In den vergangenen Tagen und Wochen berichteten verschiedene Medien über die ansteigenden Paketmengen wie auch die Retouren im Sinne von «jede sechste Bestellung geht zurück».
Und selbstverständlich wurde der Onlinehandel gleich als Klimasünder abgestempelt, wenn nicht von den Journalisten, dann spätestens von den Lesern in den Kommentaren. Das stationäre Händler wie auch Medien vor allem Probleme mit Retouren bekunden, dazu haben wir bereits 2016 geschrieben: Das Retouren-Problem des stationären Handels.
Doch wer den grünen Mahnfinger gegen den Versandhandel angesicht der vielen Pakete hebt vergisst in der Regel,welche Emissionen beim stationären Handel entstehen. Angefangen von der Klimatisierung des Gebäudes, Beleuchtung, Belieferung bis hin zu den Plastiksäcken für die Mitnahme der Artikel. Und von der individuellen Anreise jedes Kunden (ob ÖV oder Auto) mal noch ganz abgesehen.
Man darf sich beim Anblick dieses Bildes durchaus auch vorstellen, dass jedes Paket in diesem Zustellfahrzeug der Post einer eingesparten Fahrt in die Innenstadt entspricht (oder zwei, für diejenigen, die dann doch nichts gekauft haben).
Dass dem durchaus so sein könnte, davon zeugen auch die ständig unter mangelnder Frequenz klagenden stationären Händler, die vor verwaisten Innenstädten warnenden Politiker oder Shopping-Center, bei denen man heute in der Regel einen Parkplatz vor dem Eingang findet.
Online ökologischer als Stationär
Doch online Einkaufen ist in der Regel ökologischer als im Ladengeschäft. Diese These stützt ansatzweise auch die Süddeutsche Zeitung, wenn gleich im Onlinehandel vor allem die Anzahl Retouren die Klimabilanz massgeblich negativ beeinflusst. Die Süddeutsche hat nachfolgende CO2-Bilanz für einen Schuhkauf online wie auch stationär aufbereitet und gerade Schuhe und Kleidung haben in der Regel Retourenquoten von gegen 50%.
Die Süddeutsche Zeitung resümmiert denn auch unter anderem:
Isoliert betrachtet kann nach Aussage der Wissenschaftler das Versenden eines Pakets sogar klimafreundlicher sein als die Fahrt mit dem Auto zum Einkauf.
Ein Paketversand verursache nur etwa ein Viertel, ein Versand inklusive einer Retoure nur die Hälfte der Treibhausgasemissionen einer sechs Kilometer langen, durchschnittlichen Einkaufsfahrt mit dem Auto, die den Ausstoß von etwa 2400 Gramm CO₂ erzeugt.
HSG-Studie zur letzten Meile im Detailhandel Schweiz
Auch die HSG kommt in ihrer breit angelegten Studie zur letzten Meile im Detailhandel mit Schweizer Daten, bei der sowohl der Online-/Versandhandel wie auch der stationäre Handel Daten beigesteuert haben, zu keinem eindeutigen Schluss, hält jedoch unter anderem folgendes fest:
- In Gebieten mit hoher Siedlungsdichte fallen im Onlinehandel durchschnittlich weniger CO2-Emmissionen pro Bestellung und damit pro Artikel an aufgrund effizienter und gebündelter Zusellungen
- In ländlichen Gebieten beim stationären Einkauf entstehen höhere CO2-Emissionen durch längere Anfahrten im eigenen Fahrzeug
- Die bei der Schweizer Post hohe Erfolgsquote in der Erstzustellung von etwa 95% ist ein wichtiger Einflussfaktor auf die Höhe der CO2e-Emissionen auf der „letzten Meile“ im Online-Handel.
Eine allgemeingültige, pauschale Aussage kann die HSG-Studie dennoch nicht machen, da es stark von der Situation abhängig sei. Sie resümiert jedoch auch, dass vor allem die Bündelung von Einkäufen grosse Emissions-Einsparungen bringen, und hier ist auch im Onlinehandel noch reichlich Luft nach oben vorhanden, im wahrsten Sinne des Wortes.
Potentiale im Onlinehandel
Der Onlinehandel hat bzgl. Klimaproblematik noch einige Potentiale die sich im Vergleich mit dem stationären Handel mutmasslich schnell umsetzen lassen. Darunter fallen folgende Massnahmen:
- Kleinere Verpackungen ohne Füllmaterial und damit wenig Luft, was die Volumen verkleinert und pro Lieferung auf der letzten Meile mehr Pakete pro Fahrzeug ermöglicht. So hat Brack.ch seit geraumer Zeit mehrere Anlagen in Betrieb, welche die Kartons auf die exakt richtige Grösse falten, damit so wenig Füllmaterial rsp. Luft wie nötig transportiert werden muss (Video ab 6:10).
- Bündeln und Zusammenführen von Bestellungen ohne an Geschwindigkeit signifikant einzubüssen, was heute bereits bei einigen Händlern durch Algorithmen im Hintergrund berechnet wird. Ex Libris beispielweise lässt den Kunden wählen, ob er Teillieferungen oder die ökologische Sammellieferung bevorzugt, welche verschiedene Artikel zusammen fasst, was unter Umständen 1-2 Tage länger dauert. Der Kunde entscheidet.
- Einsatz von Mehrwegtransportbehältnissen und -gebinden wie die Dispobox der Post bei regelmässigen Lieferungen was bei B2B ein Thema sein kann wie auch bei Lebensmitteln. Sowohl Coop@Home wie auch LeShop verwenden bei der Postzustellung entsprechende Behälter.
Je kürzer der Weg, je besser für das Klima
Als Fazit kann man formulieren: Je weniger Wege zurückgelegt werden, desto besser die Klimabilanz – das gilt sowohl für online wie auch für den stationären Handel.
Und hier kommt die HSG-Studie zum Schluss, dass in der Schweiz ein Paket weniger als 500 Meter Weg auf der letzten Meile zurücklegt. Das ist der errechnete Durchschnitt, wenn bspw. in städtischen Gebieten (am Beispiel Lausanne und Basel) mehr als 150 Pakete auf einer etwa 60km langen Tour verteilt werden. Die Werte varieren zwischen Städten mit 400, Agglomeration 450 und Land 550 Metern (vgl. Grafik am Ende des Beitrages).
Klimatechnisch wohl ein 1:0 für den Onlinehandel.
Im weiteren hat der Bund, genauer genommen das UVEK, ein Forschungsprojekt an das SVI (Schweizerische Vereinigung der Verkehrsingenieure) vergeben mit dem Titel: Auswirkungen des wachsenden Versandhandels auf das Verkehrsaufkommen.
Im Herbst soll diese Studie veröffentlicht werden. Es bleibt spannend, ob diese die These des klimafreundlicheren Onlinehandels widerlegen kann oder mit neuen Ergebnissen aufwarten vermag.
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