Amazon eröffnete diese Woche im Londoner Stadtteil Spitalfields seinen ersten Coiffeur Salon AmazonSalon, was vor allem in der Branche für Aufsehen sorgte. Von einem weiteren Vorstoss in stationäre Bereiche bis hin zur Erreichung neuer Zielgruppen ist die Rede.
Doch dies ist wohl kaum der Fall, vor allem auch nicht, weil der rund 140m2 grosse Salon in London bis auf weiteres der einzige sein soll.
..there are no current plans to open any other Amazon Salon locations
Ich denke vielmehr ist die Eröffnung dem Umstand geschuldet, dass im Bereich Haarpflege selektive Vertriebsregelungen nach wie vor gang und gäbe sind.
Oder anders gesagt; wer keine Fläche oder einen Coiffeur Salon betreibt, hat keinen Zugang zu gewissen Produktlinien führender Hersteller, vor allem nicht im Profibereich. Das könnte man zwar vermutlich auch juristisch regeln, dauert jedoch lange und die Eröffnung eines Salons ist schneller und kostengünstiger. Amazon lässt das Londoner Geschäft auch von Dritten betreiben:
Hair care and styling services at Amazon Salon will be provided by Elena Lavagni, owner of Neville Hair & Beauty, an independent salon based in London.
Ein Blick in die Schweiz zeigt auch; alle grossen Beauty-Versender betreiben eigene Salons oder verfügen über eigene Flächen wie beispielsweise Marktführerin perfecthair.ch (5 Salons im Grossraum Zürich) an der kürzlich die schwedische Unternehmensgruppe Storskogen die Aktienmehrheit übernahm.
Oder die Plattform shampoo.ch mit eigenen Partnercoiffeur-Geschäften, die per Anfangs 2020 von perfecthair übernommen wurde und in kommender Woche komplett mit perfecthair konsolidiert wird. Wie auch Click&Care, welche zur Gidor Coiffeure Gruppe mit über 90 Salons gehört.
Selbst Zalando hat bereits vor 2.5 Jahren in Berlin einen 160m2 Beauty-Store eröffnet, um an die „heiss begehrte“ Ware zu kommen, wie bereits damals etailment offen legte: Die Wahrheit hinter dem ersten Beauty-Store von Zalando. Und auch Flaconi kommt um einen eigenen Frisör-Salon nicht herum.
Doch Amazon argumentiert, dass man im Londoner Salon auch aktuellste Technologie am Markt ausprobieren möchte und Produkte den Kunden direkt präsentiert. Das ganz wirkt jedoch etwas halbgar und geschwurbelt, um wohl den wahren Grund zu kaschieren, den Zugang zur Ware.
At Amazon Salon, customers will be able to experiment with different virtual hair colours using augmented reality technology, enjoy entertainment on Fire tablets at each styling station and capture their new look in a dedicated creative area.
Acht Brands diktieren die Bedingungen
Interessant, dass sich offenbar selbst ein Amazon dem Diktat der grossen Beautykonzerne beugen muss, um an die (Profi)Ware zu kommen. Denn die 8 grossen Brands (L´Oréal, Coty, Estée Lauder, Chanel, Groupe Clarins, LVMH, Shiseido und Puig) würden die Regeln diktieren, stehen sie doch für 80 Prozent des Umsatzes im europäischen Beauty-Markt laut etailment im Zusammenhang mit Zalandos Berliner Salon:
Das Lädchen in der Weinmeisterstraße ist eher die Notwendigkeit, um das Onlinegeschäft für feine Düfte und Cremes zu forcieren.
Bisher hatte Zalando etwa 4.000 Produkte online.
Das ist nicht genug, um den Markt aus den Angeln zu heben. Schon gar nicht, wenn man keine Premium-Produkte der acht großen Marken anbieten kann
Die Geschichte scheint sich zu wiederholen; im Sommer 2018 Zalando in Berlin, im Frühling 2021 Amazon in London.