Media X E-Commerce: Content lädt zum Shoppen ein

Onlinehändler kaufen Medienunternehmen oder heuern Dutzende von Journalisten, Bloggerinnen und Influencer an. Wer eine gute Story erzählen kann und Street Credibility versprüht, kann eine Zielgruppe ansprechen, die durch Content bereit ist, mehr zu bezahlen. 

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Die Nachricht verbreitete sich im Juni diesen Jahres wie ein Lauffeuer in der Modebranche: Zalando kaufte eine Mehrheitsbeteiligung an der hippen Fashion-Medienplattform Highsnobiety, die ihren Hauptsitz wie der Onlinehändler selbst in Berlin hat.

Gegründet wurde Highsnobiety 2005 von einem Schweizer, David Fischer. Der 39-Jährige wurde innerhalb einer Dekade vom Turnschuh-Blogger zum Millionenunternehmer. Das Portal, welches Streetwear und Highend-Luxus miteinander verbindet, erreiche rund 35 Millionen Nutzer und gehört zu den wichtigsten Stimmen im Modezirkus. 

Was Zalando mit der Beteiligung erreichen möchte, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Street Credibility. Highsnobiety ist bei einer eher männlichen Zielgruppe, die gerne viel Geld für Turnschuhe und Klamotten ausgibt, beliebt. Dazu hat sich Highsnobiety nicht nur zum Portal entwickelt, welches über die neuesten Styles berichtet, sondern auch zu einem E-Commerce-Shop. Ein Paradebeispiel dafür, wie gute Inhalte einen Onlineshop ansprechend machen und nicht nur zum Shoppen, sondern zugleich auch zur Information dient. 

Die Formel ist einfach: Durch die Expertise in Sachen Mode verlassen sich die Nutzer lieber auf die Inhalte und Meinungen der rund 200-köpfigen Highsnobiety-Crew als auf Gigant Zalando. High-Snobiety-Gründer David Fischer bringt es auf den Punkt: «Highsnobiety beherrscht die Kunst, Geschichten in Produkte und Produkte in Geschichten zu verwandeln. Ich freue mich sehr darauf, unsere Expertise bei Zalando einzubringen und gemeinsam die Zukunft von Inspiration und Shopping neu zu gestalten.»

Mit gutem Content macht Shoppen mehr Spass

Wie immer geht es um Geschichten und Storytelling. Moderne Konsumenten wollen wissen, wie Brands arbeiten, welche Influencer was tragen und weshalb eine bestimmte Kollektion so besonders ist. Das kann Highsnobiety so authentisch wie fast niemand anderes. Und genau diesen Skill hat sich Zalando nun einverleibt. Daneben spielt auch das Thema Innovation eine grosse Rolle. Kreative Ideen können in einem Tanker wie Zalando, der sich in seinen Anfängen als Tech-Unternehmen präsentierte und mit Algorithmen das Online-Shopping veränderte, nicht so rasch entstehen, wie in einem Startup, welches die coolsten Fashionistas in Berlin, Los Angeles, London und Amsterdam kennt. Kreativität hat Highsnobiety auch bei ihrem Shop «Gatezero» am Zürcher Flughafen bewiesen. Der Laden ist mit seinem Design und seiner Aufmachung «next level». Das verleiht auch den On-Schuhen, die dort verkauft  werden, eine neue Aura. 

Magazin und Onlineshop in einem: 032c aus Berlin — Quelle: 032c

Noch radikaler geht das Label 032c, ebenfalls aus Berlin, vor. Im Jahre 2000 von dem innovativen Verleger Jörg Koch als Fanzine gegründet, ist 032c heute nicht nur ein prägendes Modemagazin, sondern auch ein Onlineshop für Modekenner. Beflügelt hat dieses Geschäftsmodell die Aufmerksamkeit der Luxuslabels auf Streetwear. Jörg Koch und seine Frau Maria Koch arbeiten Hand in Hand. Sie publizieren jeden Monat ein Fashion-Magazin, das als stilbildend gilt. Dort zeigen sie die neusten Trends, welche dann wiederum in die eigenen Modekollektionen von 032c einfliessen. Das Magazin und Label befruchten sich gegenseitig und erscheinen unter einem Brand. Wahrscheinlich macht 032c aber mittlerweile mehr Umsatz mit Mode als mit dem Magazin. Aber ohne das Magazin hätte 032c nicht diesen avantgardistischen Ruf in den richtigen Kreisen, die bereit sind, für ein paar Socken 40 Euro zu zahlen. Aber 032c ist mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes ein Code für stilbewusste Fashion-Liebhaber geworden. 

Was gut klingt, wird eher gekauft

Highsnobiety und 032c zeigen, dass guter Content zum Shoppen einlädt. Diesen Ansatz verfolgen auch Unternehmen ausserhalb der Modebranche. Beispielsweise bei Digitec Galaxus. Der grösste Onlinehändler der Schweiz, der zu Migros gehört, versucht seit Jahren auch in Deutschland Fuss zu fassen. 

Dabei möchte er sich vor allem auch mit gutem Content von den anderen Onlinehändlern in Deutschland abheben – von denen es ja einige gibt. In Zürich umfasst das Redaktionsteam von Digitec Galaxus mehr Personen als so manch eine Zeitungsredaktion in der Schweiz. Und auch in Hamburg sucht der Schweizer Onlinehändler Schreiberlinge. 

Die Strategie: Redaktionelle Inhalte sollen den Kunden als Mehrwert dienen und ihnen ein gutes Gefühl bei der Wahl ihrer Produkte geben. Solche Portale gibt es in Deutschland schon eine ganze Weile, wie etwa «Curved» von Telefónica. Inzwischen arbeiten rund 20 Redaktoren bei Digitec Galaxus. Chef der Truppe ist der ehemalige 20-Minuten-Journalist Aurel Stevens. Die Redaktion arbeitet mit klar definierten KPIs und nach Vorgaben der Marketingabteilung des grössten Schweizer Online-Warenhauses. 

Das Vorgehen der Redaktion sei dabei journalistisch geprägt und unterscheide sich nicht übermässig von unabhängigen Portals, die Bewertungen über Elektronikgeräte abgeben. Die Redaktoren würden «ehrliche und persönlich gehaltene Reviews» abgeben, sagt Stevens gegenüber der Fachzeitschrift  «Horizont». Ganz wie die Werbung von Digitec Galaxus mit den ehrlichen Kundenfeedbacks. 

Alles verschmilzt miteinander

Einen eigene Weg geht auch Zalando-Konkurrent «About you», der zur Otto-Gruppe gehört. Er setzt statt auf Produkte auf Entertainment. Produktes sind austauschbar, die selben Labels gibt es in verschiedenen Onlineshops. Deshalb ist die Unterscheidung von anderen nicht die Auswahl der Produkte, sondern die eigene Story. Es geht nicht um Produkte, sondern Geschichten.

Der About You Award 2021 mit deutschlandbekannten Influencern wurde auch auf ProSiebenSat1 aufgestrahlt. — Quelle: About You

Um diese glaubhaft zu erzählen, arbeitet «About You» mit Menschen, also Influencern, die möglichst persönlich rüberkommen sollen. Gerne auch bei den Instagram Stories. Influencer, die Content produzieren, sind bei «About You» wichtig. Sie dürfen sogar Kollektionen designen und haben eine eigene Show auf ProSiebenSat1. Mit Deals mit Influencern und einem eigenen «Influencer-Award» hebt sich «About You» von anderen Onlinehändler ab, namentlich seinem Hauptkonkurrenten Zalando. Und möchte nun die eigene Fashion Week weiter ausbauen.

Zukunftsfähige Onlinehändler haben sich längst zu Entertainment-Firmen umgewandelt – und machen das, was bis vor einiger Zeit Medienunternehmen vorbehalten war. Sie informieren, sie unterhalten und sie beeinflussen – auf allen Kanälen.



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