Weshalb gendergerechtes Schreiben wichtig ist

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Die Sprache beeinflusst unser Denken. Verändern wir die Sprache, verändern wir unser Denken. Lasst uns dies nutzen, um eine gleichberechtigte Welt zu schaffen, ganz nach dem Motto des heutigen internationalen Frauentages #ChooseToChallenge.  

Es gibt ein bekanntes Rätsel, welches schön aufzeigt, weshalb gendergerechtes Schreiben wichtig ist:

Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie erleiden einen schweren Unfall, bei dem der Vater sofort stirbt. Der Sohn wird mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Spital eingeflogen. Die Operation wird vorbereitet, alles ist bereit. Der operierende Arzt erscheint, wird blass und sagt: «Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!». Wie kann das sein?

Die Lösung ist einfach, der operierende Arzt ist eine Frau. Die Mutter des Kindes.

Vermutlich werden sich jetzt einige denken, das Rätsel könne doch einfach umformuliert werden in […] die operierende Ärztin erscheint, wird blass […] womit die Lösung offensichtlich wäre.

Ja genau, könnte es. Doch genau da zeigt sich das Problem in der ganzen Diskussion rund um die gendergerechte Sprache. Gerne wird das Argument ins Feld geführt, dass Frauen ja immer mitgemeint seien, auch wenn zur besseren Lesbarkeit rein die männliche Form in Texten verwendet wird. Das kleine Rätsel, wie auch etliche Studien zeigen, dass genau dies nicht funktioniert. Wird die männliche Form in Texten verwendet, haben die Lesenden automatisch männliche Personen vor ihrem inneren Auge. So auch im Rätsel. Die Möglichkeit, dass auch eine Frau gemeint sein könnte, wird automatisch ausgeschlossen.

Wie gendergerecht geschrieben werden kann

Um gendergerecht zu schreiben, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Empfehlungen ändern auch immer mal wieder. Wichtig ist, dass die Auseinandersetzung mit der Sprache und den Möglichkeiten erfolgt, so dass die Schreibenden den passenden Stil für sich und den zu verfassenden Text wählen können.

Ich bin ein Fan von kreativen Umformulierungen und neutralen Formen. Persönlich finde ich die Texte dadurch noch immer gut zu lesen. Es findet keine Stereotypisierung statt und es fordert mich als Schreibende heraus, aus gewohnten Satz-Mustern auszubrechen. Dabei verwende ich auch gerne einmal die Mehrzahl / Pluralform, denn dadurch entstehen genderneutrale Formulierungen. Wichtig ist mir weiter, dass ich Einzelpersonen mit dem korrekten Geschlecht anspreche.

Neben den von mir bevorzugt verwendeten Möglichkeiten, gibt es weitere, um die Texte gendergerecht zu gestalten. So kann mit Geschlechtern gespielt und diese konkret adressiert werden, um stereotype Rollenzuschreibungen zu vermeiden. Paradebeispiele für solche Verwendungen sind der Krankenpfleger, die Bauarbeiterin, der Sekretär oder die Informatikerin.

Auch die Verwendung des Gender -Sternchens, -Gaps oder -Doppelpunktes sind Möglichkeiten, um beide Geschlechter in Texten zu adressieren. Beispiel für die Verwendung der genannten Elemente sind: Marketing Manager*in, Marketing Manager_in, Marketing Manager:in.

Die neutralen Formulierungen sowie die Verwendung des Gender-Sternchen, -Gaps oder -Doppelpunktes haben gegenüber der Variante, bei der mit den Geschlechterrollen gespielt wird, einen entscheidenden Vorteil: Sie sind inkludierend. Denn durch sie werden nicht nur die binären Geschlechter adressiert, sondern auch all jene Personen, welche sich keinem binären Geschlecht zuordnen.



15 KOMMENTARE

  1. Das ?Rätsel? ist keins sondern wirkt wie zerbastelte Wortklauberei. Wie sie selber aufzeigen war das schon immer ohne Probleme möglich das korrekt zu beschreiben.

    Und das Arzt immer einen männlichen Part vor dem Inneren Auge erscheinen lässt ist ein Urban Myth, Alle Ärzte in den letzten 20 Jahren die ich aufgesucht habe waren Frauen, es fällt mir eher schwer da Männer vor meinem geistigen Auge erscheinen zu lassen. Das mag bei jedem anders sein, je nach persönlichem Umfeld hat aber nichts mit der Schreibweise zu tun.

    Aber Arzt ist ein gutes Beispiel um zu zeigen wie kaputt die rein Ideologie getriebenen Wortgefechte mittlerweile sind.

    Denn bei vielen Berufen geht das „Gendern“ schlicht nicht ohne die männliche Variante zu zerstören
    Ärztin
    Ärzt*in
    Ärzt_in

    Was ist mit dem Arzt?

    Erscheint mir eher um einen Glaubenskampf zu gehen statt darum real existierende Probleme anzugehen. Wieviele Resourcen so sinnlos verschwendet werden geht auf keine Kuhhaut.

    Und Bauarbeiterin? Ehrlich? 99.99% davon sind Männer. Sie werden auch mit keiner Schreibweise der Welt dafür sorgen können das sich der Anteil erhöht und Frauen diesen Beruf öfter ergreifen. Wozu auch, die meisten anderen Jobs sind nicht halb so anstrengend und dankbarer.
    Das man einen Beruf ablehnt weil er nicht korrekt gegendert wurde halte ich für nahezu ausgeschlossen.

    • Leider ist es kein Urban Myth, dass bei Nennung der männlichen Form sich automatisch eine männliche Person vorgestellt wird. Dies wurde bereits in etlichen Studien und Experimenten bewiesen. Auch hat sich gezeigt, dass Berufe, welche in einer geschlechtergerechten Sprache dargestellt werden, als eher erreichbar eingeschätzt werden und sich eher getraut wird, einen solchen Beruf zu ergreifen. Dies kann dazu führen, dass Berufe abgelehnt werden, weil diese nicht korrekt gegendert werden.

      Dazu eine kleine Quellen-Auswahl:
      Vervecken, Dries & Hannover, Bettina. (2015). Yes I Can! Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children’s Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy. Social Psychology. 46. 76-92. 10.1027/1864-9335/a000229.
      Belle, D., Tartarilla, A.B., Wapman, M. et al. “I Can’t Operate, that Boy Is my Son!”: Gender Schemas and a Classic Riddle. Sex Roles (2021). https://doi.org/10.1007/s11199-020-01211-4
      Stahlberg, D., Sczesny, S., & Braun, F. (2001). Name your favorite musician: Effects of masculine generics and of their alternatives in German. Journal of Language and Social Psychology, 20(4), 464–469. https://doi.org/10.1177/0261927X01020004004

  2. Sehr gut. Bin froh, dass dieses Thema wieder 1x auf dem Trapez erscheint. Das Genderthema in der deutschen Sprache war während meines Studiums in den 1980iger Jahren ein Thema… danach immer wieder kurz aufgeflackert. Nun, immerhin wurde daraf hin „das Fräulein“ abgeschafft.

  3. Ja klar!
    Und auch Austragendes Elternteil (für Mutter) und Nicht-gebärendes Elternteil (für Vater) bitte nicht vergessen, ist nämlich sehr wichtig. Auch Muttermilch sollte jetzt endlich mal in gendergerechte „Menschliche Milch“ umbenannt werden.

    https://www.tagblatt.ch/meinung/papa-blog/papa-blog-wir-papas-heissen-jetzt-nicht-gebaerendes-elternteil-und-muttermilch-sollen-wir-auch-nicht-mehr-sagen-ld.2106556

    Einfach gestört dieser Genderwahnsinn. Dekadenz war übrigens mitunter der Untergang vieler Hochkulturen!

    • Eine konstruktive Diskussion zum Thema gendergerechtes Schreiben fände ich spannend!
      Es hat sich in diversen Studien gezeigt (vgl. Kommentar weiter oben), dass sich bei Nennung der männlichen Form automatisch eine männliche Person vorgestellt wird. Denn die Sprache beeinflusst unser Denken. Sprechen wir jeweils nur in der männlichen Form, denken wir auch nur in der männlichen Form. Schliessen wir die weibliche Form auch in unsere Sprache ein, können wir diese Denkmuster aufbrechen. Was spricht dagegen, auch die Frauen und nicht wie bisher häufig nur die Männer zu adressieren?

      • Dagegen spricht in erster Linie der Lese- und Redefluss, sowie die Verständlichkeit eines Textes.
        Wenn ich in einem Text „Eltern“ schreibe, sind automatisch Mutter und Vater gemeint. Muss ich den Text vom Lesefluss her dann unbedingt verschlechtern und in die Länge ziehen indem ich „Austragendes Elternteil und Nicht-gebärendes Elternteil verwende? Das kann ja kein Mensch mehr verstehen!
        Wenn die Wissenschaft daran festhalten will, dann soll sie daran ihre Freude haben. Ich für meinen Teil werde immer den Begriff „Eltern“ verwenden, denn ich möchte in meinen Texten ja verstanden werden.

  4. Eine Ärztin, die als Arzt bezeichnet wird – na ja, das ist einfach ein schlecht geschriebener Text, nichts anderes.
    Grammatik und rudimentäre Rechtschreiberegeln reichen für die Sprache aus, und es ist eine wahre Freude, wenn sie vom Sprachgebrauch einerseits und von kreativen Schriftstellern andererseits in die Zange genommen und dekonstruiert werden. Weitere Regeln einzuführen, mit deren Hilfe sich Sprechende und Schreibende als moralisch gut und richtig darstellen können, ist fehl am Platz, missbraucht die Sprache. Ideologisierte Sprache hat denn auch ein schnelles Verfallsdatum. Wer das nicht glaubt, möge sich doch einfach einmal einen Fachartikel oder das Vorwort zu einer Dissertation aus dem real existierenden Sozialismus zu Gemüte führen….

    Noch eine Übung für die Autorin, die ja definitiv und sichtbar kein Autor ist: Sie soll doch bitte einen funktionierenden Seo-Text zu einem Fokuskeyword mit Gendersternchen schreiben. Schliesslich geht es hier ja unter anderem um E-commerce…. Ach ja, und ich schreibe dann einen ohne Gendersternchen- wollen wir wetten, wer von uns beiden gewinnt? Höre ich dann vielleicht, dass Google kein fairer Schiedsrichter sei. Damit bin ich voll und ganz einverstanden! Aber so ist es nun mal im E-commerce. Und um den geht es hier – oder etwa nicht?

  5. Vielen Dank für diesen wunderbaren kurzgehaltenen und faktenbasierten Artikel zu einem wichtigen Thema. Die (männlichen) Kommentare lassen für mich darauf schliessen, dass Artikel dieser Art sehr wichtig sind (auch im e-commerce) um auf Misstände in der Gleichstellung hinzuweisen.

  6. Also bevor die Sprache noch mehr verunglimpft wird mit Sternchen hier und endlos verlängerten Zeilen die nun wirklich keiner lesen mag, einfach ein Beispiel aus dem Englischen nehmen. Die Artikel „Der Die Das“ ersetzen durch „the“ und alle sind glücklich.
    Ein solches Fass aufzumachen wegen Nichts ist schon bemerkenswert.

  7. Das innere Auge mag vielleicht tatsächlich das Gehirn etwas überlisten, und auch ich bin für die Gleichbehandlung der Geschlechter, das Beispiel ist aber tatsächlich schlecht gewählt. Wer in einem solchen Kontext wie im vorliegenden Beispiel nicht die weibliche Form verwendet, ist wohl einfach nicht zum Schreiben von Texten prädestiniert.
    Und es könnte ja auch sein, dass es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar handelt…!?!

    Ich selbst habe gerade geschäftlich damit zu kämpfen, dass ich Texte gender-neutral formulieren muss. Was entsteht daraus? Unpersönliche Texte, weil frau/man(n) wo’s geht umschreibende Begriffe, idealerweise in der Mehrzahl, wählen soll oder aber unglaublich komplizierte Formulierungen mit Sternchen, Schrägstrichen und diversen „und“ und „oder“ verwenden muss. Für einen einfachen Brief im Format A4 habe ich letztens statt 30 Minuten satte 3 Stunden gebraucht, weil das Ganze jetzt ja inzwischen auch noch von höherer Stelle abgesegnet werden muss.

    Deshalb bin ich noch immer der Meinung, dass frau/man(n) überlegt und der jeweiligen Situation angepasst entscheiden sollte, ob die weibliche oder männliche Form zum Einsatz kommen soll und abschliessend ein Hinweis platziert werden sollte, dass die Verwendung sowohl der weiblichen als auch der männlichen Schreibweise jeweils alle drei sozialen Geschlechter (weiblich, männlich, divers) gleichwertig berücksichtigt.

  8. Vielen Dank für die vielen Kommentare, Anregungen und Meinungen zu dem Thema!
    Dies zeigt, dass bezüglich gendergerechtem Schreiben noch viel Diskussionsbedarf besteht. Damit angefangen ob das Thema für sinnvoll gehalten wird, bis hin zu der konkreten Umsetzung von gendergerechtem Schreiben.

  9. Interessanter Beitrag zur Erinnerung! im UX Design agiert man mit „Personas“, ich vermute genau, weil Sprache unser Denken beeinflusst.

  10. Ich versuche jeden Tag mit offenen Augen, offenem Herzen und viel Willen an Selbstkritik zu beginnen. Stehts bemühe ich mich die Argumente der anderen Seite zu verstehen und hinterfrage auch die eigenen.

    Ich konnte aber in der ganzen Genderdiskussion bis Dato noch nichts finden welches eine Diskussion überhaupt rechtfertigt. Ganz im Gegenteil… Ich erkenne immer wieder nur 3 Standpunkte.

    1. Die des Betroffenen, welcher nicht weiss ob Männlein oder Weiblein und mit dieser Unsicherheit und der Frage nach der korrekten Formulierung das Thema belebte.

    2. Der ewig ablehnende, auch konservative welcher Dagegen ist.

    3. Die Rolle des Unterstützers welcher für die Sache ist, aber sich im Grunde mit der „Unterstützung“ nur irgendwo oder jemandem gegenüber (evtl. auch sich selbst) profilieren will.

    Keiner der 3 Standpunkte löst das Problem, da es sich um Standpunkte handelt.

    Genderneutral hat für mich bis Dato nur eine Bedeutung… eine gemeinsame Toilette oder zumindest ein geteilter Haupteingang zu dergleichen.

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