Mit diesem Beitrag begründen wir unsere neue Blog-Serie „Praxis-Insights„. Mittelständische Unternehmen berichten von ihren E-Commerce-Erfahrungen, den wichtigsten Learnings und ihren Herausforderungen. Unsere Interviewpartner nominieren den nächsten Kandidaten und geben uns gleich eine Frage mit auf den Weg. Es bleibt also spannend, auch für uns.
In unserem ersten Interview dieser Reihe befassen wir uns mit Lubera.ch, dem bekannten Onlineshop rund ums Gärtnern. Wir durften uns mit Markus Kobelt unterhalten, der uns tiefe Einblicke in die Erfahrungen von Lubera gewährt hat.
Über Markus Kobelt, Gründer und Inhaber von Lubera: Werte, etwas Bleibendes, auch etwas Lebendes zu schaffen, das treibt Markus Kobelt an. In seiner ersten Karriere hat Markus Kobelt Literatur studiert. Mit der Hinwendung zur ‚grünen Berufung‘ hat er aber das Wort nicht einfach an den Nagel gehängt, sondern es ist eine entscheidende Kraft geblieben, die ihn und Lubera in Bewegung hält.
[Carpathia] Kannst Du uns bitte etwas über Lubera, das Geschäftsmodell von Lubera und eure Kunden sagen?
[Markus Kobelt] Wir vertreiben im Wesentlichen Pflanzen direkt über unser Onlinegeschäft an Endkunden. Unsere Kunden sind hauptsächlich Hobbygärtner, die Gärtnern als wichtige Nebensache sehen. Zu einem kleineren Teil beliefern wir auch Händler, in der Schweiz zum Beispiel die Landi.
Nebst den Pflanzen führen wir auch ein Hartwaren-Sortiment. Dieses ist überschaubar und beschränkt sich auf Produkte, die direkt mit Pflanzen zu tun haben. Unsere Pflanzen züchten und produzieren wir selbst in der Schweiz und in Deutschland. Über 60% der verkauften Pflanzen stammen aus der eigenen Produktion.
[Carpathia] Welches sind die Gründe, weshalb Kunden bei euch kaufen? Ist euer Geschäftsmodell verteidigbar?
[Markus Kobelt] Bequemlichkeit, Verfügbarkeit und Sortiment sind die drei wichtigsten Faktoren, weshalb Kunden bei uns einkaufen. Im Vergleich zu einem Gartencenter haben wir mit rund 5’000 Pflanzen eine sehr grosse Auswahl. Auch die Verfügbarkeit unserer Produkte ist zwischen Mitte Februar und Weihnachten stabil. Das schaffen Gartencenter oder Baumärkte nicht. Zudem liefern wir sehr viele Informationen und Content zu den Pflanzen.
Die Gefahr, dass unser Geschäftsmodell kopiert wird, ist relativ gering. Wir sind sehr Asset Heavy. Ein Beispiel: Unser Inventar entspricht etwa unserem Jahresumsatz.
Aus Investorensicht ist das nicht sonderlich interessant. Um das Investment geringer zu halten, versuchen Mitbewerber teilweise die Pflanzen nur zu handeln, anstatt selbst zu produzieren. Dies verkompliziert das Geschäftsmodell umso mehr, denn der Umgang mit lebenden Pflanzen ist nicht einfach.
[Carpathia] Wie gross seid ihr und in welchen Regionen oder Ländern seid ihr aktiv?
[Markus Kobelt] Wir haben an beiden Standorten, also in Deutschland und in der Schweiz, jeweils 25 Mitarbeitende. Über unser D2C-Geschäft, erwarten wir dieses Jahr einen Umsatz von ca. CHF 10 Mio.
Aktiv sind wir im DACH Raum. Auch in England haben wir einen Versuch gestartet. Wegen dem Brexit müssen wir leider die Übung in UK vorläufig abbrechen: Wir könnten Pflanzen nur noch mit einem sogenannten Pflanzenschutzzeugnis versenden, und das kostet pro Bestellung zwischen 50 und 80 Euro. Das ist bei einem Warenkorb von deutlich unter 100 Pfund nicht zu machen.
Sehr intensiv prüfen wir aktuell eine französischsprachige Seitenvariante, denn die wäre für die Schweiz, Belgien und Frankreich interessant.
[Carpathia] Seit wann verkauft ihr online und was bedeutet für euch E-Commerce?
[Markus Kobelt] Wir haben nicht direkt mit dem Onlinehandel begonnen. Der Grosshandel und die Gartencenter waren früher unser Hauptfokus. Die Firma habe ich 1993 gegründet. Bis zum Einstieg in den Onlinehandel zwischen 2004 und 2006 haben wir diverse Geschäftsmodelle durchlaufen. Der Grund für den Einstieg in den Onlinehandel war die Nähe zum Kunden, damit waren wir aber deutlich zu früh.
Vor ca. 8 Jahren, als wir den Betrieb in Deutschland hochgefahren haben und uns auch auf den deutschen Markt eingestellt haben, konnten wir unseren Onlinevertrieb professionalisieren.
Seit 5 Jahren ist uns klar, dass der Direktvertrieb für uns zum dominierenden Vertriebskanal wird, weil wir wissen, dass die Kundennähe uns auch eine gewisse Sicherheit gibt.
Der Aufbau des Onlinehandels hat uns viel Zeit gekostet. Das hängt zu einem grossen Teil mit dem hohen Investitionsbedarf zusammen, denn das benötigte Inventar muss zuerst aufgebaut werden und die selbst produzierten Pflanzen sind im Durchschnitt 1.5 bis 2 Jahre bei uns, bevor sie verkauft werden können.
[Carpathia] Welches sind aktuell eure wichtigsten Absatzkanäle und welche werden in naher Zukunft eure wichtigsten Absatzkanäle sein?
[Markus Kobelt] Uns ist es sehr wichtig, nahe bei Kunden zu sein, deshalb ist unser eigener Shop der wichtigste Absatzkanal. Wir haben auch über diverse Marktplätze, wie Amazon, Mein schöner Garten oder Galaxus vertrieben. Das Problem ist jedoch, dass der Marktplatz “Rented Land” ist und der Kunde dem Marktplatz “gehört”. Auch haben wir gemerkt, dass der erzielte Warenkorb über die Marktplätze zwischen 30-50% kleiner ist als der durchschnittliche Warenkorb unseres eigenen Shops. Da sind wir dann an der Grenze zur Rentabilität.
Wir mussten einen Grundsatzentscheid treffen, um unsere Kapazitäten gezielt einsetzen zu können, deshalb haben wir uns schliesslich von allen Marktplätzen zurückgezogen. Solange wir kein Wachstumsproblem haben, werden die Marktplätze für uns nicht mehr relevant sein.
[Carpathia] Wie erreicht ihr neue Kunden? Wie wichtig ist euch der direkte Kundenzugang und wie sichert ihr diesen?
[Markus Kobelt] Wir unterscheiden unsere Kunden in drei Typen. Das sind zum einen die Tells-Kunden aus dem Loyalty-Programm. Teilnehmende Kunden erhalten für jede EUR 25 oder CHF 25 Umsatz einen Tells-Apfel. Diese können im Kundenkonto gesammelt und für den nächsten Einkauf in Rabattpunkte eingetauscht werden. Ein Tells-Apfel entspricht einem Prozent Rabatt.
Diese Tells-Kunden, hauptsächlich Stammkunden, machen ca. 50-60 % des Umsatzes aus. Das Loyalty-Programm ist für uns sehr wichtig.
Dann haben wir Stammkunden, die nicht Tells-Kunden sind. Diese machen etwa 15 % des Umsatzes aus. Der Rest, also 25-35% sind Neukunden, die über SEO und SEM zu uns kommen. Unser Fokus bei der Kundengewinnung liegt auf Content, der grösstenteils über Suchmaschinen und Youtube gefunden wird. Social Media haben wir getestet, aber bei uns funktioniert das nicht, bzw. rechnet sich nicht. Aktuell läuft ein Versuch auf Pinterest. 95 % unserer Werbebudgets läuft jedoch über Google.
[Carpathia] Welches waren für euch die grössten Learnings und Fehler im E-Commerce?
[Markus Kobelt] Ein Learning war, dass wir zu früh in den E-Commerce eingestiegen sind, denn der Markt war noch nicht bereit. Auch wäre ein früherer Schritt nach Deutschland gut gewesen, da der deutsche Markt viel kompetitiver ist und wir deshalb früher gezwungen gewesen wären, uns zu professionalisieren.
Der grösste Fehler war jedoch, dass wir bis vor vier Jahren kein SEO gemacht haben.
Gerade in der Schweiz, mit einem sehr beschränkten Markt, funktioniert SEO sehr gut, wird aber auch oft unterschätzt. Gute Texte schreiben reicht nicht aus, man muss die SEO-Regeln befolgen. SEO ist im Moment bei uns allgegenwärtig und das beginnt schon beim Produktnamen. Dafür haben wir unsere Mitarbeitenden intern geschult, auf eine SEO-Abteilung haben wir jedoch verzichtet.
[Carpathia] Was ist noch heute eure grösste Herausforderung im E-Commerce?
[Markus Kobelt] Wachstum ist unsere grösste Herausforderung. Wir haben mit ca. 30 % Wachstum pro Jahr ambitionierte Ziele. Die Schwierigkeit liegt darin, den ganzen Betrieb, inklusive der Produktion, in diesem Tempo mit zu ziehen.
Unsere Wachstumsziele möchten wir zum Teil auch durch einen Sortimentsausbau erreichen. Dieses Jahr haben wir ein breites Samensortiment aufgenommen, das wir ab unserem eigenen Lager liefern.
Im späten Frühjahr möchten wir, sofern alles klappt, Zimmerpflanzen ins Sortiment aufnehmen.
[Carpathia] Habt ihr Konkurrenz aus dem Ausland und wie geht ihr damit um?
[Markus Kobelt] Wir haben nur wenige Mitbewerber ausserhalb der Schweiz, die in die Schweiz liefern. Die Herausforderung für ausländische Unternehmen besteht in den teuren Transportkosten in die Schweiz und den Regularien beim Pflanzentransport über die Grenze. Dadurch haben wir im B2C-Geschäft wenig Importdruck. Das ist aber nicht nur positiv, denn dadurch wir man nicht kompetitiver.
Deshalb sind wir froh, auch auf dem deutschen Markt tätig zu sein, dort zu lernen und das Gelernte auch in der Schweiz umsetzen zu können. Da wir in einem Nischenmarkt sind, helfen uns auch die Skaleneffekte aus Deutschland, um hier in der Schweiz kosteneffizienter zu arbeiten.
[Carpathia] Wie hat sich COVID19 bei euch ausgewirkt?
[Markus Kobelt] Wir konnten aufgrund COVID einen klaren Umsatzanstieg verzeichnen. Zudem ist die Kategorie Pflanzen wichtiger geworden. Das wird vermutlich auch nach COVID noch anhalten. Insgesamt ist Gärtnern für viele zu einer wichtigen Nebensache, und damit massentauglich geworden.
[Carpathia] An der E-Commerce Connect Konferenz 2017 sagtest Du: „Wir haben ein grosses Problem, dass wir in der Schweiz keine Konkurrenz haben“. Ist das heute noch immer so? Wenn ja, an was scheitern alle Anderen?
[Markus Kobelt] Diese Situation hat sich verändert. Es ist sicherlich auch ein Effekt von COVID, dass jede Baumschule oder jedes Gartencenter auch noch einen Onlineshop betreibt. In den wenigsten Fällen werden diese Shops jedoch Erfolg haben, bzw. den Markt nachhaltig verändern.
Auf der Kundenseite hingegen hat das zu einer anderen Wahrnehmung geführt. Die Akzeptanz für den Online-Einkauf ist gestiegen. Der E-Commerce-Anteil in dieser Branche ist geschätzt in der Schweiz und in Deutschland aber noch immer im sehr tiefen, einstelligen Prozentbereich.
Um Online erfolgreich zu sein, muss es ein ganz klares Commitment für diesen Kanal geben. Den Onlinekanal einfach als zusätzlichen Absatzkanal zu sehen, führt nicht zum Erfolg, denn es müssen zu viele Kompromisse eingegangen werden.
[Carpathia] Du bist das Gesicht aus unzähligen Videos rund ums Gärtnern. Seit wenigen Monaten produziert ihr nicht mehr die bekannten Videos, sondern Video-Podcasts unter dem Namen Lubera Gartenstudio. Was war der Grund für diesen Schritt?
[Markus Kobelt] Das würde ich nicht als Schritt bezeichnen, eher als Zufall. Letztes Jahr bin ich aus Zeitgründen nicht dazu gekommen, Videos zu produzieren. Die Videos sind zwar hausgemacht, aber trotzdem verursacht die Menge an Videos viel Arbeit. Deshalb habe ich nach einem anderen Format gesucht.
Ich pendle oft zwischen der Schweiz und Norddeutschland und mache dabei sehr viele Kilometer. Da höre ich Podcasts und dabei habe ich auch viel über Onlinemarketing gelernt. Dadurch kam ich auf die Idee, eigene Podcasts zu produzieren. Diese nehmen wir im Studio auf und können dadurch sehr effizient vorgehen.
Zum Thema SEO kann ich folgende Podcasts empfehlen:
Als Blog ist der Blog von Sistrix sehr gut und auch praktisch weiterführend.
[Carpathia] Du hast die Wahl. Wen nominierst du für das nächste Interview?
[Markus Kobelt] Ich nominiere Frankenspalter.ch
[Carpathia] Was würde Dich am meisten interessieren? Welche Frage sollen wir stellen?
[Markus Kobelt] Mich interessiert, wie ihr Geschäftsmodell funktioniert, denn Frankenspalter.ch bietet zu sehr tiefen Preisen an. Fehlen da nicht die Volumina in der Schweiz? Ist das Geschäftsmodell verteidigbar?