Nimmt Corona dem stationären Retail die letzten Vorteile gegenüber dem Onlinehandel?

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Wie wenn die Lage für den stationären Einzelhandel nicht schon seit Jahren ungemütlich wäre, die aktuelle Corona-Krise wird wohl tiefe Spuren hinterlassen und die längst nötige Bereinigung nachhaltig beschleunigen.

Unsere Retail-Vision wies bereits vor Jahren unmissverständlich darauf hin, dass der Detailhandel die verbleibenden Stärken identifzieren und sich darauf fokussieren muss. Als Vorteile haben wir immer wieder thematisiert:

  • Persönliche Beratung und Experience
  • Produktkontakt und Haptik
  • Unmittelbare Verfügbarkeit
Ein stationärer Einkauf in zehn Phasen - Vor- / Nachteile stationärer und digitaler Einkäufe - Grafik: Carpathia AG 2017
Ein stationärer Einkauf in zehn Phasen – Vor- / Nachteile stationärer und digitaler Einkäufe – Grafik: Carpathia AG 2017

Gewarnt wurde jedoch auch davor, dass diese Vorteile und Stärken schnell dahin schmelzen. Doch kaum jemand dachte daran, dass dies so schnell gehen könnte.

Mr. Shopping-Center Marcel Stoffel himself kommt in seiner Analyse zum Ende des Lockdowns zum Schluss, dass dieser die Retail-, Shoppingcenter- und Handelsimmobilienbranche vor massive Herausforderungen stellt.

Wie reagieren die Konsumenten?

Wie und was wird in Zukunft eingekauft?

Sind die Menschen jetzt überhaupt in Konsumlaune?

Durch die schrittweise Wiedereröffnung der Geschäfte, der Gastronomie und den Service- und Dienstleistungsangebote würden in der Branche nicht nur die Hoffnung auf eine Besserung der Situation sondern gleichzeitig auch die Bedenken wachsen.

Denn glaube man den Prognosen von Zukunftsforschern, ändere sich das Konsumentenverhalten nicht nur im Moment sondern auf lange Zeit, so Stoffel weiter. Das GDI (Gottlieb Duttweiler Institut) beschreibt die „Neue Normalität“ wie folgt:

Hygienestandards bleiben hoch, Abstandhalten wird zur Normalität und man berührt in der Öffentlichkeit so wenig Gegenstände wie möglich.

Damit kommen dem stationären Handel jedoch genau auch die letzten verbliebenen Vorteile gegenüber dem Onlinehandel abhanden, der sich während dem Lockdown des Detailhandels in der Versorgung der Bevölkerung beweisen konnte und gleichzeitig jedoch auch derzeitige Kapazitätsgrenzen schonungslos aufzeigte in der eigenen Logistik wie auch in der Sortier- Zustellinfrastruktur.

Bleibt noch die Experience. Doch auch hier scheint sich gemäss Marcel Stoffel eine Verschiebung der Werte abzuzeichnen, wenn auch hoffentlich nur kurzfristig:

Die Begriffe Shopping Experience, Entertainment und Unterhaltung galten bis vor der Krise als Rettungsanker für die Shoppingcenter- und die Retailbranche.

Heute stehen Schutz, Sicherheit, Hygiene und Kontrolle an erster Stelle.

Dies bedingt wohl, dass ohne professionelle und kontrollierte Schutz- und Hygienemassnahmen Shoppingcenter, Retaildestinationen und Marktplätze ihre Kunden wohl nicht mehr zurückgewinnen können.

Gleichzeitig werde sich der Mietermix in den Centern noch schneller verändern als vor der Coronakrise weil etliche Formate die Krise schlichtweg finanziell nicht überleben werden und gleichzeitig die Nachfrage nach Services und Angeboten in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Wellness, Pflege und Beauty, sowie medizinische und kosmetische Behandlungen noch stärker zunehmen werde. So das schonungslose Fazit von Marcel Stoffel.

Die Herausforderungen für den stationären Detailhandel werden alles andere als kleiner und erfordern ein Umdenken in grösseren Dimensionen, was viele auch regelrecht überfordern wird, ob kulturell, strukturell, finanziell oder rein von den vorhandenen Ressourcen jeglicher Art.

Und wer sich bis anhin nicht quasi bedingungslos mit dem Transformationsdynamiken auseinandergesetzt hat, welche die Digitalisierung weit über diese gesundheitlichen Aspekte bietet, der sollte wohl den letztmöglichen Weckruf nicht verpassen.



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Thomas Lang, Betriebsökonom und Wirtschaftsinformatiker, unterstützte Unternehmen bei der Strategieentwicklung von digitalen Vertriebsmodellen, beim Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen, bei Expertisen rund um Onlinehandel und der operativen Umsetzung im Bereich Organisation, Prozesse, Innovation, Change-Management und Unternehmenskultur. Er ist Gründer der Carpathia AG, der unabhängigen und neutralen Unternehmensberatung für Digital-Business, E-Commerce und Digitale Transformation im Handel. Zudem ist er Autor von zahlreichen Fachartikeln und -studien, Dozent für Online-Vertriebsmodelle an verschiedenen Hochschulen sowie gefragter Keynote-Speaker zu E-Commerce und Digital Transformation im Handel. Er ist Initiator und Organisator der Connect - Digital Commerce Conference sowie des Digital Commerce Awards. Der von ihm gegründete Carpathia Digital-Business-Blog (https://blog.carpathia.ch) zählt im deutsch-sprachigen Raum zu den wichtigsten unabhängigen Publikationen im Digitalen Handel. Medien bezeichnen ihn als digitalen Vordenker, zitieren und interviewen ihn regelmässig . Am Mittwoch 17. November hat Thomas Lang für immer die Augen geschlossen.

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