Jetzt mal «ITacheles», Herr CEO! – Interview mit Stefan Fraude

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Stefan Fraude hat vor knapp zwei Monaten das Ruder von Brack Alltron (vor Kurzem noch Competec-Gruppe) übernommen. In den Digital Commerce Sessions powered by SCORE! an der «CONNECT» fühlte ihm E-Commerce-Experte Malte Polzin im 30-minütigen Interview auf den Zahn.

[Malte Polzin] Du bist nun seit knapp zwei Monaten im Amt. Erzähl mal, wie waren deine ersten Wochen als CEO?
[Stefan Fraude] Es waren unglaublich spannende und intensive Wochen – und ich habe in dieser Zeit sehr viel gefragt und zugehört. Die Firma hat unglaublich viel Gutes gemacht in den vergangenen 30 Jahren und ist enorm gewachsen bezüglich Umsatz und Mitarbeitenden. Nun hinterfragen wir uns sehr aktiv, ob wir für unsere Grösse und Komplexität noch richtig aufgestellt sind, um weiter intensiv wachsen und im Markt angreifen zu können.

Somit treiben uns folgende Fragen: Was wollen wir weiter so machen wie bisher und was müssen wir in Zukunft vielleicht anders oder neu machen? Wie können wir uns einfacher aufstellen? Wie können wir uns fokussieren, um die relevanten Themen auch wirklich «auf den Boden bringen zu können»? Und genau diesen Fragen sind wir in all unseren Gesprächen und Diskussionen mit der Unternehmensleitung und den Teams nachgegangen und haben zur klaren Erkenntnis geführt, dass wir uns an einigen Stellen neu für die Zukunft aufstellen möchten.

[MP] Was hat dich dazu bewogen, zu Brack Alltron (vor Kurzem noch Competec-Gruppe) zu kommen?
[SF] Die Firma ist über die Jahre schnell und gut gewachsen. Dieses Wachstum haben wir vor allem über mehr Mitarbeitende unheimlich gut abgefangen. Mit der jetzigen Grösse müssen wir uns aber andere Fragen stellen: Wie können wir Automatisierung nutzen, um mit der gleichen Teamgrösse weiter wachsen zu können?

Wie können wir unsere Daten besser nutzen, um Entscheide, Robotic Process Automation und Customization intensiv vorantreiben zu können? Und schliesslich wie können wir die Technologie als Beschleuniger für ein noch besseres Kundenerlebnis nutzen? Solche Themen haben mich schon immer begleitet bzw. bewegt und ich bin überzeugt, dass dies auch Brack Alltron auf dem weiteren Weg in die Zukunft sehr gut helfen kann.

[MP] Handel mit Drittmarkenprodukten ist generell ja aktuell nicht so der Knaller – dünne Margen, kapitalintensiv etc. – wie siehst du das Geschäftsmodell des Handels, generell und insbesondere bei Brack Alltron?
[SF] Die relativen Margen in der ICT-Branche sind tief, das stimmt; aber gleichermassen lassen die hohen Warenkörbe mit Heimelektronik nach wie vor ein gesundes Geschäft zu. Es ist aber sicherlich ein sehr vom Volumen geprägtes Business – also wer kein Volumen und keine bestimmte Grösse hat, hat’s schwer. Klar ist zudem: Es ist viel Druck im Markt und es ist seit zwei Jahren eine umfassende Konsolidierung am Laufen. In diesem Kontext muss sich jeder Player die zentrale Frage stellen: Was ist unsere Value Proposition für die Kundschaft und was macht uns einmalig? Die Antwort muss jedes Unternehmen für sich finden. Aber das rein transaktionale Geschäft reicht heute sicher nicht mehr aus, um im Markt kompetitiv zu sein.

[MP] Was sind die aktuellen Trends und Entwicklungen aus deiner Sicht (in der Distribution und im Endkunden-Handel) auch hinsichtlich Preise, Margen, WKZ und D2C durch Hersteller?
[SF] Bei Brack Alltron haben wir ein sehr komplexes Setup, da wir insgesamt in vier Kanälen arbeiten: Mit BRACK.CH sind wir im B2C-Geschäft, mit BRACH.CH Business sind wir im B2B-Geschäft. Und mit Alltron sind wir Handelskundengeschäft einerseits mit fast allen grösseren, bekannten Retailern der Schweiz und andererseits mit einer grossen Anzahl an kleineren Fachhändlern. In all unseren Kanälen treffen wir auf unterschiedliche Bedingungen, Marktmechaniken und damit einhergehend auch Herausforderungen und Ansprüche. Deshalb ist eine generische Antwort schlicht nicht möglich.

Im B2B-Endkunden-Geschäft legen wir einen grossen Fokus auf Value-Added-Services oder das herausragende B2B-Portal, mit dem wir uns tief in die Geschäftsprozesse unserer Kund*innen integrieren können. Im B2B geht es also weit über den eigentlichen Produktkauf hinaus. In unserem Fachhandelskanal beliefern wir andererseits den Fachhandel, das sind grösstenteils kleinere Retail-Shops oder -Ketten, die wiederum ganz andere Ansprüche und Bedürfnisse haben. Insgesamt machen diese vier sehr unterschiedlichen Kanäle unser Geschäft ziemlich komplex, da wir Initiativen, wie etwa den Pricing-Bot, gut orchestriert für vier Kanäle aufbauen müssen. Andererseits sind es aber auch die vier Kanäle, die uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben. Und deshalb werden die vier Kanäle auch weiterhin Kern unseres Geschäftsmodells bleiben.

Das «ITacheles»-Interview von Malte Polzin mit dem neuen Brack-Alltron-CEO Stefan Fraude an der diesjährigen «CONNECT»-Messe.

[MP] Wo steht ihr hinsichtlich des Sortiments und inwiefern habt ihr euch von der ICT entfernt? 
[SF] Das ICT-Sortiment hat nach wie vor den grössten Umsatzanteil in unserem Unternehmen. Das Gute ist, dass wir in diesem Produktbereich nach wie vor gut Marktanteile dazu gewinnen können. Somit wird sich die hohe Relevanz von ICT für Brack Alltron auch nicht verändern. Wir haben in vielen Produktbereichen ausserhalb der ICT schon eine gute Relevanz erreicht – aber genau da wollen wir zusätzlich zur ICT noch mehr Momentum für die Zukunft aufbauen und relevanter werden.

[MP] Im ICT-Umfeld war ja einiges los die letzten zwölf Monaten: STEG/PCP pleite, M-Electronics weg bzw. teilweise zu Media Markt. Microspot ist in Interdiscount aufgegangen. Ihr wart ja einerseits Lieferant, aber auch Mitbewerber. Wer hat sich denn deiner Meinung diese Umsätze geschnappt? Was ist dein Blick auf diese Entwicklungen?
[SF] Die Umsätze gingen mutmasslich zu grossen Teilen zu Digitec Galaxus und BRACK.CH. Was gerade auf dem Markt passiert, nämlich die weitere Verschiebung von den stationären zu den digitalen Kanälen, das spüren wir in allen unseren vier Kanälen sehr deutlich – und damit einhergehend, welcher unserer Partner wächst oder eher rückläufig ist.

[MP] Gemäss der Netzwoche haben seit 2014 rund 1’000 Läden, die IT/CE verkauft haben, geschlossen. Wenn du stationär einkaufen müsstest, welchen Laden würdest du wählen?
[SF] Ich würde dort einkaufen, wo ich dank dem Online-Kanal weiss, dass die gewünschten Produkte auch wirklich im Laden verfügbar sind (lacht). Ausserdem sind für mich die Distanz und die Zeit – und damit der Standort – wichtige Faktoren. Aber im Ernst: Ich kaufe selten in einem stationären Geschäft ein und bevorzuge die Einfachheit und Effizienz des E-Commerce und bin somit fast ausschliesslich digital unterwegs.

[MP] Welche Empfehlung gibst du Händlern, um erfolgreich zu sein?
[SF] Richtiges Sortiment, zum richtigen Preis, mit der richtiger Verfügbarkeit. Das klingt so einfach, aber das sind die Schlüsselfaktoren, die jeder Händler können muss. Dann kommen die Differenzierungspunkte, die sich jedes Retail-Unternehmen individuell aufbauen und kommunizieren muss. Und genau hier hat der stationäre Handel eine knifflige Herausforderung und muss sich überlegen: Was biete ich mehr an als das rein transaktionale Geschäft, sodass Kundinnen und Kunden bereit sind, auch etwas mehr zu bezahlen? Da die Kostenstruktur im stationären Retail schlicht höher ist als im E-Commerce, sind die Preisniveaus aus dem Onlinehandel nur schwer für Omnichannel-Player zu erzielen.

[MP] Themawechsel – jetzt sind auch noch «die Chinesen» im Anmarsch, Stichwort Temu…
[SF] Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Temu. Faszinierend finde ich die neue Art, wie man einen Onlineshop aufbauen kann, z.B. mit vielen Gamification-Elementen und einer sehr konsequenten «Helvetisierung» in der Kundeninteraktion. Das hat Temu eindrucksvoll geschafft. Die Kehrseite ist, dass nicht alle mit gleich langen Spiessen unterwegs sind: Die chinesischen Plattformen halten sich nicht an alle Regeln, welche Schweizer Player richtigerweise zwingend erfüllen müssen. Und genau dies ist ja auch die politische Diskussion und auf diese unfaire Situation mit ungleichen Spiessen muss zeitnah eine Antwort gefunden finden.

[MP] Euer Glücksrad, das ich zum 30-Jahr-Jubiläum von Brack drehen durfte – Glückwunsch übrigens –, hat mich auch stark an Temu erinnert…
[SF] Dieses Glücksrad ist nicht zum ersten Mal im Einsatz und es funktioniert übrigens unglaublich gut und begeistert viele Kund*innen – auch dieses Mal im Kontext von 30 Jahren Brack. Somit funktionieren Gamification-Elemente wie sie auch Temu breit anwendet, aber man muss natürlich auch enorm aufpassen, dass ein Onlineshop dann nicht wie eine Kirmes wirkt.

[MP] Nochmal zurück zur «Temu-Welle»: Verkauft ihr noch Kabel, Adapter? Spürt ihr einen «Temu-Effekt»?
[SF] Bei allem, was günstig ist, merkt man es schon. Aber bei teureren Produkten, wie beispielsweise einem Laptop, da nicht. Dort ist es ja nur schon deshalb für Temu schwierig, weil sie nicht die richtige Schweizer Tastatur anbieten können. Auch bei anderen Produkten mit länderspezifischen Anforderungen ist der China-Einkauf schwierig. Aber klar, ein Kabel, eine Maus, günstige Kopfhörer und so weiter kaufen Konsument*innen dann halt schon mal zu absoluten Schnäppchenpreisen. Die Frage ist nur wie nachhaltig diese Art des Einkaufs ist.

[MP] Dein «Rucksack» ist gefüllt mit Erfahrungen, wie Marktplatz, Filialen, Auslandexpansion: Was kommt nun bei Brack Alltron zum Zug?
[SF] Alles (lacht). Nein, zuerst einmal wollen wir als Firma mehr Geschwindigkeit aufnehmen und die Automatisierung vorantreiben. Ausserdem wollen wir es unseren Kunden ermöglichen, eine möglichst customized, also auf sie zugeschnittene, Erfahrung, in unserem Shop zu machen.

Einen Marktplatz zu initiieren hat Sinn, wenn man sehr viel Traffic hat wie wir. Aber um sein Sortiment zu vergrössern, ohne das Lager zu belasten, gibt es auch Alternativen wie das Dropshipment, respektive Streckenlieferung. Und wir dürfen im Kontext Marktplatz nicht vergessen, dass wir vier Kanäle bedienen: Was im B2C-Geschäft vielleicht Sinn ergäbe, ist dann für andere Kanäle wiederum weniger geeignet.

[MP] Heute wurde angekündigt, dass ihr euch einfacher und funktional neu aufstellen werdet. Es rumpelt. Was sind da die nächsten Schritte?
[SF] Ja es verändert sich aktuell so einiges, in der Tat. Aber wichtig ist, dass die Veränderungen so sinnvoll und nachvollziehbar sind, dass die gesamte Firma diese umfassend mitträgt. In den ersten intensiven Gesprächen mit der Unternehmensleitung haben wir uns gefragt: Wie würden wir uns aufstellen, wenn wir auf der grünen Wiese starten könnten? Schnell kamen wir auf einen gemeinsamen und vor allem konkreten Nenner. Und auch der gesamten Firma ist bewusst, dass wir uns ändern müssen, um wieder beschleunigen zu können. Entsprechend spüren wir in allen Teams, dass viel Wohlwollen und Begeisterung für diesen Change da sind.

[MP] In der neuen Organisation ist der ehemalige Alltron-CEO, Andrej Golob, neu Chief Sales Officer fürs Gesamtunternehmen und bleibt weiterhin als Executive Director Alltron das Gesicht der Marke Alltron gegenüber Partnern, Lieferanten und Medien. Für BRACK.CH gibt es keine neue Person (Anm.: der ehemalige CEO, Marc Isler, verlässt BRACK.CH auf eigenen Wunsch), die das Unternehmen nach aussen vertreten wird?
[SF] Die Frage ist: Warum braucht es einen Kopf und wer könnte das sein? Dass Andrej Golob es für Alltron ist, hat absolut Sinn, weil er auch der Chief Sales Officer von Brack Alltron ist. Bei BRACK.CH im B2C-Geschäft sind es mehrere Köpfe im Kontext der neuen Organisation, daher braucht es nicht extra noch eine dezidierte Person dafür. Und für die Endkund*innen ist so eine Rolle auch von viel geringerer Relevanz als bei Handelskunden.

[MP] Hohe Verfügbarkeit und sehr schnelle Lieferung sind ja schon lange wertvolle Assets von Brack Alltron. Same Day, Quick Commerce: Was ist für den Endkunden denn nun wirklich relevant?
[SF] Am wichtigsten – auch gegenüber Partnern – ist: Zuverlässigkeit bei dem, was wir den Kund*innen anbieten. Wenn wir also sagen, wir liefern morgen, dann müssen wir morgen liefern. Sameday ist dienlich in ganz spezifischen Fällen, aber oft auch weder so nachgefragt noch ein so grosser Mehrwert, wie man landläufig immer annimmt. Umgekehrt wird unser vor kurzem eingeführter «Versand ohne Eile» deutlich mehr – im tiefen zweistelligen Prozentbereich – genutzt.

[MP] Jetzt mal ganz operativ: Wie oft tauschst du dich mit Roland Brack aus?
[SF] Wir haben einen sehr regelmässigen Austausch, den ich sehr schätze – aber es verändert sich ja auch gerade sehr viel. Der Austausch geschieht in der Form eines engen Sparrings und ich schätze seine grosse Erfahrung und sein Know-how, um Themen mit ihm zu reflektieren. Und super ist natürlich auch: Wenn dabei eine Entscheidung getroffen wird, können wir es relativ schnell umsetzen, da er der Inhaber ist.

[MP] Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was machst du, um dich zu erholen und auch mal abzuschalten?
[SF] Also grundsätzlich einmal: Mir macht die Arbeit extrem viel Spass und ich fühle mich eigentlich selten bis nie müde oder ausgelaugt. Aber bzgl. Abschalten; ich habe eine tolle, engagierte Frau und zwei kleine Racker, und dies sorgt, sobald ich zu Hause bin, direkt dafür, dass ich abschalte. Die Kleinen interessieren sich natürlich und hoffentlich null und gar nicht für das, was ich den ganzen Tag auf der Arbeit mache; und genau dadurch zieht es mich privat dann richtig schön in eine ganz andere Welt mit der Familie – es gibt keine bessere und schönere Abwechslung.



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