Der chinesische Onlineshop Temu geniesst aktuell eine grosse Medienpräsenz mit kontroverser Beurteilung des Geschäftsmodells, der Qualität und Sicherheit der Produkte sowie der Auswirkungen auf den Schweizer Handel.
Wir schätzen die Temu-Umsätze 2023 auf CHF 350 Mio. – notabene aus dem Stand in 9 Monaten seit dem Schweizer Marktstart im März 2023. Um die gesamte Dimension zu erfassen, wie viel Umsatz den Schweizer Händlern nach China abfliesst, müssen die Umsätze aufgrund der Ultrabilligpreise sicher mit Faktor 3-5 multipliziert werden.
Die Gründe des rasanten Erfolgs sind zusammengefasst die folgenden:
- Grosses Sortiment kombiniert mit extrem günstigen Preisen
- Gut funktionierende Mobile App mit penetranter Gamification und hohem Suchtfaktor
- Massiver Marketingspend bei Meta (USD 2 Mrd. im 2023) und Google
- Tiefe Mindestwarenkorbgrösse für kostenlose Lieferung
- Vergleichsweise schnelle und zuverlässige Lieferung innerhalb von 5-13 Werktagen
- Länder-/marktspezifische Ausrichtung des Marketings, Sortimentsausspielung, Logistik und Payments
So haben wir von verschiedenen Seiten von Umsatzeinbussen bei Schweizer Händlern gehört in Sortimentskategorien, bei denen auch Temu umtriebig geschäftet. Im Folgenden haben wir in betroffenen Warengruppen exemplarisch ein Produkt von Temu herausgepickt und die Preisdifferenz zu ähnlich erscheinenden Angeboten von Schweizer Händlern aufgezeigt.
Disclaimer: Wir haben die Qualität der Temu und „Schweizer“ Produkte nicht getestet und verglichen, sodass sich diese durchaus stark unterscheiden und Preisunterschiede erklären kann. Es ist zudem dezidiert nicht unser Anliegen, die Preisgestaltung von Schweizer Händlern gegenüber Temu auszuspielen. Vielmehr wollen wir Produkte aufzeigen, die aus Kundensicht vergleichbar ausschauen, jedoch preislich grosse Unterschiede aufweisen. Schweizer Händler mit ähnlichen Produkten und höherem Preispunkt sollten aber durchaus Differenzierungs- und Erklärungsstrategien bereithalten, für den Fall, dass Temu nicht als vorübergehendes Kurz-Phänomen schon bald wieder verpufft, sondern gekommen ist, um zu bleiben. Inwiefern Temu ein nachhaltiges (ökonomisch, ökologisch, sozial) und erstrebenswertes Geschäftsmodell ist, ist eine ganz andere Frage.
Während Billiganbieter aus China tatsächlich eine wachsende Konkurrenz für den Schweizer Handel sind, sollten die Vergleiche doch fair bleiben. Beispielsweise der Vergleich von Steckschaum auf Temu ist schlichtweg falsch. Einerseits wird ein hochwertiges und einzeln cellophaniertes
Markenprodukt aus Deutscher Produktion mit einem etwas kleineren Billigsteckschaum aus China verglichen, anderseits kann ich besseren Ziegel als Endkunde bei Brack für CHF 2.00 pro Stück kaufen.
Ein Fachkunde bekommt den Artikel bei uns im Floristikgrosshandel im 35er Karton deutlich günstiger als bei Temu – und zwar das Deutsche Markenprodukt!
TEMU wird bleiben. Aktuell ist der Binnenmarkt in China aufgrund diverser ökonomisch-politischer Fehlentscheidungen über weite Strecken kollabiert. Die Chinesischen Hersteller suchen jetzt in ihrer Not (mit politischer Unterstützung) das Heil im Export. Die europäische Politik hat darauf aber keine Antwort – und ein De-Coupling ist unrealistisch – zu viele Produktgruppen haben gar keine Hersteller mehr in Europa.
Was bedeutet das für den Europäischen Händler? Das wird sehr schwer werden. Er muss da noch mehr in die Kundenbeziehungen investieren, er muss noch mehr „Mehrwertdienste“ erfinden und anbieten, die auf dem Faktor „Lokalität“ und/oder „Spezialwissen“ basieren.
Zu hoffen, dass TEMU wieder „verschwindet“ ist hingegen naiv.