Not macht erfinderisch – die «Corona-Digitalisierung» im Detailhandel

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Der aktuelle Lockdown hat auf einen Schlag alle Ladengeschäfte zur Schliessung gezwungen mit Sortimenten, die nicht zur Grundversorgung gezählt werden, mit teilweise grotesken Situationen wie abgesperrten Regalen für Pfannen in Lebensmittelgeschäften.

Die Schliessung der stationären Formate hat dem Onlinehandel einen selten gesehenen Boom beschert und der Post einen regelrechten Paket-Tsunami mit täglichen Mengen, wie sie kaum an Weihnachten erreicht werden.

Not macht erfinderisch

Was nun, wenn die Kunden in den stationären Formaten ausbleiben (müssen), die Händler auf sehr viel Ware sitzen und die Nachfrage grundsätzlich da wäre. Und wäre die Situation nicht schon herausfordernd genug, stecken erst noch die digitalen Vertriebspotentiale in den Anfängen oder sind noch gar nicht etabliert.

Nun Not macht erfinderisch, sei es mit ad-hoc lancierten Bestellmöglichkeiten (Web, Mobile, WhatsApp, Telefon oder gar Fax 😉 ) und anschliessender individueller Heimlieferung oder Video-Beratung aus den fast menschenleeren Ladengeschäften.

Gerne haben wir ein paar Beispiele zusammengetragen, stellvertretend für die aktuelle Innovations-Welle und Corona-Digitalisierung:

Live-Shopping aus dem Käseladen

Im Chäsladen von Rahel Manser in Appenzell kommunizieren die Kunden via Webcam direkt mit den Angestellten, die beraten und den Einkaufskorb zusammen stellen. Auf Wunsch wird dieser innerhalb von Appenzell nach Hause geliefert oder kann vor dem Geschäft abgeholt werden.

Qualipet Express – abgesperrte Sortimente innert 3 Stunden geliefert

Qualipet ist eines der Formate das in der grotesken Situation ist, nur etwa die Hälfte des stationären Sortiments derzeit verkaufen zu können. Wer Futter für sein Haustier benötigt, kann dies in den Filialen kaufen. Wer gleichzeitig die Hundeleine oder das Spielzeug der Katze ersetzen will, steht vor dem abgesperrten Regal.

Dazu Julia Herz, Leiterin Qualipet Digital AG:

Auf Grund der aktuellen Situation haben wir unseren Lieferservice kurzerhand ebenfalls ausgebaut.

In Zusammenarbeit mit Annanow wird das „amtlich gesperrte Sortiment“ als Qualipet.ch/express innerhalb on 2-3 Stunden aus derelben Filiale nach Hause geliefert. Bestellt wird entweder via Onlineshop, Telefon oder gleich in der Filiale selber.

Migros Fachmarkt-Mitarbeiter*innen beraten via Video

Die Migros-Genossenschaft Aare hat mit dem Lockdown die mit dem Möbelfachmarkt Micasa bereits getestete Live-Videoberatung kurzerhand auch für die weiteren Fachformate SportXX, Melectronics, Do-it + Garden und Bike World ausgerollt.

Wer sich nun auf den Onlineshops von Micasa, SportXX, Do it + Garden, Melectronics oder Bike World Produkte ansieht, wird mittels Pop-up-Fenster angefragt, ob er oder sie per Video beraten werden möchte.

Ausgerüstet mit einem fahrbaren Stativ, einem Tablet und kabellosem Headset fährt der Berater dorthin, wo ein Kunde Unterstützung wünscht.

Video-Beratung in Migros Fachmärkten
Video-Beratung in Migros Fachmärkten

Rund 45 Mitarbeitende stehen von 9 Uhr bis 22 Uhr im Einsatz in den Fachmarkt-Formaten und die Nachfrage soll nach eigenen Angaben gross sein. Aktuell stehe diese Live-Beratung auf Deutsch zur Verfügung, weitere Sprachen sollen folgen.

Not macht erfinderisch und digitale Hilfsmittel und Logistik-Komponenten mögen die Brücke schlagen zwischen den geschlossenen Formaten oder Sortimenten und den Kunden zu Hause. Ich bin gespannt, wie viele dieser Innovationen weitergeführt werden, wenn sich die Situation wieder normalisiert und die Ladengeschäfte wieder öffnen dürfen.

Covid-19 Für Sie sind wir auch da in stürmischen Zeiten – wie dieser
Covid-19 – Für Sie sind wir auch da in stürmischen Zeiten – wie dieser

Unter carpathia.ch/corona haben wir viel Wissenswertes zusammengetragen inklusive zahlreicher kostenloser Angebote im Bereich digitaler Weiterbildung, alternativer Vertriebs- und Logistikwege, rechtlicher Aspekte und einiges mehr.  Diese Seite wird auch laufend ergänzt.

Weil wir der Meinung sind, dass Digital-Knowhow allen zur Verfügung stehen soll, offerieren wir von Seiten Carpathia Händlern in Not eine kostenlose Beratung, um mit viel Erfahrung Tipps & Tricks in dieser ausserordentlichen Zeit unterstützen zu können.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

4 KOMMENTARE

  1. Video-Shopping funktioniert wahrscheinlich schon via Whatsapp und Earpods. Man hat immer noch eine Hand frei. Und die Marketing-Seite ist auch interessant. Vielleicht mag das ein Geschäft ausprobieren?

  2. Da passt doch die Initiative von Localivery.org perfekt dazu: Bestelle einfach und direkt über die Messenger-App deiner Wahl bei dem Geschäft nebenan. Bestimmt auhc für den ein oder anderen interessant?

  3. Da kann ich auch nur zustimmen. Der Corona-Virus stellt viele Unternehmen vor ungeahnte Herausforderungen. Insbesondere die Unternehmen, welche sich vor dem Virus noch nicht allzu viel mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse auseinandergesetzt haben, weil es bisher einfach noch nicht nötig war. So kommt eben eine „Corona-Digitalisierung“ zustande. Bei unserem Unternehmen im Übrigen auch.

    Wir haben erst durch die jetzige Situation eine digitale Archivierung implementiert, sodass auch von zu Hause aus auf archivierte Dokumente zugegriffen werden kann. Das Ganze war allerdings längt nötig, so hat uns die Krise den letzten Anstoß gegeben. Ich habe weitere Infos zu einer digitalen Archivierung verlinkt, das hilft bestimmt einigen weiter, die sich jetzt auch digital Aufstellen wollen bzw. müssen. Wie gesagt, aus der Not heraus müssen sich jetzt viele Unternehmen digital Aufstellen. Man muss in diesen Zeiten allerdings das positive Sehen, vielleicht eröffnen sich somit neue Möglichkeit für Unternehmen. Danke für diesen interessanten Artikel!

  4. Ja weiß nicht wie lange die Wirtschaft so noch aushalten wird. Irgendwie habe ich angst von beiden Situationen. Da meine ich an Virus und seine Wirkung auf unserem Organismus . Auf die andere Seite niemand kann uns mit Sicherheit sagen wie lange unser Wirtschaft aushalten kann bis zum totalen Zusammenbruch.

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