Ronja Versand ist Konkurs – Klassischer Versandhandel unter Druck

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Anfang Juni hat Ronja Versand, ohne grosses Aufsehen zu erwecken, Konkurs angemeldet. Das 1997 gegründete Unternehmen mit Sitz in Magadino, Tessin, ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt: Klassische Distanzhändler stehen massiv unter Druck.

Um das zu erkennen, reicht auch ein Blick über die Landesgrenze: Das deutsche Unternehmen Klingel, das nach eigener Aussage drittgrösste Versandhaus Deutschlands, hatte im Mai Insolvenz angemeldet. Bekannt ist Klingel auch in der Schweiz mit seinen Versandhandelstöchtern, wie Cornelia oder Alba Moda. Jetzt soll es Jan Honsel als CMO richten und die «digitale Transformation» vorantreiben.

Bei Ronja Versand in der Schweiz kam wohl jede Rettung zu spät. Erfolgreich war der Distanzhändler vor etwa 10 Jahren: Das Unternehmen hatte zu Spitzenzeiten etwa CHF 10 bis 20 Mio. Umsatz erzielt und etwa 100 Mitarbeitende beschäftigt. Zuletzt zählte Ronja Versand wohl noch 12 bis 15 Angestellte.

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Der traditionsreiche Schweizer Versandhändler Ronja Versand ist Konkurs. Der Webshop ist offline. – Quelle: web.archive.org

Die schwierige Übergangsphase zum Onlinekanal

Die Digitalisierung hat die klassischen Versandhändler, wie Ronja Versand, aber auch Lehner Versand, Vedia oder Angela Bruderer in der Schweiz, vor Herausforderungen gestellt: Jahrelang war der Katalog der primäre Absatzkanal. Dieser wurde zunehmend vom Onlinekanal verdrängt.

Bei den traditionsreichen Versandhändlern mag dieser Kanal-Shift noch etwas langsamer passieren, da ihr Kundenstamm älter ist als bei anderen Händlern. Die grosse Herausforderung besteht darin, diese Übergangsphase von Katalog zu Online geschickt zu meistern: Der Katalog kann nicht einfach abgestellt werden, da er bei vielen Konsumentinnen weiterhin eine Relevanz hat.

Mit einem Onlineshop als neuen, zusätzlichen Absatzkanal müssen sich die klassischen Versandhändler wiederum ganz anders behaupten: Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Kunden ist hier um einiges härter als im Katalog-Business. Der Mitbewerber ist nur einen Klick entfernt. Auf Suchmaschinen stehen sie im direkten Vergleich zu grossen Online-Anbietern, wie Zalando oder Shein im Fashion- und Beauty-Segment oder Brack und Galaxus für die Bereiche Wohnen, Haushalt und Garten. Schwierig wird diese Vergleichssituation insbesondere dann, wenn auch ein vergleichbares Sortiment angeboten wird.

Der Katalog bleibt wichtig, aber in welcher Frequenz?

Wie kann einem klassischen Versandhändler die Transformation nun gelingen? Bernhard Egger, Geschäftsführer des Handelsverband.Swiss, beobachtet ebenfalls, wie die klassischen Versandhändler zunehmend unter Druck stehen und kennt deren Herausforderungen auch noch aus seinen 25 Jahren Tätigkeit als Geschäftsführer Österreich und Schweiz bei Modehändler Walbusch.

Er sieht eine wichtige strategische Massnahme unter anderem in der sehr gezielten Kanal-Wahl: «Ein klassischer Versandhändler muss sich ganz genau überlegen, welcher seiner Kunden überhaupt noch einen Katalog braucht und wenn, in welchem Ausmass und in welcher Frequenz».

Auch Thomas Meier, Geschäftsführer und Mitinhaber von Lehner Versand (und damit bisherigem Mitbewerber von Ronja Versand), kennt die Herausforderungen nur allzu gut. Er hat uns an der diesjährigen SCORE! bereits davon erzählt und uns Einblicke in die Strategie von Lehner Versand gegeben. Auch er unterstreicht, wie wichtig der Katalog als Kanal weiterhin ist: «Die Kataloge, von welchen wir pro Jahr circa 16 Millionen in der ganzen Schweiz versenden, unterstützen die Frequenz in den Filialen wie auch im E-Commerce optimal.» Nichtsdestotrotz hätten sich die extremen Preissteigerungen im Papierbereich auch auf die Auflagen ausgewirkt und Lehner Versand musste die Mengen 2022 um etwa 20% senken.

Ebenso hebt Thomas Meier die Wichtigkeit des Warenmanagements hervor, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, aber auch die Sortimentsstrategie: «Die Sortimentierung mit Warengruppen mit sehr niedrigen Retourenquoten im Basic-Bereich kommt uns entgegen und wir sind den schnellwechselnden modischen Strömungen nicht so unterstellt.» Aktuell wachse Lehner Versand im stationären Handel, vergangenes Wochenende wurde die zehnte Filiale eröffnet, mit weiteren Wachstumsambitionen.



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