrieb investieren.

Hier sind ausserordentliche Investitionen nötig, um Digital nicht aufs Abstellgleis zu gelangen und gleichzeitig das stationäre Geschäft nicht zu gefährden, das nach wie vor bei Globus über 95% der Umsätze generiert (Umsatz Globus-Gruppe 2017: CHF 857 Mio.) Und wie ausserordetlich diese Investitionen bei Globus sind, zeigt Thomas Herberts Aussage deutlich:

8 Fragen an Thomas Herbert, CEO Globus

Kürzlich an einer Präsentation habt Ihr kommuniziert, dass Wachstum aktuell nur noch online möglich sei. Handelt es sich bei den prognostizierten CHF 40 Mio für 2018 und die geplanten CHF 100 Mio für das kommende Jahr um reine Umsatzverschiebungen von Offline zu Online oder wie viel davon sind effektive Mehrumsätze, kann man da eine Aussage machen?

Bei dem prognostizierten Wachstum unseres Online-Handels gehen wir von 60% Mehrumsätzen und einer Offline zu Online Verschiebung von 40% aus. Wir wissen jedoch, dass Kunden, die in beiden Kanälen einkaufen, durchschnittlich einmal mehr im Jahr einkaufen, das relativiert folglich den Kannibalisierungseffekt.

In den Geschäften werden aktuell ca. 30% der gesamten Online-Umsätze über digitale Devices generiert. Bei diesen digitalen Kundenbestellungen im Geschäft ist die Kannibalisierungsrate höher, wir gehen von ca. 75% aus.

Dieses Jahr verzeichnet Ihr ein 100% Online-Wachstum von CHF 20 von CHF 40 Mio – im nächsten Jahr will man bei Globus den Umsatz nochmals mehr als verdoppeln auf CHF 100 Mio. Habt Ihr dafür spezielle Massnahmen geplant?

Um das Ziel von über 100 Millionen zu erreichen, wurde ein umfassendes Massnahmenpaket über alle Unternehmensbereiche erstellt, dessen Umsetzung bereits letztes Jahr gestartet ist.

Konkret werden wir zum Beispiel Ende Jahr zur Bekanntheitssteigerung des Online-Shops eine gross angelegte Marketing-Kampagne über die Kanäle Online-Marketing, TV und Plakate lancieren. Daneben mussten wir zuerst in die Infrastruktur (Logistik, Fotostudio etc.) entsprechend investieren um die 100 Mio. überhaupt abwickeln zu können.

Macht Ihr Angaben zu den Investitionen und/oder personellen Ressourcen die Ihr für dieses geplante Wachstum einsetzt?

Über die Hälfte des Investitionsvolumens der Gesamtunternehmung fliesst in die Umsetzung unserer Digital-Strategie. Durch unseren dezentralen Organisationsansatz haben wir die Personalressourcen zum Teil aufgebaut und zum Teil durch Prozessverbesserungen kompensieren können.

Viele Omni-Channel Händler bekunden Schwierigkeiten, die stationären Umsatzrückgänge mit Online-Umsatz wettzumachen. Wie gut gelingt dies Euch bei Globus?

Wir sind mit der aktuellen Entwicklung sehr zufrieden. Wir gehen davon aus, dass wir den Umsatzrückgang in den nächsten zwei Jahren überkompensieren können.

Könnt Ihr messen, wie viele der stationären Käufe online vorbereitet (Recherche, Selektion etc.) wurden bei Globus, und dann im Ladengeschäft abgeschlossen? Oder anders gesagt, wie viel stationärer Umsatz würdet Ihr riskieren, wenn Online nicht State-of-the-Art wäre?

Gemäss unseren Messungen geht einem Grossteil der stationären Einkäufe ein Online-Besuch voraus. Wie viel Umsatz wir verlieren würden, wenn wir keinen inspirierenden Online Auftritt hätten, können wir nur schätzen.

Globus ist stationär auch weitherum bekannt für die Delicatessa-Abteilungen mit tollen Frischprodukten. Aktuell besteht das Delicatessa-Onlineangebot aus einer Auswahl von Wein und haltbaren Produkte. Gibt es Ambitionen, auch Frische Artikel zu versenden, ggf. in Kooperation mit anderen Migros-Formaten wie LeShop?

Die Globus ***delicatessa ist einzigartig und differenzierend, entsprechend ist Online ein grosses Thema. Damit wir unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden können, arbeiten wir derzeit an Konzepten, die eine Direktlieferung von Frischprodukten  aus der Filiale vorsehen.

Globus will sein gesamtes Angebot auch via Galaxus anbieten, sind auch weitere Plattformen im Gespräch wie bspw. Ricardo oder international natürlich Amazon oder auch Zalando für Fashion?

Zur Zeit ist der Ausbau von weiteren Marktplatz-Kooperationen nicht vorgesehen, bei Galaxus werden wir aber auch künftig präsent bleiben .

Was bietet globus.ch an Mehrwert für den Kunden?

Nebst der Verfügbarkeit, der umfassenden Auswahl und Services, bieten wir mit dem Genuss- und Kompetenzportal delicuisine.ch und den zahlreichen Videos darauf einen echten Mehrwert in Form von Rezepten von Sterneköchen, Profi-Know-how und Stories rund um das Savoir-vivre.

Besten Dank an Thomas Herbert für diese Antworten. Das Interview wurde schriftlich geführt.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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