Selbstverständlich waren an der diesjährigen Connect – Digital Commerce Conference auch die Online-Vertreter des mit Abstand grössten Detailhandels-Segments Lebensmittel (ca. CHF 50 Mrd) auf der Bühne präsent — nicht aber durch die bereits längjährig aktiven Onlineformate Leshop (Migros) und coop@home, deren Wachstum zuletzt eher ins Stocken geraten ist, sondern mit den jungen Wilden von Farmy.ch, MIACAR und Brack.ch.
Ziel des von Thomas Lang moderierten Panels war es, zu erfahren, was diese nächste Generation im eFood besser machen will, um in diesem Milliardenmarkt endlich so richtig Fahrt aufzunehmen. Diskutiert haben Patricia Zwyssig-Schneider (Senior Product Manager Food bei Brack.ch), Dominic Mehr (CEO von MIACAR) und Roman Hartmann (Co-Founder und Co-CEO von Farmy).
Zweimal Frischprodukte, einmal Vorratswaren
In der Eingangs-Fragerunde bittet Thomas Lang die Panel-Teilnehmer sich und ihre Unternehmen kurz vorzustellen. Dominic Mehr, Neo-CEO von MIACAR meint dazu, dass „sein“ Unternehmen definitiv das „New Kid on the Block“ sei und erklärt, dass MIACAR erst seit zwei Monaten live sei und damit eine 6-monatige MVP-Phase erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Nach der Ausgründung vom Migros Startup-Lab Sparrow Ventures habe jetzt die Skalierungsphase begonnen.
MIACAR ist gemäss eigener Aussage „Dein rollender Supermarkt“ und liefert ein ausgewähltes Sortiment der beliebtesten Migros-Artikel (insbesondere Frischprodukte) schnell, kostenlos und zur gewünschten Lieferzeit auf Wunsch bis in die Wohnung. Bestellungen werden via Mobile-App abgegeben, ausgeliefert wird via Elektro-Mini-LKW. Aktuell ist der eFood-Service auf den Raum Bern beschränkt, mit dem klaren Ziel mittelfristig einen nationalen Case zu realisieren.
Der mit 5 Jahren Marktpräsenz vergleichsweise bereits erfahrene Online Lebensmittelhändler Farmy versteht sich seinerseits als Online-Markt mit der grössten Frische-Theke der Schweiz. Roman Hartmann unterstreicht diese Marktpositionierung und erklärt, dass via farmy.ch u.a. über 800 Fleischprodukte von 7 verschiedenen Metzgereien erhältlich seien. Auf die Frage hin, wie sich das Unternehmen gegenüber Leshop und coop@home differenziere, zählt Hartmann folgende Punkte auf:
- Grösste Frische-Theke der Schweiz
- 100% Transparenz hinsichtlich Produzent und Herstellung
- Grosses Bio-Sortiment
- Schnelle, kostenlose sowie wählbare & zeitgenaue Lieferung im Raum Zürich und Lausanne
- Frische-Versprechen (3 Tage frischer als im Supermarkt)
Bei Brack.ch hingegen stehen nicht Frischprodukte im Fokus, sondern haltbare Artikel der Kategorie Vorratskammer. Der ursprünglich in der Elektronik gross gewordene Onlinehändler verkauft seit März 2018 Lebensmittel, was gemäss Patricia Zwyssig-Schneider auf einem klaren strategischen Entscheid beruht.
Erklärtes Ziel des schrittweisen Sortimentsausbaus sei es, insbesondere weibliche Neukunden zu gewinnen und die Bestellfrequenz zu erhöhen. Patricia Zwyssig-Schneider verrät dann auch, dass über 20% der Lebensmittel-Bestellungen auf Neukunden zurückzuführen seien.
Skalierung & Profitabilität
Im E-Commerce generell und speziell im Lebensmittel-Onlinehandel ist die Logistik ein entscheidender Kostentreiber. Thomas Lang möchte diesbezüglich von den Panelisten wissen, inwiefern im Umfeld verderblicher Waren, durchgängiger Kühlketten und Gratis-Lieferungen ein profitables Geschäftsmodell überhaupt zu realisieren sei. Dominic Mehr von MIACAR sagt klar und deutlich:
Am Ende des Tages ist es ein Massenmarkt!
Voraussetzung eines profitablen Geschäftsbetriebes sei es, die vorhandenen Daten und neue Technologien intelligent für eine effiziente Logistikplanung zu nutzen und eine hohe Drop-Dichte in der Last-Mile-Belieferung zu erreichen. Vor dem Hintergrund der Kosten- und Margenstruktur sei es aber auch dann unabdingbar, den Massenmarkt zu erschliessen. Herr Hartmann von Farmy.ch teilt diese Einschätzung und erklärt, dass sie kürzlich mit der Hub-Expansion nach Lausanne die Skalierungsfähigkeit durchaus beweisen konnten.
Patricia Zwyssig-Schneider von Brack.ch weist in dieser Hinsicht auf die Kostenvorteile einer Beschränkung auf haltbare Lebensmittel hin und streicht das automatisierte und effiziente unternehmenseigene Logistikzentrum hervor. Die enorme Sortimentsbreite mit über 200’000 Artikeln bei Brack.ch führe zudem dank gemischten Warenkörben zu höheren Bestellwerten, was bei den oftmals tiefen Lebensmittel-Produktpreisen ein entscheidender Rentabilitätsfaktor sei.
Wieso die neue Generation Erfolg haben wird
Abschliessend entlockt Thomas Lang den Unternehmensvertretern ein Schluss-Statement, in welchen Punkten die neue eFood-Generation besser sein werde als die „alte“. Dominic Mehr ist der Meinung, dass nicht alles radikal neu erfunden werden müsse, sondern entscheidende Kundenbedürfnisse besser bedient werden sollen.
Er meint damit beispielsweise, dass die Kunden nicht bereit wären, mehr zu zahlen als beim stationären Einkauf, was für MIACAR bedeutet, kostenfreie Lieferungen als Standard anzubieten. Des Weiteren reiche es einfach nicht, das stationäre Angebot 1:1 zu digitalisieren. Stattdessen müsse konsequent auf die Kundenwünsche in der digitalen Journey eingegangen werden mit kurzen Reaktionszeiten für neue Leistungsangebote.
Roman Hartmann fügt hinzu, dass eine flächendeckende Werbe-Kampagne wie es damals Zalando beim Schweizer-Markteintritt gemacht habe, einen starken Schub bewirken könnte. Hierzulande wüssten nämlich erst Wenige, dass Lebensmittel einfach online bestellt werden können, was auch die vergleichsweise tiefen Wachstumszahlen (5% CH, 30% in DE) zeigen.
Patricia Zwyssig-Schneider hingegen sieht im Verzicht auf Frischprodukte die Chance zur Fokussierung auf andere Leistungsangebote: Erweitere Produktsortimente, Food-Stories, Automatisierung und Personalisierung.
Na dann sind wir gespannt wie sich der Online Lebensmittelhandel in Zukunft entwickelt und welche Rolle die drei Innovationstreiber spielen. Das Panel in voller Länge ist hier bereitgestellt:
[…] Miacar CEO Dominic Mehr hat letztes Jahr an der Connect – Digital Commerce Conference über die Expansionspläne von Miacar gesprochen: eFood: Was die nächste Generation besser machen will. […]