Retail Outlook 2021: Der Detailhandel auf Achterbahnkurs

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Stets zu Jahresbeginn veröffentlicht die Credit Suisse ihren Retail Outlook. Die Studie bringt interessante Erkenntnisse zur Stimmung und Entwicklung des Schweizer Detailhandels und stützt sich u.a. auf die Befragung von über 120 Top-Entscheidungsträger*innen der Schweizer Handelslandschaft. Im Zentrum der neusten Ausgabe stehen die Auswirkungen der Corona-Schutzmassnahmen.

Rückblick 2020

Wohl noch nie in den letzten Jahrzehnten ist der Detailhandel derart durchgerüttelt worden, wie im 2020. Das Jahr war geprägt von vielseitigen Corona-Schutzmassnahmen, die sich in unterschiedlicher Art und Weise, teils massiv auf den Geschäftsgang der Unternehmen ausgewirkt haben. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass insgesamt der Detailhandel von der COVID-19-Pandemie profitiert hat. Dies ist bemerkenswert, angesichts der erlebten Unsicherheiten und mehrfach kurzfristig geänderter Einschränkungen.

Die Umsatzentwicklung der einzelnen Geschäfte unterscheidet sich jedoch stark:

Im vergangenen Jahrzehnt hat es nie so viele Unternehmen gegeben, die das Umsatz- und Gewinnbudget deutlich übertroffen oder deutlich verfehlt haben wie im 2020. Es gibt situationbedingt für 2020 also klare Gewinner und Verlierer.

Zu den grössten Profiteuren gehören das Segment Food/Near-Food und Unternehmen mit starker Positionierung im E-Commerce. Jenen Akteuren war es erlaubt bzw. möglich, auch während des Lockdowns (März, April, Mai), ihre Kunden zu bedienen. Mit der Schliessung von Restaurants und dem stationären Non-Food Handel sowie den Grenzschliessungen (Einkaufstourismus) hat sich die Nachfrage auf diese „offen“ gebliebenen Anbieter konzentriert.

Im März, April und Mai betrug das Umsatzplus im Food- und Near-Food-Segment im Vergleich zu den Vorjahresmonaten jeweils ca. 20%. Nachdem Gastronomieunternehmen ihren Betrieb ab dem 11. Mai wieder aufnehmen durften und die Landesgrenzen ab dem 15. Juni geöffnet wurden, kamen die Food-Umsätze wieder leicht zurück.

Detailhandelsumsätze im Jahresverlauf 2020
Schweizer Detailhandelsumsätze im Jahresverlauf des Corona-Jahrs 2020, Quelle: Credit Suisse Retail Outlook 2021

Nach der Wiedereröffnung des stationären Handels haben vor allem die Segmente DIY/Garten/Autozubehör, Freizeit, Personal Care und Gesundheit, Haushalt und Wohnen sowie Heimelektronik einen Boom erlebt und verlorene Umsätze (stationär) in kurzer Zeit aufholen können.

Für den Onlinehandel rechnen die Studienautoren mit einem Jahresumsatzplus von 55%. Wir erachten dies als zu hoch angesetzt und gehen von einem Wachstum von 35% aus. (siehe hier).
Über das ganze Jahr betrachtet, profitierte der Detailhandel vom Mangel an Konsum-Alternativen wie Auslandreisen, Freizeitangebote und Gastronomie.

Zalando-Umsatz falsch berechnet

Der Retail Outlook kommt zum Schluss, dass Zalando in der Schweiz 2020 einen Umsatzrückgang zu verzeichnen habe. Dass diese Berechnung falsch ist, ist jedem klar, der mit dem Onlinehandel vertraut ist. Die CS beruht sich auf die Rückfuhren nach Deutschland gem. Zollstatistik, was nicht nur eine abenteuerliche Herleitung ist, sondern für Analysten einer Grossbank irritiert.

Wir sind noch am Erheben der Umsatz- und Paketzahlen für 2020 von Zalando.ch, können jedoch bereits jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit bestätigen, dass der Umsatz erneut gesteigert werden konnte und Zalando wohl die Umsatzmilliarde in der Schweiz erreicht hat. Die CS-Berechnung können wir widerlegen, wenn wir uns nur schon auf folgende Fakten stützen:

  1. Zalando ist im DACH-Raum bis und mit 3. Quartal 2020 gemäss offiziellen Zahlen profitabel gewachsen mit einem Plus von 25% auf Basis GMV (siehe Blogbeitrag zu Q3 Zalando Zahlen). Die von der CS angeführten Argumente, dass wegen Corona und Home-Office weniger Fashion gekauft wurde, ist damit widerlegt. Denn Corona rsp. die Shutdowns in DE und AT waren gar heftiger als in der CH und trotzdem legte Zalando markant zu.
  2. Die Paketanzahl hat nach unseren ersten Hochrechnungen erneut zugenommen.
  3. Die Retourenquote konnte aufgrund der provisorisch ermittelten Paketmenge gar leicht reduziert werden.
  4. Besonders stark wächst bei Zalando das Plattform-Geschäft, also mit direkten Verkäufen von Dritten, viele davon mit eigenem Fulfillment. Die Retouren von Dritten gehen idR direkt an diese zurück und erscheinen mutmasslich nicht in den von der Credit-Suisse konsultierten Rückfuhren im Zalando-Zoll-Konto.
  5. Durch das neue Fulfillment-Center in Italien ist viel aus dem Süden in die Schweiz gelangt und wieder dort retourniert worden. Evtl. auch in einem anderen Zoll-Konto liebe CS?

Aus genannten Gründen erachten wir, wie zahlreiche weitere Experten auch, den im Retail-Outlook publizierten Umsatzrückgang 2020 von Zalando in der Schweiz als falsch.

Sinkende Fussgängerfrequenzen mit Folgen auf Standortattraktivität

Ein florierender städtischer Detailhandel braucht hohe Fussgängerfrequenzen als Voraussetzung für Spontankäufe und praktische Erledigungen auf dem Weg zwischen Büro und Zuhause.

Verbreitetes Homeoffice und geschlossene Universitäten und Schulen haben die Fussgängerfrequenzen während des Lockdowns zeitweise um bis zu 80% in städtischen Gebieten verringert. Besonders stark war der Rückgang rund um Ausbildungsstätten und in Büroquartiere. Entsprechend markant dürften die Umsätze bei Geschäften in jenen Arealen eingebrochen sein.

Rückgang Fussgängerfrequenzen während Lockdown
Rückgang der Fussgängerfrequenzen in der Stadt St.Gallen während des Lockdowns im Frühjahr 2020, Quelle: Credit Suisse Retail Outlook 2021

Weniger ausgeprägt war der Rückgang in Wohngebieten und ländlichen Regionen. Für die zukünftige Entwicklung der Fussgängerfrequenzen stellt sich die Frage, in welchem Ausmass das Homeoffice nach der Pandemie bestehen bleibt. Die Autoren der Studie gehen je nach Region und Quartier mittelfristig von einem Rückgang zwischen 5% und 30% aus.

Innerhalb der Städte ist der Rückgang der Frequenzen in Quartieren, in denen besonders viele Büros angesiedelt sind und in Mischgebieten deutlich ausgeprägter als in Wohnquartieren. In St. Gallen weist die Innenstadt einen Einbruch der Hektar-Fussgängerfrequenzen um 20% bis 30% auf.

Diese Aussichten sind vor allem für innenstädtische Händler mit Artikeln des täglichen Gebrauchs herausfordernd und es stellt sich die Frage, ob urbane Wohnquartiere als Standortalternativen in Betracht gezogen werden müssen.

Ausblick 2021

Aufgrund ausserordentlich guter Umsatzzahlen 2020 in vielen Segmenten, insbesondere beim Food/Near-Food, wird es schwierig, diese im 2021 zu übertreffen. Für den Bereich Food/Near-Food rechnen die Autoren mit einem Rückgang von 6%. Dies vor dem Hintergrund voraussichtlich wiedereröffneter Gastronomiebetriebe ab März und eines wiedererstarkten Einkaufstourismus.

Für den Non-Food-Bereich wird eine Umsatzzunahme von 2% erwartet, massgeblich getrieben von einer Erholung im Bekleidungs- und Schuhgeschäft. Ganz grundsätzlich bleiben die Unsicherheiten hoch und verlässliche Planungen ein schwieriges Unterfangen. So sind die stets optimistischen Detailhändler bei den Umsatzprognosen 2021 vergleichsweise zurückhaltend. Mit 51% erwartet nur etwas mehr als die Hälfte aller Unternehmen ein Umsatzwachstum – im Langzeitvergleich ein tiefer Anteil.

Umsatzprognosen Detailhändler im Langzeitvergleich
Umsatzprognosen der Detailhändler im Langzeitvergleich, Quelle: Credit Suisse Retail Outlook 2021


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