Der grosse Umbruch in der Automobil-Branche (2/3)

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Den Umbruch, den die Automobil-Branche gerade durchläuft, kategorisiere ich in folgende drei Veränderungs-Schwerpunkte:

  • Auto – Die Veränderungen am Auto selbst
  • Verkaufsstrukturen – Neue Wege beim Auto-Verkauf
  • Geschäftsmodell – Mit dem Fahrzeug-Verkauf ist das Geldverdienen nicht abgeschlossen

Im hier vorliegenden Blogbeitrag werden die Verkaufsstrukturen vertiefter behandelt.

Verkaufsstrukturen – Neue Wege beim Auto-Verkauf

Die traditionellen Verkaufskanäle der Auto-Branche sind uns bekannt.
An Messen wie dem Genfer Automobil-Salon und bei Garagen/Händlern mit grösseren und kleineren Showrooms können die Autos „angefasst“ werden. Die Probefahrt ist der „Proof-of-concept“ vor dem Kauf.

Klassischer Auto-Verkauf – Foto von Gustavo Fring von Pexels

Auto-interessierte Personen wissen mehr als die Verkäufer

Selbstverständlich dient das Internet und speziell die Video-Plattformen wie YouTube, immer mehr der Informationsquelle. Gut gemachte Video-Testberichte können den Messebesuch und evtl. auch die Probefahrt ersetzen.
Mit Online-Konfiguratoren kann sich jede Person das Traumauto selbst zusammenstellen. Und wie in anderen Branchen kann sich auch hier die am Kauf interessierte Person mit all den verfügbaren Daten im Internet so gut informieren, dass sie nachher mehr über ein bestimmtes Auto-Modell weiss als der Verkäufer.

Konkurrenz unter Händlern der gleichen Marke

Für den Kauf fühlten sich bisher viele Auto-KäuferInnen verpflichtet, das Auto bei jenem Händler zu erwerben, welcher die Probefahrt ermöglicht hatte.
Einige haben jedoch auch Offerten von anderen Händlern eingeholt oder gar einen Direkt-Import getätigt.
Durch die unterschiedlichen Preise in unterschiedlichen Ländern und den unterschiedlichen Rabatten, welche diverse Händler gewähren, gibt es da Konkurrenz. Auto-KäuferInnen konnten bereits in der Vergangenheit mit etwas Aufwand viel Geld sparen.

Neue Auto-Marken – neue Wege im Online-Vertrieb

Online-Verkäufe von Autos gab es in der Vergangenheit nur selten.
Tests wie jener von Volvo im Jahr 2014 haben in der Branche zu erstauntem Augenreiben gesorgt:

Menschen sind bereit, für CHF 100’000 Online ein Auto zu kaufen, welches sie noch nie gesehen haben!

Die traditionellen Strukturen mit dem Händler/Garagisten als Gatekeeper lösen sich nun immer mehr auf. Allen voran hat Tesla als neue Marke den Direktverkauf vorangetrieben. Die Fahrzeuge werden alle Online zum Verkauf angeboten. Individuelle Rabatte gibt es keine.

Andere Hersteller, aber nicht alle, haben wichtige Punkte verstanden und verfolgen neue Ansätze. Polestar, eine neue Elektroautomarke und Schwester-Firma von Volvo, geht neue Wege. VW beispielsweise verkauft auch die Elektroautos über die angestammten Kanäle.

Die Eckpunkte des Digitalen Vertriebs von Polestar sehen wie folgt aus:

  • Die Autos können ausschliesslich Online gekauft werden.
    Volvo-Garagen können keine Polestar-Fahrzeuge verkaufen.
  • Ein ganz simpler Online-Konfigurator.
  • In der Schweiz sind zwei sogenannte Polestar-Spaces geplant.
    Da kann man dann die Fahrzeuge „anfassen“ und Probefahren.
  • Volvo-Garagen können sich als Service-Partner bewerben.

Mehrere neue Marken wie Tesla bieten übrigens auch einen Mobilen Service an.
D.h. die Garage kommt für die Wartung zum Auto und nicht umgekehrt.

Einfache Auto-Online-Konfiguratoren

Bei vielen traditionellen Marken sind die Online-Konfiguratoren für Autos unglaublich kompliziert und unübersichtlich.
Wählt man eine spezielle Option aus, erhält man oft die Info, dass sich die Wahl dieser Option mit etwas anderem beisst, das man davor ausgewählt hat. Man muss sich dann für das eine oder andere entscheiden.
Klar kann man auf diese Weise sein ganz individuelles Fahrzeug zusammenstellen. Aber man ist sich nie ganz sicher, ob man nun eine schlaue Kombination gewählt hat oder ob man irgend etwas wichtiges vergessen hat. Denn oft sind fast selbstverständliche Dinge optional und müssen bewusst hinzugefügt werden.

Schauen wir uns den Online-Konfigurator des Polestar 2 an:
Dieser ist ganz einfach und genau 5 Dinge können konfiguriert werden:

  • Aussenfarbe
  • Innenfarbe bzw. Lederausstattung oder nicht
  • Performance-Paket (Optik)
  • Anhängerkupplung
  • Felgen

Abgesehen von diesen Punkten hat jeder Polestar 2 das Gleiche an Bord. Das heisst jedes Fahrzeug hat die Vollausstattung.
Damit ist der Online-Kauf wirklich einfach und generiert kaum Fragen.

Für den erfolgreichen Vertrieb von Autos sind einfache Online-Konfiguratoren ein MUST.

Im Vergleich zu anderen Marken, wo keine zwei Fahrzeug gleich konfiguriert werden, dürfte es für Polestar viel einfacher und günstiger sein die Fahrzeuge zu produzieren.
Stichwort „Prozesskosten“.
Und wer später einmal einen gebrauchten Polestar kaufen will wird wissen: Jedes Fahrzeug ist vollausgestattet.

Mit dem Direktverkauf per Internet hat Polestar den direkten Kundenkontakt und vor allem tiefere Vertriebs-Kosten als andere Hersteller. Rabatte gibt es keine oder sie werden bewusst zentral gesteuert.
D.h. die Fahrzeuge von Polestar dürften im Marktvergleich günstiger sein und/oder Polestar kann mehr Marge abschöpfen.

Wertschöpfung optimieren

Polestar und Tesla machen als Hersteller aus meiner Sicht vieles richtig um sich gut zu positionieren und die Wertschöpfung zu optimieren.

Die Vorteile können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Wenige Varianten des Fahrzeugs
    ⇒ Einfache Online-Konfiguratoren, welche den Online-Verkauf vereinfachen
    ⇒ Einfache Prozesse in der Produktion und tiefere Kosten
    ⇒ Alle Fahrzeuge sind vollausgestattet
  • Direktverkauf
    ⇒ Tiefere Kosten im Verkauf
    ⇒ Volle Marge gehört dem Hersteller
    ⇒ Direkter Kundenkontakt

Für Hersteller klingt das alles spannend, für Händler und Garagen weniger.
Es kommt hinzu, dass die Elektroautos viel weniger Aufwand in der Wartung generieren als klassische Verbrenner. Der Anteil der Elektroautos ist noch recht tief nimmt aber jedes Jahr zu. Jedes Jahr gibt es dadurch weniger Arbeit für Garagen.
Garagen und klassische Neuwagen-Händler müssen sich deshalb in mancherlei Hinsicht vorsehen.

 

Der strukturellere Wandel ist nicht in der Zukunft sondern bereits in vollem Gange.

Auto-Abo und Auto-Miete

Neben dem eigentlichen Kauf sind uns bei den Autos auch Finanzierungsmodelle wie Leasing oder auch Kleinkredite bestens bekannt.

Relativ neu und stark am wachsen sind Langzeit-Miet-Modelle oder auch Auto-Abos mit monatlich fixen Kosten.

Als Hersteller bietet beispielsweise BMW ein Auto-Abo an.

Vorteile eines Auto-Abos sind i.d.R. folgende:

  • Rundum-sorglos-Paket, welches alle Kosten enthält inkl. Wartung Versicherung, Reifenwechsel, usw.
  • Als Auto-Abonnent muss man sich um fast nichts kümmern
  • Im Gegensatz zum Leasing sehr kurz oder keine Laufzeiten und Kündigungsfristen
  • Im Gegensatz zum Leasing keine Anzahlung
  • Planbare Kosten bzw. kleineres finanzielles Risiko, da die Wartung in den monatlichen Kosten enthalten ist
  • Möglichkeit des Fahrzeug-Wechsels

Neben den Herstellern gibt es auch immer mehr private Anbieter, welche Autos zur Langzeit-Miete anbieten. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen einer kurzen Auto-Miete z.B. in den Ferien und der Langzeit-Miete.

Zwar bieten auch die altbekannten Auto-Vermieter wie z.B. Sixt Autos zur Langzeit-Miete an, aber diverse neue Markt-Player wie CARVOLUTION, CLYDE, FlatDrive  oder UPTO bieten Miet- und Abo-Modell an.

Shareconomy

Für die gelegentliche Nutzung eines Autos bieten sich Modelle wie das allbekannte Mobility an. Während Mobility die Fahrzeuge als Firma zur Verfügung stellt, gibt es Sharing-Modelle, bei welchen die Fahrzeuge von Konsumenten angeboten werden – C2C statt B2C.

Man darf gespannt sein, ob und wie sich diese Modelle entwickeln werden. Denn Sharoo, eine recht bekannte Auto-Sharing-Plattform, hat im Sommer 2020 den Dienst eingestellt. Nach dem gleichen Prinzip arbeitend gibt es noch 2EM.

Ebenfalls gespannt darf man sein, wie schnell es in Zukunft echt selbst fahrende Autos geben und was dies für Veränderungen hervorrufen wird. Das Uber/Taxi ohne den Fahrer wird die Auto-Branche nochmals kräftig durchrütteln. Die Motivation ein eigenes Auto zu kaufen wird massiv abnehmen.


Übersicht der drei Teile dieses Blogbeitrag-Serie zum Thema „Der grosse Umbruch in der Automobil-Branche“:



2 KOMMENTARE

  1. Es gibt aber noch eine wesentliche Veränderung. Der Autokauf per Click ist ja nur der Anfang und Tesla hat dies ja schon seit mehreren Jahren bewiesen, dass dies geht. Die alte Legacy der Automarken sowie die kaum vorhandene Digitalisierung der Branche hat dazu geführt dass aber noch ganz neue Modelle in die Presche steigen: Das Auto-Abo. Hier als Beispiel http://www.carvolution.com oder auch http://www.cluno.de. Der grosse Vorteil der Auto-Abos liegt im Preis und der Unabhängigkeit der Abonnenten. Jedes Auto kann ganz einfach zurück gegeben werden und alle die Unannehmlichkeiten, die der Besitz eines Autos mit sich bringt über der Anbieter.
    Das ist die Zukunft der Mobilität. Und viele gehen davon aus, dass bereits in 5-10 Jahren mehr als 50% der Autos im Abo unterwegs sind.

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