Wie die Firma Jungheinrich den Mitbewerb alt aussehen lässt — oder ein Online-Produktberater (mit Guided Selling und Upselling) als Lead-Generator für «Digitalisierungsmuffel» im Maschinen- und Anlagebau
Die meisten Maschinen- und Anlagenbauer haben heute keine nennenswerte digitale Präsentation ihrer Produktepalette in einem Webshop. Die Argumente dafür sind vielfältig.
Ein Hauptargument ist, dass ein komplexes Produkt, namentlich ein Investitionsgut, im B2B-Geschäft online nicht verständlich erklärt werden kann. Ist das ein Argument oder eine Ausrede? Dieser Frage geht Heinrich Thoma in diesem Blogbeitrag nach.
Gastartikel von Heinrich Thoma (zum LinkedIn-Profil). Heinrich Thoma hat langjährige Erfahrung auf C-Level-Stufe im internationalen Vertrieb von Maschinen und Anlagen und war unter anderem für den Vertrieb eines führenden Anbieters für Prozessmaschinen im Lebensmittelbereich zuständig. In seinem Blog sellingmachinery.com schreibt er über Chancen der Digitalisierung spezifisch für Maschinen- und Anlagebauer. Zur Zeit setzt er sich in einer 12-teiligen Blogserie eingehend mit der Frage auseinander: „Onlineshop mit Variantenkonfigurator im Maschinen- und Anlagenbau — ein probater Verkaufskanal?“
Hohe Wirksamkeit eines Online-Produktberaters für ein komplexes Investitionsgut
Die Online-Produktberatung für Gabelstapler der Firma Jungheinrich, Marktführer für Flurfahrzeuge, verfolgt das Ziel, «eine online Produktberatung auf das Niveau der besten Fachverkäufer zu bringen» (Quelle: Ole Tangermann, online Excentos GmbH www.excentos.com). Und das gelingt.
Mittels einer Applikation mit „Guided Selling“ werden Ergebnisse erzielt, die belegen, dass eine Online-Produktberatung auch für komplexe Produkte im B2B-Umfeld hervorragend funktioniert:
- 64% der Nutzer finden Empfehlungen und haben damit den Beratungsablauf abgeschlossen sowie personalisierte und auf ihre Anforderungen passende Produktempfehlungen erhalten (Konversion zu einem Sales Lead).
- Die Nutzerinnen hatten mit über sieben Minuten eine extrem hohe Verweildauer und hatten dabei intensive «Brand Exposure». Die Nutzer haben viel über die Produkt-Features und das Produktsortiment gelernt.
- Die Nutzer hatten intensive Interaktion mit über 15 Merkmalen. Diese belegen ein sehr hohes Interesse an den «Features» und intensive Suche nach dem besten Produkt. Gleichzeitig kann Jungheinrich viele Consumer Insights sammeln und nutzt gezielt Upselling-Möglichkeiten.
Weitere Ergebnisse:
- Erhöhung der Verweildauer der Nutzerinnen auf der Webpage um 240% dank verbesserter User Experience
- Reduzierte «Bounce Rate» um – 37% dank einer konsequenten Führung des Nutzers (Guided Selling)
- Steigerung der «Pageviews» pro Besucher um 121% dank eines einzigartigen Shopping-Erlebnisses
(Quelle: https://www.excentos.com/images/ReferenzenDetailseite/jungheinrich/jungheinrich-case-study.pdf)
Die 5 Schlüsselfaktoren zum Erfolg?
1) Einfache W- Fragen zur Eingrenzung des Kundenbedürfnisses
Interessierte sollen in der Online-Beratung mit möglichst einfachen Fragen abgeholt werden. Es sind W- Fragen, die mit Sicherheit beantwortet werden können. Ziel der Fragen ist es, das Nutzerbedürfnis soweit zu klären, dass eine eindeutige Produktempfehlung abgeleitet werden kann.
Diesem Grundsatz folgend, können z.B. folgende Fragen gestellt werden (vgl. Tab. 1):
Frage | Auswahlmöglichkeiten | Abklärung |
Die Maschine ist im Einsatz bei … |
|
Welcher Kundentyp? |
Die Maschine wird benutzt zum… |
|
Wofür genau? |
Die Maschine wird bedient von… |
|
Wer bedient? |
Die Maschine ist folgendermassen im Einsatz… |
|
Wie häufig? |
Tabelle 1: Fragen im Online-Produktberater (Quelle: eigene Erarbeitung)
2) Abkürzungen erhöhen die Konversionsrate
Um eine möglichst hohe Konversion zu erzielen, können und sollen „Abkürzungen“ eingebaut werden. Ist das Bedürfnis genügend geklärt, wird auf einen Teil der Fragen verzichtet und es wird direkt eine Produktempfehlung abgegeben. Die Gefahr, dass potentielle Kundschaft vor dem Call-to-Action „abhängen“ wird damit minimiert.
3) Optionen und Produktevorteile im richtigen Kontext erläutern (Guided Selling)
Im richtigen Fragekontext soll auf die Unique Selling Propositions (USP) der Lösung hingewiesen werden. Als Beispiel: Wird die Maschine von angelerntem oder häufig wechselndem Personal bedient, können Informationen zu „Intelligenten Assistenzsystemen“ oder über eine einfache „i- Touch Bedienung“ der Maschine vermittelt werden. Diese sollen nämlich den angelernten Bediener in der sicheren Handhabung unterstützen und damit die Produktivität erhöhen. Idealerweise erfolgt in diesem Kontext auch eine Videoverlinkung auf den Youtube-Kanal, um die Vorteile zu visualisieren.
4) Produktempfehlung mit Call-to-Action (CtA) und Generierung eines Sales Leads
Zum Abschluss der Beratung erhält eine Interessentin einen Produktvorschlag als „Top Empfehlung“ und kann im CtA eine persönliche Beratung oder ein Angebot anfordern. Auch wird gleich — im Sinne des Upsellings — eine höherwertige Anlage aufgezeigt (vgl. Abb. 2). Das Beratungsergebnis wird gespeichert und dem Vertrieb als Sales Lead zur weiteren Bearbeitung übermittelt.
5) Minimer Realisierungsaufwand für qualifizierte Leads
Ein Online-Produktberater mit Guided Selling lässt sich als Add-on in jede Webpage integrieren. Es braucht in einem ersten Schritt weder einen Webshop mit Produktkonfigurator, noch ein CRM mit zusätzlicher Marketingautomation im Hintergrund. Beratungsergebnisse werden gespeichert und dokumentiert und können über einen Workflow als Sales Lead dem Vertrieb zur weiteren Bearbeitung mittels E-Mail übergeben werden. Mit Lizenzkosten unter 1000 Euro / Monat für eine passende Softwarelösung ist man dabei.
Fazit: Der Online-Produktberater als Guided-Selling-Werkzeug – der ideale Einstieg in die digitale Produktpräsentation
Ein online Produktberater eignet sich für jeden Maschinen- und Anlagenbauer, der verschiedene Produktlösungen (komplexe Produkte) für ähnliche Anwendungen anbietet und wo es entscheidend ist, das Kundenumfeld und -bedürfnis mit gezielten Fragen detailliert zu erfassen.
Interessenten bekommen nach Beantwortung von wenigen Fragen einen passenden Produktvorschlag als Top-Empfehlung, ggf. werden auch Alternativen vorgeschlagen und begründet (Upselling).
Für den Anbieter gibt es als Nebeneffekt wichtigen Zusatznutzen:
- (Einmalige oder auch neue) Produktfeatures können präsentiert und auf Akzeptanz getestet werden (Customer Insights & Marktforschung).
- Viele Mittelstandsfirmen kennen das digitale Verhalten ihrer Zielkunden nicht und können es so auf einfache Art und Weise testen.
Das Erarbeiten und Aufschalten eines online Produktberater ist somit ein sinnvoller und logischer erster Schritt in die digitale Produktpräsentation für Maschinen- und Anlagenbauer.
Aus meiner Sicht ein immer wichtiger werdendes Thema. Das ist genau der Schritt der Beratung, der im Online-Handel aktuell noch fehlt. Letztendlich bildet das Guided Selling einen idealisierten Beratungsprozess aus dem Einzel- oder Großhandel in anonymer Form ab.