E-Commerce-Report 2019 — Erfolgsfaktoren in der vernetzten Angebotswelt (3/3)

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Im dritten und letzten Teil unserer Carpathia-Einschätzung zum E-Commerce-Report 2019 widmen wir uns zwei entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine starke vernetzte Distributionslandschaft mit Blick auf das Jahr 2025 und darüber hinaus. In den vorangegangenen Beiträgen haben wir die Treiber und Struktur dieser neuen vernetzten Angebotswelt (Teil 1) beleuchtet und unseren Blick auf veränderte Beziehungen zwischen Marken, Stationärem Handel und Onlinehandel (Teil 2) gerichtet.

Zugang zu Kunden-Daten muss gesichert werden

Wie im ersten Artikel (Teil 1) aufgezeigt, haben die Digitalisierung der Verkaufskanäle und die neu aufgekommenen Kundenzugangs-Dienstleister und Onlinemarktplätze den Kunden definitiv ins Zentrum des Distributionssystem gerückt und eine Ablösung der angebotsorientierten Supply-Chain zugunsten einer nachfrageorientierten bewirkt.

Nachhaltig Erfolg haben wird diejenige Supply-Chain, die den Kunden individuell nach seinen Produktwünschen, dessen persönlichen Wertvorstellungen und der spezifischen Kauf-Situation (unterwegs vs. zuhause, Geschenk vs. Eigengebrauch, etc.) schnell bedienen kann. Wann immer dies gelingt, stationär und digital, gibt es durchaus vielfältige und attraktive Absatzpotentiale, bei denen eben nicht, wie so oft, der tiefste Preis das alles entscheidende Kriterium ist.

Um derartige individuell zugeschnittene Produktangebote zu realisieren, ist es für die Leistungserbringer wichtig, den Kunden und seine Situation genaustens zu kennen.
Wann kauft welcher Kunde wo und aus welcher Motivation? Nur wer die Antworten auf diese Fragen kennt, kann die nötige Nachfrage-Prognose und eine entsprechende Angebotsgestaltung und -logistik für die verschiedenen Touchpoints vornehmen.

Nun aber haben sich die bekannten Sozialen Medien, Suchmaschinen und Marktplätze zwischen den Kunden und den Handel geschoben und aggregieren vorgängig als Gate-Keeper ihrerseits die wertvollen Kundendaten, häufig über die gesamte Customer Journey hinweg.

Auch wenn sich der unabhängige Handel bemüht, seinerseits eigene Kundendaten zu gewinnen, sei dies online über Kunden-Account- und Analytics-Daten oder stationär via Kundenkarte, wird er bezüglich Datensammlung und -auswertung gegenüber Plattformen immer im Hintertreffen bleiben.

Wenn die genannten Intermediäre ihre Daten mit dem Handel teilen oder zumindest konsequent zu dessen Vorteil nutzen würden, wäre diese Situation für den Handel wohl zu akzeptieren. Nun ist es aber so, dass Kundenzugangs-Dienstleister und insbesondere Marktplätze, die unter gütiger Mithilfe der angeschlossenen Händler gewonnenen Kunden- und Marktdaten opportunistisch für eigene direkte Konkurrenzangebote nutzen können. Kilian Kämpfen von Scout24 sagt dazu:

Onlinemarktplätze schaffen keineswegs immer Transparenz. Broker haben Möglichkeiten, Intransparenz zu schaffen und für sich auszunutzen.

Konkret bedeutet dies, dass Onlinemarktplätze Top-Seller selbst einkaufen oder entsprechende Eigenmarken lancieren und damit nicht nur die Provisionsbeiträge sondern die gesamte Handelsspanne einnehmen. Digitale Assistenten und Voice-Commerce könnten diese Situation weiter akzentuieren, da der „passende“ Artikel für den ausgesprochenen Kundenwunsch von der Plattform gleich selbst bestimmt wird.

Eine derartige Entwicklung würde die Wertschöpfung des Handels langfristig minimieren und seine Rolle auf die des logistischen Zulieferers reduzieren, was es mit aller Kraft zu verhindern gelten sollte.
Die Studienautoren raten dem Handel, die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und anbieterübergreifende Massnahmen zum Aufbau selbst kontrollierter Infrastrukturen und Datenzugänge zu initieren. Als Beispiel wird die Tolino-Allianz im Buchhandel genannt, die als Gegenspieler zum Amazon-Kindle etabliert wurde.

Um als Schweizer Anbieter auch in Zukunft für den Kunden relevant zu bleiben, ist es nötig, diesen besser zu kennen. Ein Studienteilnehmer meint dazu:

Der Weg läuft über Partnerschaften. Das Sich-Abgrenzen und Geheimnisse-Haben wird sich immer mehr verwässern.

Vorteile der lokalen Nähe stärken

Neben der Wichtigkeit, den Kunden und seine Situation besser zu kennen, betrifft der zweite Erfolgsfaktor die Vorteile der lokalen Nähe. Für die Zukunft wird eine grössere Unmittelbarkeit des Konsums erwartet, d.h. der Kunde wünscht sich eine verkürzte Zeitspanne zwischen Konsumwunsch und -erfüllung. Zusätzlich erwartet er eine grössere Varietät des Konsumangebots. Der Kauf eines Neuproduktes ist neben der Option auf einen Gebraucht- oder Mietartikel nur noch eine von mehreren Varianten zur Bedürfnisbefriedigung.

Die Nähe zum Kunden ist diesbezüglich eine Stärke der Schweizer Anbieter und ein Vorteil gegenüber internationalen Mitbewerbern. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die gesteigerten Kundenanforderungen zu vertretbaren Kosten logistisch bedient werden können. Die Studien-Autoren erweitern hierfür ihr Modell der vernetzten Angebotswelt mit einem Smart Logistic Grid.

Smart Logistic Grid - E-Commerece
Schema einer für vielfältige Kooperationsformen geöffneten Distributionslandschaft für Konsumgüter / Quelle: E-Commerce-Report 2019

Ziel dieses Smart Logistic Grid ist ein effizientes und hochgradig vernetztes Distributionssystem, das jederzeit eine schnelle Allokation der gewünschten Produkte mit kurzen Wegen, auch zwischen vertikalen Distributionsstrukturen, ermöglicht. Insbesondere für stationäre Händler mit virtuellen Sortimenten ist dies erfolgsentscheidend.

Wie die Sicherung des Kundenzugangs setzt auch die umfassend vernetzte Distributionslogistik eine weitere Öffnung über Unternehmensgrenzen hinweg voraus. Es lässt sich zusammenfassen, dass der zukünftige Erfolg der Schweizer Anbieter massgeblich vom Willen und der Fähigkeit für eine engere Zusammenarbeit abhängt.

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Dies ist der dritte und letzte Beitrag unserer dreiteiligen Blogserie zum E-Commerce-Report 2019. Der gesamte E-Commerce-Report steht hier zum freien Download zur Verfügung.

 



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