In einem bemerkenswerten Artikel in der FAZ vom Wochenende wird die junge Geschiche des niederländischen Onlinefood-Startups Picnic nachgezeichnet, dass in diesem Jahr bereits Umsätze jenseits von EUR 200 Mio alleine in den Niederlanden mit knapp 200’000 Kunden erreichen will.
In Deutschland erfolgte der Markteintritt vor einigen Monaten und bereits werden in der Umgebung von Düsseldorf rund 7’000 Haushalte beliefert, weitere 5’000 stünden auf der Warteliste.
Anders als bei den Onlinehändlern in der Schweiz wie LeShop, Coop@Home oder auch Farmy kann der Kunde bei Picnic weder Wunschtermin noch Lieferfenster selber wählen. Picnic arbeitet nach dem sog. „Milchmann-Prinzip“.
Wie früher die Milchmänner fahren die Picnic-Lieferanten nachmittags und abends zu bestimmten Zeiten durch die Straßen in ihrem Lieferbezirk. Dann müssen die Kunden die Ware in Empfang nehmen, das Zeitfenster umfasst 20 Minuten
Bemerkenswert ist der Erfolg von Picnic in den Niederlanden auch, weil die Niederlande und die Schweiz oft miteinander verglichen werden. Kulturell sind wir uns ähnlich und auch die Handelsstrukturen sind nicht gänzlich verschieden.
Zudem ist Amazon in beiden Ländern (noch) nicht der grösste Onlinehändler. Von der Fläche her sind die beiden Länder mit jeweils gut 41’000 Quadratkilometern fast identisch gross. Die Niederlande weisen jedoch eine rund doppelt so hohe Bevölkerungsdichte auf.
Verglichen mit der Schweiz sind die anvisierten EUR 200 Mio Umsatz von Picnic für dieses Jahr innert weniger Jahren ein beneidenswert guter Wert. Denn Picnic wurde erst 2015 gegründet.
Die beiden Platzhirsche hierzulande kommen nach deutlich längerem Bestehen noch nicht auf diese Umsatzgrössen:
LeShop auf CHF 181 Mio im vergangenen Jahr, Coop@Home auf CHF 142 Mio. (Lebensmittel Online: LeShop stagniert während coop@home kontinuierlich zulegt).
Beiden Schweizer Playern ist gemeinsam, dass sie mit Migros und Coop traditionelle Handelskonzerne im Rücken haben, Picnic jedoch auf der grünen Wiese starten konnte und dies laut FAZ auch als Vorteil sieht:
Wir sind von einem weißen Blatt Papier aus gestartet.“
Was gemäss FAZ heissen soll:
Picnic wurde von vorneherein als reiner Online-Spezialist geplant. Das Konzept unterscheidet sich tatsächlich von dem der Konkurrenz.
Picnic verlangt anders als etwa der Rewe-Lieferdienst oder Bringmeister (Edeka) keine Liefergebühr und setzt einen vergleichsweise niedrigen Mindestbestellwert von 25 Euro voraus.
Vor allem die kostenlose Lieferung und der tiefe Mindestbestllwert scheinen den nötigen Schub zu verleihen. Etwas, mit was ich die beiden grossen in der Schweiz schon mehrfach konfrontierte, so unter anderem auch an der Connect – Digital Commerce Conference im vergangenen Jahr (Video des Food-Panels): Lebensmittel Online in der Schweiz boomt – wer holt sich Marktanteile?
Food-Logistik ist nicht nur komplex sondern verhältnismässig auch personalintensiv. Und die Personalkosten gerade in der Schweiz ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor. Gut möglich, dass die für Händler vorteilhafteren Kostenstrukturen in den Niederlanden dem Picnic-Model zusätzliche Dynamik verleihen.
Bleibt der Dritte im Bunde der Schweizer Onlinefood-Händler: Farmy.ch konnte vergangene Woche Wachstum und Expansionspläne verkünden wie auch, dass mit Dominique Locher (vormals CEO von LeShop) ein neuer Investor und Mentor an Bord ist.
Und das Farmy-Konzept, gestartet als Online-Hofladen, hat sich in jüngster Vergangenheit immer mehr gewandelt. Genau, man orientiert sich vermehrt am Vorbild aus den Niederlanden: Picnic.