Spätestens nachdem Facebook letztes Jahr die Umbenennung des Konzerns in Meta Platforms bekanntgegeben hat, ist das Kofferwort, bestehend aus Meta (= jenseits) und Universum in aller Munde. Das Metaversum wird, vereinfacht gesagt, als Weiterentwicklung des Internets verstanden.
Nach einer Definition von Gartner ist das Metaversum ein «kollektiver virtueller Raum, der durch eine Konvergenz der virtuell erweiterten physischen und digitalen Realität entsteht. […] er ist geräteunabhängig und gehört nicht einem einzigen Anbieter. Es ist eine unabhängige virtuelle Wirtschaft, die durch digitale Währungen und nicht fälschbare Token (NFTs) ermöglicht wird.»
Metaversum oder Web3?
Es gibt Quellen, bei denen Metaversum und Web3 als Synonym verwendet werden. Beide Begriffe bezeichnen die nächsten Phase des Internets, wobei beim Web3 die Demokratisierung des Netzes auf Basis der Blockchain-Technologie im Vordergrund steht und beim Metaversum die Experience einer dreidimensionalen Welt, welche die grossen Plattformen, wie etwa Meta (ehem. Facebook) mitgestalten möchten. Fakt ist, dass beide Begriffe verwendet werden und sie (noch) nicht trennscharf sind. Vielleicht wird sich eines dem anderen mal unterordnen oder ein Konzept wird sich durchsetzen.
Trotz den Definitionen mag das Metaversum für die meisten immer noch ein abstraktes Konstrukt sein, eine Theorie. Das liegt daran, dass es zwar Definitionen davon gibt, wie das Metaversum sein und funktionieren sollte, aber es (und auch darüber scheiden sich die Geister) tatsächlich noch nicht existiert. Begründung: Die Technologien, die es braucht, um obige Gartners Definition des Metaversums zu realisieren, sind noch nicht soweit.
Seven Layers of the Metaverse
Was heisst das aber konkret und woraus «besteht» denn eigentlich das Metaversum? Eine gute Übersicht, auf welchen Ebenen das Metaversum beruht, liefert der sehr lesenswerte Artikel «The Metaverse Value-Chain» von Jon Radoff. Anschaulich stellt der Autor in einer Grafik die «Seven Layers of the Metaverse» und damit die Wertschöpfungskette des Metaversums vor.
Gemäss dem Autor besteht der Kern und damit die Infrastruktur des Metaversums aus 5G- und 6G-Netzwerken sowie immer leistungsfähigerer und kleinerer Hardware für die nächste Generation von Smartphones, Smartglasses und Wearables.
Als äussersten Layer sieht der Autor die Experience. Das Hauptmerkmal dieser Ebene sei die «unaufhaltsame Entmaterialisierung von physischem Raum […]». Die Folge davon: Früher seltene Erfahrungen können reichlich werden. Ein Beispiel: Ein Konzert, das bis anhin nur wenige Plätze in der ersten Reihe anbieten konnte, kann plötzlich eine personalisierte Ebene um jeden Einzelnen herum erzeugen.
Roblox und Decentraland: Warum nicht einmal testen?
Als Beispiel für eine «Welt», wie man sie im Metaversum finden könnte, wird häufig Roblox genannt. Roblox ist eine Online-Spieleplattform, auf der Nutzer*innen eigene Spiele erschaffen und mit anderen spielen können.
Eine andere «Welt» ist Decentraland, eine dezentralisierte 3D-Plattform für virtuelle Realität. Anstatt nur darüber zu lesen, empfiehlt es sich, sich selbst ein Bild davon zu machen, die Registrierung auf beiden Plattformen ist schnell und unkompliziert — probieren Sie es doch einfach mal aus: Zu Roblox | Zu Decentraland.
Fashion- und Luxusmarken sind schon da
Fashion- und Luxusmarken scheinen das Metaversum (bzw. verschiedene Metaversen) bereits für sich entdeckt zu haben. Gefühlt keine Woche vergeht, in der nicht zu lesen ist, dass diese oder jene Marke etwas im Metaversum lanciert, verkauft oder veranstaltet. Ein paar Beispiele gefällig?
Gucci hat seinen 100. Geburtstag im Metaversum gefeiert. Zusammen mit Roblox wurde ein digitales Konzept erarbeitet und Teilnehmer*innen konnten nicht nur etwas über die Geschichte von Gucci erfahren, sondern limitierte, virtuelle Taschen und weitere exklusive Artikel sowie auch digitale Kleidung kaufen.
Burberry hat eine Reihe von spielbaren NFT-Kreationen namens Sharky B entwickelt, die im Spiel Blankos Block Party zu finden sind. Zu den Figuren gehören auch noch Accessoires, wie Armbänder und Poolschuhe. Die Kollektion war für fast 400’000 USD schnell ausverkauft.
Balenciaga hat seine Kleiderkollektion im Spiel Fortnite vorgestellt. Die sogenannten Skins (Outfits für Spielcharaktere) wurden mit V-Bucks, der Fortnite-Währung, gekauft.
Weitere Beispiele von etwa Moschino, Nike oder Louis Vuitton wurden bereits in unserem früheren Gastbeitrag von Stefan Wenzel thematisiert («Don’t believe the Hype?!»).
Doch nicht nur Fashion-Brands, sondern auch Modehändler wagten schon den Schritt in die neue Welt: Der deutsche Modehändler Herrenausstatter eröffnete letzten Monat einen Shop im Metaversum auf einer selbst entwickelten Plattform.
In der Betaversion können Besucher*innen Bekleidung mit ihren Avataren anprobieren und direkt kaufen. Noch dieses Jahr soll das Fashion-Metaverse allen Kund*innen zur Verfügung stehen. Markenpartner, wie etwa Boss, können auf der Plattform eigene Stores eröffnen. Wer es ausprobieren möchte: Hier entlang.
Rückblick Metaverse Fashion Week
Wenn Fashion eine der ersten Branchen ist, die das Metaversum nutzten, überrascht es auch nicht, dass vor kurzem die erste virtuelle Fashion Week in Decentraland stattfand, die Metaverse Fashion Week (kurz: MVFW 2022) vom 24. – 27. März. Gemäss Internet World haben diesem Event insgesamt etwas mehr als 108’000 Besucher*innen beigewohnt. Es gab Veranstaltungen von über 70 realen und virtuellen Modemarken mit Fashion Shows sowie zahlreiche Stores-Angebote.
Auch die Autorin dieses Beitrags hat einem Event an der MVFW besucht, war aber fürs erste mässig davon beeindruckt und sie empfand dasselbe leicht enttäuschende Gefühl, das einen beim Besuch von Sehenswürdigkeiten überkommt: Alle sagen, man müsse dorthin aber ist man mal da, fragt man sich gleich, was denn so toll daran sein soll.
Trotzdem: Das Metaversum ist bestimmt gekommen, um zu bleiben — wir verfolgen gespannt die weiteren Entwicklungen. Und: Erfahrungsberichte und Meinungen von Ihnen, liebe*r Leser*in sind sehr erwünscht.