Diese Woche berichteten diverse Medien über Amazons Pläne, einen Store-Bereich mit Tiefstpreis-Produkten für Fashion und Lifestyle zu eröffnen. Dieser würde direkt mit dem Angebot von Temu und Shein konkurrenzieren.
Amazon hat diese Pläne an einer geschlossenen Veranstaltung für Sellers in China bekanntgegeben, sie aber gegenüber den Medien noch nicht offiziell bestätigt. In der Präsentation sei die Rede von einem Start im Herbst diesen Jahres im US-amerikanischen Markt gewesen.
Bereits jetzt sind viele Amazon-Seller aus China. Im Unterschied zu jetzt würden neu nicht nur Zwischenhändler, sondern direkt Fabriken aus China angebunden und Amazon würde diese mit gebündeltem Versand an die Konsumenten unterstützen innert neun bis elf Tagen (ähnliche Lieferfrist wie Temu). Ausserdem hätten die Verkäufer die Möglichkeit, Artikel mit Kleinserien zu testen, um dann bei allfälliger grosser Nachfrage mehr davon zu produzieren – auch dies eine Kopie des Temu- und Shein-Geschäftsmodells.
Unsere Einschätzung dazu:
- Dass Amazon solche Pläne hat, ist nachvollziehbar: Amazon verfügt in den USA und anderen Märkten über eine grosse Reichweite, warum diese kampflos einem Newcomer, wie Temu überlassen?
- Amazon zählt bereits einige Seller aus China und hat entsprechende Beziehungen; müsste also nicht bei Null starten, zudem dürfte es für chinesische Anbieter auf der anderen Seite spannend sein, die Abhängigkeit von «Shemu» (=Shein + Temu) zu reduzieren
- Inwiefern Konsumentinnen aufgrund des neuen «Discount-Bereichs« von Shemu abgeworben werden können, bleibt fraglich, zumal Billigstpreise nur eine Komponenten von Temus Geschäftsmodell ausmachen; eine andere Komponente wäre etwa der Gamification-Ansatz
- einen Schritt voraus ist Amazon gegenüber Shemu hingegen in Bezug auf das Sortiment: Anders als bei Shemu finden Konsumentinnen bei Amazon nicht nur «no names», sondern auch Marken; das führt uns aber schon zum nächsten wichtigen Punkt:
- vor ein paar Jahren noch hat Amazon China-Hersteller verbannt, die gegen deren Richtlinien in Bezug auf die Bewertungen verstossen hatten (Fake-Reviews): Amazon hat einen Ruf zu verlieren, was die Qualität seiner Händler und des Sortiments angeht; diesen trotz Vorstoss mittels Discount-Angebots nicht zu verwässern, dürfte und sollte hohe Priorität haben
- Dass US- oder europäische Händler sich nicht nur mit dem Shemu-Geschäftsmodell auseinandersetzen, sondern daran arbeiten, dieses zu kopieren, ist nicht neu: Auch der deutsche Fashion-Händler AboutYou hat jüngst an der K5-Konferenz erzählt, sie würden gerade intensiv daran arbeiten, Fabriken mit Endkonsumenten zu verbinden (Keynote von Tarek Müller, Co-Founder & Co-CEO von AboutYou)
Das ist eine spannende Entwicklung! Amazons Schritt, einen Billig-Shop nach Temu-Vorbild zu eröffnen, zeigt, wie dynamisch und wettbewerbsintensiv der E-Commerce-Markt ist. Es wird interessant sein zu sehen, wie Amazon diesen neuen Ansatz umsetzt und ob es ihnen gelingt, Preisbewusste Kunden anzusprechen, ohne ihre etablierten Markenwerte zu verwässern. Die Konkurrenz im Discount-Segment könnte für Verbraucher durchaus von Vorteil sein.