Was wir von Amazons Meeting-Kultur lernen können

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Die Sommerferien sind vorbei. Und wir sitzen wieder in den lieben Meetings. Sie finden Meetings mühsam und langweilig? Da sind Sie nicht allein: Studien haben gezeigt, dass viele Arbeitnehmer*innen Meetings als ineffektiv empfinden. Was können wir dagegen tun? Etwas von Amazons Meeting-Kultur lernen.

Die Sitzungen in den meisten Unternehmen laufen heute so ab: Jemand präsentiert eine Idee mit einer PowerPoint Präsentation. Darauf folgt die Fragerunde und im besten Fall werden Entscheidungen gefällt und das weitere Vorgehen definiert.

Nicht so bei Amazon: 2004 hat Jeff Bezos PowerPoint aus allen Sitzungen verbannt. Damit wollte er das sorgfältige Nachdenken über eine Idee fördern. Neue Ideen werden bei Amazon nur noch in 4- bis 6-seitigen Memos, sogenannten Narratives, präsentiert. Am Anfang einer Sitzung liest jeder Teilnehmende das Dokument sorgfältig für 20 Minuten, bevor dem Autor/der Autorin Fragen gestellt werden.

Dieses 20 Minuten des Still-vor-sich hin-Lesens klingt erstmal mühsam. Doch es ist wichtig: Hätten die Beteiligten die Unterlagen vorher bekommen, wären wie so oft die einen vorbereitet, die anderen unvorbereitet gekommen. Mit dieser Massnahme ist sichergestellt, dass bei der anschliessenden Diskussion alle den gleichen Stand haben.

Die Vorteile der Narratives

Vier bis sechs Seiten Text: Jeff Bezos, einer der erfolgreichsten Unternehmer unserer Zeit, legt grossen Wert auf das geschriebene Wort. Warum? Hinter dem Schreiben eines gut strukturierten Fliesstextes steckt mehr Sorgfalt als hinter dem Auflisten von Bullet Points.

Mehr Sorgfalt beim Entwickeln einer Idee aufzubringen, bedeutet, tiefer zu graben, ihr auf den Grund gehen und logische Lücken frühzeitig erkennen.

Ausformulieren auf nur 4-6 Seiten mit dem Ziel eines kohärenten und stringenten Textes kann nur, wer einen engen Fokus hat, sich auf das Wesentliche zu konzentriert und Unwichtiges wegzulassen weiss.

Dank dem Text können sich ‚Aussenstehende‘ in rund 20 Minuten ein fundiertes Bild von der Ausgangslage und der vorgeschlagenen Idee machen — die Basis für fruchtbare Diskussionen und ergiebige Meetings.

Geschriebenes Wort lässt sich einfacher teilen als gesprochenes. Dieser Vorteil kommt besonders dann zum Zug, wenn Ideen dem ganzen Unternehmen vermittelt werden sollen. Auch entstehen weniger Missverständnisse, weil keine Präsentationen mehrherumschwirren, bei denen die „Tonspur“ fehlt.

Agilität dank Sorgfalt

Das Geheimnis von Amazons Erfolg liegt unumstritten in der aussergewöhnlichen Unternehmenskultur, die Jeff Bezos geschaffen hat. Die Etablierung dieser Memos ist ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Bestandteil davon.

Was ich an diesem ‚Ritual‘ so schön finde? Amazon ist deshalb so schnell beim Umsetzen und Skalieren neuer Ideen, weil sie wissen, dass für Agilität und Geschwindigkeit die Eigenschaften Sorgfalt und Fundiertheit nicht ausgeschlossen werden dürfen, sondern gar Voraussetzung sind.

Oder wie es Brad Porter, VP and Distinguished Engineer bei Amazon, beschreibt:

Outsiders sometimes look at Amazon and wonder how Amazon can possibly focus on so many different businesses at once.  The answer is that Amazon has fundamentally innovated in how to scale the process of bringing groups of people deeply up to speed in new spaces and making critical decisions based on that insight quickly.



3 KOMMENTARE

  1. Es ist sehr spannend zu lesen, wie Amazon in dieser Situation handelt. Haben noch weitere Unternehmen diese Art implementiert? Ich frage mich nämlich, ob der Erfolg dieser Strategie von der Unternehmensstruktur abhängig ist.

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